2.6., Arte, 23.45 Uhr: "Streetphilosophy: Empört Euch!“
Der sogenannten Generation Y, also den Menschen, die in den Achtzigern und Neunzigern zur Welt gekommen sind, geht es nicht schlecht; das findet auch "Streetphilosophy“-Moderator Jonas Bosslet. Aber während Jonas eine Serie nach der anderen schaut, ertrinken Flüchtlinge im Mittelmeer. Auch in Berlin sieht Jonas jeden Tag Menschen, denen es schlecht geht. Doch meistens gehen alle an ihnen vorbei, weil jeder genug mit sich selbst zu tun hat. Welche Verantwortung trägt Jonas gegenüber Menschen, die er überhaupt nicht kennt? Muss er sich für eine bessere Welt einsetzen? Oder ist Demonstrieren und Empörung zeigen nichts weiter als Lifestyle? Zu Beginn der Folge legt Jonas die Beichte ab: Er trifft den Kreuzberger Pater Cornelius, der ihm erklärt, wie der Mensch aus Sicht der Religion handeln sollte. Pater Cornelius' Fazit: Gleichgültigkeit ist Sünde. Nächste Station ist eine Großdemonstration in Hannover gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Was bringt es, auf eine Demonstration zu gehen, seine Empörung herauszuschreien? Hat das überhaupt einen Effekt? Oder geht es letztlich nur darum, das eigene Gewissen zu beruhigen? Das fragt er Anne Helm, die ihn begleitet. Sie ist Aktivistin und Jungpolitikerin bei der Partei Die Linke und der Meinung, dass es wichtig ist, sich Gehör zu verschaffen. Zurück in Berlin trifft sich Jonas auf ein Bier mit dem Philosophen Johannes Winter in einer Neuköllner Spelunke. Mit ihm diskutiert Jonas, welcher Weg aus philosophischer Sicht der richtige ist, um gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Am Ende seiner Reise verbringt Jonas einen Abend mit dem Internetmillionär Ehssan Dariani. Er hat vor ein paar Jahren StudiVZ gegründet und mit viel Gewinn verkauft. Jetzt hat er Zeit und Geld: Ehssan glaubt daran, dass vor allem technischer Fortschritt die Welt besser macht und dass die Welt besser ist, als wir sie wahrnehmen.
3.6., ARD, 17.30 Uhr: "Echtes Leben: Uns hat der Krieg nicht getrennt’“
Es sind vier Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: eine Muslima, ein orthodoxer Christ, ein Katholik und ein Jude. Alle vier stammen aus Sarajewo, leben hier nicht nebeneinander, sondern in echtem Miteinander. Wie schafft es die Stadt auf dem Balkan, diese Menschen zusammenzubringen? Wie gelingt es, dass an diesem Ort die Menschen trotz ihres unterschiedlichen Glaubens friedlich bleiben? Wer das erste Mal nach Sarajewo kommt, den beeindruckt vor allem die topographische Lage der Stadt: zwischen langgezogenen üppig-grünen Berghängen, eingeschmiegt ins Tal des Flusses Miljacka. Noch faszinierender aber: In Sarajewo existieren seit Jahrhunderten vier Religionen. Es gibt neunzig Moscheen, zwanzig Kirchen und drei Synagogen auf engstem Raum. Leben und leben lassen: Ist das das große Geheimnis der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas? Nur ein paar Kilometer von Sarajewo entfernt beginnt das Gebiet der Republika Srpska. Regelmäßig drohen die bosnischen Serben mit einem Referendum und der Abspaltung ihres Landesteiles. Hier lebt man noch immer in der Vergangenheit, sieht eine Teilung Bosnien-Herzegowinas als unvermeidlich an. Aber auch muslimische Fundamentalisten sind auf dem Vormarsch. Sichtbares Zeichen: die von Saudi-Arabien finanzierte neue König Fahd Moschee. Mit ihr wuchs auch der Einfluss des Islam auf die Politik. Länder wie Saudi-Arabien oder die Türkei haben in Bosnien und Herzegowina Hunderte Millionen Euro investiert. Geld, das man im muslimischen Teil gerne angenommen hat, denn die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei mehr als 20 Prozent. Doch inzwischen wachsen auch bei den Bosniaken die Zweifel, ob diese religiös motivierten Investitionen dem Zusammenhalt im Land nicht mehr schaden als nutzen. Till Rüger trifft vier Einwohner Sarajewos, von denen jeder für sich, eine ganz eigene Erklärung hat, warum das Zusammenleben der Religionen und der drei Ethnien trotz aller Spannungen um sie herum funktioniert.
3.6., ZDF, 9.30 Uhr: "Evangelischer Gottesdienst: Wir haben hier keine bleibende Stadt“
Moskau, die 15-Millionen-Metropole Russlands, ist eine Stadt zwischen Tradition und Moderne. Mitglieder der evangelischen Gemeinde berichten von ihrem Leben in Moskau. "Das Leben hier verändert sich rasend schnell, und die Menschen müssen mit, wenn sie nicht auf der Strecke bleiben wollen“, erzählt Aljona Hofmann, die Pfarrerin der deutschsprachigen Gemeinde in Moskau. Leben wie im Zeitraffer, das gilt auch für ihre Gemeinde. Die meisten hier sind nur für drei bis vier Jahre in Russland, bis ihr beruflicher Weg sie wieder woandershin führt. Was gibt Halt im Wandel der Zeit? Das ist das Thema dieses Gottesdienstes unter dem Motto "Wir haben hier keine bleibende Stadt“. Für die Musik sorgen Musiker der Gemeinde und ein deutsch-russischer Chor des Goethe-Instituts Moskau.
3.6., ZDF, 18.00 Uhr: "Alles koscher?“
Die Reportage macht sich auf den Weg ins jüdische Leben in Deutschland. Sie beschreibt, wie Juden eine Umwelt erleben, die ihnen gegenüber zunehmend feindlich gesinnt scheint. Die Reise beginnt mit der Speisekarte im Restaurant Schalom in Chemnitz. Hier gibt es jüdische Küche mit internationalem Touch: Gefilte Fisch, Blintzes und Latkes, Couscous und Lammfilet. Uwe Dziuballa führt das Lokal zusammen mit Mutter und Bruder. Die jüdische Familie stammt aus Chemnitz, man könnte sie wohl als Lokalpatrioten bezeichnen. Doch die Dziuballas müssen mit Anfeindungen leben. Immer wieder Schmierereien, immer wieder eingeworfene Scheiben. Meistens zeigt die Familie sie nicht einmal mehr an: Es bringe ja doch nichts. Alon Meyer ist ehemaliger Fußballtrainer und Präsident des jüdischen Sportvereins Makkabi in Frankfurt. Seine Spieler tragen den Davidstern auf den Vereinsjacken. Regelmäßig kommt es zu antisemitischen Auseinandersetzungen mit den gegnerischen Mannschaften auf dem Spielfeld, immer wieder zu Beleidigungen, Bedrohungen oder handfesten Übergriffen. Die jüdische Schule seiner Kinder gleicht einem Hochsicherheitstrakt: Kontrollen am Eingang, in der Schule patrouillieren bewaffnete Sicherheitskräfte, und mehrmals im Jahr stehen Notfallübungen auf dem Stundenplan. Der ehemalige Rabbiner-Student Armin Langer will etwas tun. Seine Berliner Initiative heißt "Salaam-Schalom“. Immer zu zweit - ein Jude, ein Moslem - gehen Mitglieder zusammen an die Brennpunkte antisemitischer Erfahrungen, etwa in Schulen, und leisten dort Konfliktmanagement und Aufklärungsarbeit. Regelmäßig unternimmt er eine Fahrt mit muslimischen Jugendlichen ins ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen. Sein Credo: "Wir müssen klarmachen, dass Muslime und Juden keine Feinde sind und dass wir den Konflikt aus dem Nahen Osten nicht hierher importieren wollen.“
4.6., ARD, 20.15 Uhr: "Was Deutschland bewegt: Das Mädchen und der Flüchtling“
Es ist der 22. Dezember 2017. In einer ruhigen Wohnstraße im hessischen Darmstadt stellt sich ein 16-jähriger afghanischer Flüchtling einem 17-jährigen Mädchen in den Weg. Die beiden kennen sich aus der Schule, sie war seine Deutsch-Patin; er glaubte, sie wären ein Paar. Dann geht alles ganz schnell. Das Springmesser hatte er mitgebracht, damit sticht er zu, immer wieder. Eine brutale Attacke, die das Mädchen nur knapp überlebt. Noch am selben Abend wird der Junge in seiner Wohngruppe für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge festgenommen. Nur fünf Tage später im südpfälzischen Kandel: Mit zahlreichen Messerstichen tötet ein afghanischer Flüchtling seine ehemalige Freundin in einem Drogeriemarkt. Ein paar Wochen zuvor hatte das Mädchen die Beziehung beendet. Eine grausige Tat, deren Brutalität ganz Deutschland schockiert. Bereits wenige Stunden nach der Tat überschlagen sich Meldungen und Kommentare in den sozialen Medien. In Trauer und Entsetzen über den Tod des jungen Mädchens mischen sich Wut und Hass: auf den Täter; auf Flüchtlinge und die, die sie unterstützen. Und auf die Politiker, die die Sicherheit der Bevölkerung, wie es heißt, aufs Spiel setzten. Kandel ist gleich mehrfach zum Symbol geworden: für eine sträflich naive Flüchtlingspolitik; oder für die politische Instrumentalisierung eines schrecklichen Einzelfalles. Christian Gropper und Kai Diezemann haben sich in Kandel und Darmstadt umgeschaut: Wie begegneten sich Opfer und Täter? Wer hat versucht, den jugendlichen Geflüchteten die Werte einer freien und gleichberechtigten Gesellschaft nahezubringen? Ist es fahrlässig, junge Mädchen zu Deutsch-Patinnen junger Männer zu machen, die mit einem völlig anderen Frauenbild groß wurden? Welche Spuren haben die Messerattacken in den beiden Städten hinterlassen? In Kandel reisen inzwischen regelmäßig Tausende Menschen aus ganz Deutschland an, um für oder gegen Zuwanderung zu demonstrieren; in Darmstadt leben inzwischen fast 4.000 Flüchtlinge. Wie gefährlich ist es in einer Stadt, die 216 unbegleitete Minderjährige aufnahm, von denen viele aus Afghanistan stammen? Väter erlauben ihren Töchtern nicht mehr, am Abend in die Innenstadt zu fahren.
Es gelingt den Autoren, tiefer einzutauchen in die tägliche Begegnung, in das aufgeladene Spannungsfeld von Flüchtlingen und Deutschen. Schülerinnen und Lehrerinnen der Darmstädter Berufsschule, in der sich das Mädchen und der Flüchtling in einer Integrationsklasse begegneten, sprechen offen über ihre Erfahrungen, ebenso die junge Lehrerin, die hier Ansprechpartnerin für alle Mädchen ist, die sich seit der Einschulung der Flüchtlinge sexuell belästigt fühlen. Schließlich bekommt das Team auch Zutritt zu der Wohngruppe, in der der afghanische Junge gelebt hat. Über dem Eingang zur Wohnunterkunft mahnt ein Transparent: Respekt. Respekt vor jungen Frauen und Andersdenkenden müssen viele erst lernen. Wer bringt es ihnen bei?
4.6., ARD, 22.45 Uhr: "Rabiat: Hass ist ihr Hobby“
"Geh ins Gas“ oder "Bist du überhaupt ein Mensch, falls ja bitte nicht fortpflanzen“: Tausende Kommentare dieser Art liest Rainer Winkler jeden Tag. Im Internet wird der junge Mann aus Altschauerberg gehasst, weil er anders ist und das in seinen Videos im Internet zeigt; seit fünf Jahren geht das so. Die sogenannten Hater lassen sich immer neue Tabubrüche einfallen, um den Youtuber fertig zu machen. In seinem Namen wurden Chemikalien zum Bau von Bomben bestellt, ein Großalarm der Feuerwehr ausgelöst, er wird Zuhause belästigt und bis zur Weißglut gereizt.
Dennis Leiffels stellt in seiner Reportage die passenden Fragen: Wie kommt man auf die Idee, einzelne Menschen im Internet lächerlich zu machen? Warum werden hunderte, tausende Kommentare geschrieben, Videos produziert, ganze Computerspiele entworfen, um die Existenz eines Menschen zu zerstören? Leiffels taucht tief ein in die bizarre Welt des Cybermobbing. Er spricht mit Tätern und Opfern, macht sich selbst zur Zielscheibe und verdeutlicht im Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thomas Goger von der Bamberger Zentralstelle für Cybercrime, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Aber welchen Schutz gibt es vor Mobbingattacken? Tausende "Hater“ vergnügen sich dabei, aus der eigenen Anonymität heraus oft zufällige Opfer zu piesacken. Was treibt diese "normalen Menschen“ um? Und wie leben die Opfer? Katrina Reichert setzt sich für die Rechte Transsexueller ein. Seit ihre Adresse veröffentlicht wurde, schläft sie nur noch mit einer Waffe unterm Kopfkissen. Im beschaulichen Altschauerberg in der Nähe von Nürnberg erleben die Bewohner Tag für Tag schieren Psychoterror. Inmitten des Dorfes lebt Rainer Winkler, im Internet nennt er sich "Drachenlord“. Für die "Hater“ ist er ein perfektes Opfer. Und mit ihm alle Dorfbewohner. Täglich pilgern Hater nach Altschauerberg, fahren oft Stunden, um zu provozieren, Häuserwände zu beschmieren, Böller zu zünden, was dann wieder neue "humoristische“ Videos hervorbringt. Ob die Opfer von Cybermobbing tatsächlich alleine gelassen werden, überprüft Leiffels am eigenen Leib. Eine Äußerung auf Twitter genügt, um 1.500 Reaktionen zu provozieren: Beleidigungen, Verunglimpfungen, massive Versuche, sein Leben zu zerstören. Die zuständige Staatsanwaltschaft rät zur Anzeige. Nach wenigen Wochen bekommt er Post: "Die Ermittlungen sind eingestellt.“
4.6., 3sat, 0.25 Uhr: "37 Grad: Kampf um jeden Atemzug“
Die Geschichte von Leo beginnt 2015 in Neuseeland. Anja, 39, will mit ihrem Freund Tony, 36, nur einige Monate in dessen Heimat verbringen. Doch dann wird sie schwanger, mit Zwillingen. Eine komplizierte, dramatische Schwangerschaft. Am Ende müssen die Zwillinge Mats und Leo per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt werden, 13 Wochen zu früh. An eine schnelle Rückkehr nach Deutschland ist nicht zu denken, denn Leo ist krank. Mehrfach muss er operiert werden, dabei wird seine Luftröhre bei einem Eingriff schwer verletzt. Leo muss nun rund um die Uhr gepflegt werden, und mit dieser Gewissheit ändert sich alles für die Familie. Leo bekommt kaum Luft, Schwellungen und Zysten machen das Atmen für ihn fast unmöglich. Durch einen Luftröhrenschnitt und mithilfe einer sogenannten Trachealkanüle kann er zwar wieder atmen, aber er ist seither stumm. Zudem muss er über eine Magensonde ernährt werden. Aus Angst davor, nicht weiteratmen zu können, verweigert er das Schlucken. Trotz allem: Leo ist ein glückliches Kind, ein Sonnenschein. Die Eltern versuchen, ihr Leben so normal wie möglich zu leben. Tony gibt seine Arbeit als IT-Fachmann auf, um bei seinen Zwillingen sein und Anja unterstützen zu können. Rund um die Uhr, bis zu fünfzig Mal am Tag, muss Leos Luftröhre abgesaugt werden. Tagsüber machen das Anja und Tony, nachts übernehmen Krankenschwestern diese Aufgabe, bezahlt von einem neuseeländischen Gesundheitsfonds. Die Ärzte in Neuseeland wissen nicht weiter, doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: die Spezialklinik "Lufthafen“ in Hamburg, im Altonaer Kinderkrankenhaus. Anja und Tony stehen vor einer riesigen Herausforderung. Die Familie zieht im September 2017 nach Deutschland. Am Flughafen wartet Anjas Familie, ein Haus haben sie bereits über das Internet gefunden. Doch vorerst gibt es keine Pflegekräfte, um Leos Versorgung zu Hause abdecken zu können. Weil Tony in der Woche arbeitet, um die Familie zu ernähren, lasten alle Entscheidungen und die Versorgung von Leo und Mats jetzt allein auf Anjas Schultern. Der zähe Kampf um Pflegekräfte für Leo kostet viel Kraft. Die Herausforderungen sind viel größer als erwartet, doch aufgeben ist keine Option. Ann Heigl hat die Familie vor ihrer Abreise in Neuseeland und in den Folgemonaten in Deutschland begleitet. Das Filmteam ist bei der Ankunft in Hamburg dabei, nimmt teil an Untersuchungen, feiert Leos zweiten Geburtstag und erlebt den schwierigen Alltag der Familie. Ein Film mit tragischen Situationen und fröhlichen Momenten; ein Film über eine Familie, in der die Liebe der Treibstoff allen Handelns ist.
5.6., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Was bin ich ohne dich?“
Caroline Haertel befasst sich in ihrer Reportage mit einem Thema, von dem viel mehr Menschen betroffen sind, als man gemeinhin glaubt: Alle 53 Minuten nimmt sich in Deutschland jemand das Leben. Bei jedem Suizid bleiben durchschnittlich sechs Angehörige meist fassungslos zurück. Die Autorin zeigt anhand verschiedener Beispiele, wie das Leben weitergehen kann. Viereinhalb Jahre sind vergangen, seit sich der Bruder von Gabriel (33) das Leben nahm. Es ist, als wäre diese Katastrophe erst gestern gewesen. Immer wieder überfallen Gabriel die Gedanken nach dem "Warum“. Hätte er es nicht doch irgendwie verhindern können? Angehörige von Suizidopfern finden oft keinen Weg aus dieser Gedankenmühle. Mit Selbstvorwürfen und der Frage nach dem "Warum“ reiben sie sich auf. Christel (73) und ihr Mann waren vierzig Jahre glücklich verheiratet, als er seinem Leben ein Ende setzte, ohne jede Vorankündigung und ohne einen Abschiedsbrief. Acht Jahre ist das her. Bis heute weiß Christel nicht, was ihren Mann zu dieser Verzweiflungstat getrieben hat. Dritte Betroffene ist Miriam. Zu Beginn der Dreharbeiten liegt der Tod ihres Mannes noch kein Jahr zurück. Er hat sich in der gemeinsamen Wohnung das Leben genommen. Mit dem Notarzt kam auch gleich die Polizei. Da Suizid kein natürlicher Tod ist, wurde die Wohnung zunächst wie ein Tatort behandelt. Für Miriam (47) eine schreckliche Situation. Haertels Film begleitet Gabriel, Christel und Miriam ein Jahr lang mit der Kamera. Wie gelingt es ihnen, das traumatische Geschehen zu verarbeiten und vielleicht sogar wieder ins normale Leben zurückzufinden? Der Film dokumentiert den Schmerz, die Schuldgefühle und die zermürbenden Fragen, die die Angehörigen quälen. Er zeigt aber auch, dass es Hilfe gibt. Miriam findet Trost und Unterstützung durch eine Suizid-Trauerbegleiterin und beim Yoga, Christel leitet inzwischen die Hamburger Selbsthilfegruppe des Bundesverbandes der Angehörigen nach Suizid, AGUS, und Gabriel will sich bei "Freunde fürs Leben“ engagieren, die sich für Suizid-Prävention bei Jugendlichen einsetzen.
5.6., Arte, 20.15 Uhr: Uhr: "Der Traum von Olympia“
Nichts eignet sich besser für die politische Propaganda als ein sportliches Ereignis, auf das die gesamte Welt schaut. "Der Traum von Olympia“ von Florian Huber (Buch und Regie) und Mira Thiel (Regie) ist ein Dokudrama, also eine Kombination aus zeitgenössischen Aufnahmen und nachgestellten Spielszenen. Huber konzentriert sich in seinem Drehbuch auf zwei Protagonisten, die gewissermaßen als Zeitreiseführer dienen, der eine für die Innenansicht, die andere für die Außenperspektive. Wolfgang Fürstner (verkörpert von Simon Schwarz) war der Kommandant des Olympischen Dorfes, Gretel Bergmann (Sandra von Ruffin) die damals wohl talentiertestes deutsche Hochspringerin mit guten Aussichten auf die Goldmedaille; kurz vor Beginn der Spiele wurde sie als Jüdin aus dem Kader verbannt. Die Wahl dieser beiden Erzähler hat den Vorteil, dass Huber auf einen Kommentar verzichten kann, denn Fürstner, der die deutlich größere Rolle einnimmt, sorgt für die nötigen Hintergrundinformationen: über die Bedeutung der Spiele für die Nationalsozialisten, über die Überlegungen der USA, sie zu boykottieren, über den riesigen Aufwand, der getrieben wurde, um für das Bild eines friedlichen Deutschlands zu sorgen und Berlin in eine weltoffene Metropole zu verwandeln. Für Fürstner, der außer Offizier offenbar nichts gelernt hat, ist das Kommando über das Olympische Dorf die Chance seines Lebens. Aber dann werden die Nürnberger Rassegesetze erlassen, und der Hauptmann bekommt ein Problem: Er hat jüdische Vorfahren und wird degradiert. Nun sind beide, der Offizier und die Sportlerin, nur noch Statisten im eigenen Traum. Während Gretel Bergmann nach Amerika auswandert, gibt es für den Dorfkommandanten angesichts der doppelten Schmach, nicht nur die Lorbeeren, sondern auch noch die eigene Frau einem anderen überlassen zu müssen, in alter Offizierstradition nur eine Konsequenz. Ursprünglich lautete der Untertitel des Dokudramas schlicht "Die Spiele von Berlin 1936“, nun heißt der Titelzusatz "Die Nazi-Spiele von 1936“. Selbst wenn beispielsweise Fürstners Gegenspieler, der Berliner Polizeipräsident (Gotthard Lange), auch physiognomisch eher schlicht als typischer Filmschurke konzipiert worden ist: Die etwas plump anmutende Verwendung des Reizwortes wird dem Anspruch der Arbeit nicht gerecht.
5.6., Arte, 0.25 Uhr: "Son of Saul“
Auschwitz-Birkenau, das Hauptvernichtungslager der Nazis, ist wie eine Fabrik organisiert. Im Herbst 1944 ist Saul Ausländer dort Mitglied des Sonderkommandos. Seine Aufgabe ist es, die Menschen in die Räume zu begleiten, sie sich ausziehen zu lassen, sie in die Todeskammern zu schicken, um dann Haare, Schmuck und Goldzähne herauszuholen. Es muss schnell gehen, da andere Konvois von Deportierten schon warten. Als Belohnung für diese Tätigkeit gewährt die Lagerleitung einen viermonatigen Aufschub der eigenen Vernichtung. Eines Tages beobachtet Saul, wie ein Junge das Gas überlebt, von einem deutschen Arzt eigenhändig getötet und zur Obduktion geschickt wird. Unbegreiflicherweise fühlt er, dass dieses Kind sein Sohn sein könnte, und entscheidet, dass er ihm um jeden Preis ein rituelles Begräbnis nach der jüdischen Tradition verschaffen will. Dafür braucht er einen Rabbiner, der das Kaddisch rezitieren kann. Saul ist von diesem Gedanken besessen und bereit, alles und jeden in Gefahr zu bringen, um seine Mission zu erfüllen. Durch den hartnäckigen Eigensinn, mit dem er seinen Plan verfolgt, gefährdet er mehr als einmal den Plan zu einem Aufstand, den seine Kameraden vom Sonderkommando entwickeln. Er riskiert viele Leben - für einen Toten. "Son of Saul“ handelt von der verzweifelten Suche nach Menschlichkeit an einem Ort unmenschlicher Barbarei. Der Film gewann beim Filmfestival in Cannes 2015 den Großen Preis der Jury und im Jahr drauf den "Oscar“ als bester fremdsprachiger Film.
6.6., 3sat, 23.55 Uhr: "Endlich perfekt sein - Selbstoptimierung als Lebensaufgabe“
Über 30 Prozent der Deutschen vermessen ihr Leben mit Fitness-Armbändern und Smartwatches, um das Maximale aus sich herauszuholen. Sie sind Teil der boomenden Self-Tracking-Bewegung. Der Drang zur Selbstoptimierung ist typisch für den Menschen, so die Soziologin Diana Lindner. Filmemacherin Nanina Bauer trifft begeisterte Self-Tracker, interviewt Ärzte, Piercer und Menschen, die das Self-Tracking ablehnen. Sie diskutiert mit Psychologen, Vertretern von Krankenkassen, Datenschützern und Soziologen über Möglichkeiten und Konsequenzen der permanenten digitalen Selbstoptimierung. Zumindest anfänglich bringt der Drang zur Selbstoptimierung auch Erfolg, Spaß und Selbstsicherheit. Doch er hat auch problematische Folgen: Self-Tracking verursacht hohe Kosten und hat ein enormes Suchtpotenzial. Für einzelne droht soziale Ausgrenzung. Beim Self-Tracking werden persönliche Daten erhoben und gespeichert - aber nicht immer voll geschützt. Unter anderem auch aus diesen Gründen sind viele Menschen gegen die Selbstoptimierung.
6.6., BR, 19.00 Uhr: "Stationen: Zeitreisen und Weltreisen“
Reisen bildet, heißt es, und wer möchte nicht gebildet sein? Doch worum geht es eigentlich beim Reisen? Sicherlich um Kultur- und Naturschönheiten, aber auch um Erlebnisse und Abenteuer. Wir wollen unseren Horizont erweitern, andere Welten - und Zeiten kennenlernen. Was macht das Unterwegssein mit uns? Verändert es unser Leben? "Stationen“ erzählt von Zeitreisen und Weltreisen, von einer Stadt, die regelmäßig ins Mittelalter eintaucht, von Menschen, die nach dem Reisen süchtig sind, und von "Weltreisen“, die ganz in die Nähe führen.
6.6., BR, 22.45 Uhr: "Die Welt ist noch zu retten?!“
John Websters Ur-Enkelin Dorit wird wohl in den 2060er-Jahren geboren und mit ihren kleinen gelben Gummistiefeln an einer bis dahin ganz veränderten Küste entlang wandern. Der Filmemacher schreibt einen filmischen Brief an sie und nimmt den Zuschauer mit auf eine emotionale Reise um die ganze Welt. Er verwebt nahtlos Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen schönen, bewegenden und hoffnungsvollen Dokumentarfilm über die Macht eines jeden von uns, die Welt zu verändern. Was für eine Welt wird Dorit erleben? Wie wird sie sich durch den Klimawandel von seiner Welt unterscheiden? Was übergeben die Menschen denen, die nach ihnen kommen? Die persönliche Erfahrung des Verlustes, die den Filmemacher sein ganzes Leben begleitet, ist der Ausgangspunkt für eine emotionale und physische Reise auf die John Webster den Zuschauer mitnimmt: von Finnland durch ganz Russland zu den sibirischen Kohlengruben, auf die Marshall-Inseln im Pazifik und durch die USA nach New York. Der Originaltitel von "Die Welt ist noch zu retten?!“ lautet "Little Yellow Boots“ und spielt auf die Gummistiefel der zukünftigen Erdbewohnerin Dorit an. Die Gummistiefel, die oft in Aufnahmen der Gegenwart geblendet werden, markieren den Meeresspiegel in fünfzig Jahren. Sie werden zum Leitmotiv, zur bedrohlichen Metapher des Klimawandels; aber auch zu einem Symbol der Hoffnung.
7.6., ARD, 0.35 Uhr: "CIVIS Medienpreis 2018“
Der CIVIS Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa wird als europäischer Fernsehpreis und als Radiopreis für deutschsprachige Programme in der Europäischen Union und der Schweiz vergeben. Die diesjährige Verleihung findet am Abend des 7. Juni im Auswärtigen Amt in Berlin statt, die ARD zeigt eine Aufzeichnung der Gala. Der Preis zeichnet Programmleistungen im Film, Fernsehen, Radio und Internet aus, die das friedliche Zusammenleben in der europäischen Einwanderungsgesellschaft fördern. Schirmherren sind Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Antonio Tajani, der Präsident des Europäischen Parlaments. Mitwirkende der Gala sind unter anderem die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, sowie WDR-Intendant Tom Buhrow, darüber hinaus die TV-Journalistinnen und TV-Journalisten Pinar Atalay (ARD), Brigitte Handlos (ORF), Sonia Seymour Mikich (WDR), Anja Reschke (NDR) und Cherno Jobatey (ZDF). Zu den Gästen zählen beispielsweise Frank Elstner und Harald Krassnitzer, Moderatorin ist Sandra Maischberger.
7.6., 3sat, 21.00 Uhr: "scobel: Abschaffung des Todes“
Menschen werden immer älter. Aber was bedeutet das für die Gesellschaft? Im Rahmen des Themenabends "Projekt Unsterblichkeit“ diskutiert Gert Scobel darüber mit dem Philosophen Sebastian Knell und der Gerontopsychologin Susanne Wurm. Ein weiterer Gast Ingolf Baur, Autor der Wissenschaftsdoku "Uralt und Blut-jung“, die 3sat zuvor um 20.15 Uhr ausstrahlt. Die Runde deabattiert über Fragen wie diese: Was ist erstrebenswert am Ältersein? Was macht die Qualität des Lebens im Alter aus? Bedeutet ein längeres Leben immer auch ein besseres Leben? Ist womöglich unsere aktuelle Lebensunzufriedenheit das Motiv, alt werden zu wollen? In den vergangenen hundert Jahren haben wir insgesamt zwanzig Lebensjahre dazu gewonnen. Der Mensch altert langsamer. Doch das trifft nicht auf alle Organe des Menschen zu: Gehirn, Innenohr und Auge altern immer noch so wie früher; das erklärt die starke Zunahme an degenerativen Erkrankungen dieser Bereiche. Der Philosoph Sebastian Knell ist der Ansicht, dass das Projekt der Lebensverlängerung nicht nur die biomedizinische Forschung, sondern auch die Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt. Im Jahr 2050 werden in Europa 70 Millionen Menschen über 80 sein. Der Herbst des Lebens verlängert sich. Neue Ideen für das "vierte“ Lebensalter zwischen Arbeit und hohem Alter müssen entwickelt werden. Lebensläufe können sich verändern. So wäre es beispielsweise möglich, mehrere Berufe nacheinander auszuüben. Eine alternde Gesellschaft erfährt demografische und soziologische Auswirkungen. Wird es sich jeder und jede leisten können, über hundert zu werden? Wird es Verteilungskämpfe geben, wenn sieben statt vier Generationen gleichzeitig leben? "scobel“ blickt auch auf Visionen vom Alt- und Älterwerden in anderen Kulturen und sucht Antworten auf die Frage, was Menschen am Ende Ihres Lebens wirklich wollen.
7.6., WDR, 22.40 Uhr: "Menschen hautnah: Männlich, weiblich - oder was?“
Christian, Sandrao und Talisha sind weder männlich noch weiblich, sie sind intersexuell. Christian wurde offiziell als Junge geboren. Im Alter von einem Jahr haben Ärzte einen Teil seiner männlichen Geschlechtsorgane entfernt. In der Grundschule wird ihm klar, dass er sich trotzdem als Junge fühlt. Talisha ist als Junge aufgewachsen, fühlt sich aber als Frau. Von ihren Eierstöcken hat sie erst mit 29 Jahren erfahren und plant jetzt eine operative Geschlechtsangleichung.
Bei Sandrao wurden Penis und Hoden im Kindesalter amputiert. Sandrao ist unfruchtbar und fühlt sich keinem konkreten Geschlecht zugehörig. Christian, Sandrao und Talisha stehen zwischen den Geschlechtern. Oder anders gesagt: Sie haben von beiden Geschlechtern etwas. Wie schwierig das Thema ist, wird schon bei der Anrede oder der Suche nach einer treffenden Bezeichnung klar: Zwitter oder Hermaphrodit oder auch Intersexueller? In keiner dieser Bezeichnung finden sich Betroffene eindeutig wieder. Die drei sprechen offen über dieses Tabuthema, ihre alltäglichen Hürden und Geschlechtsoperationen. Immer noch werden Intersexuelle im Kindesalter operiert, um den starren Normen von männlich und weiblich zu entsprechen. Drei sehr unterschiedliche Schicksale, die „Menschen Hautnah“ begleitet.
8.6., 3sat, 20.15 Uhr: "Sterben verboten?“
Verhindert unser Gesundheitssystem durch falsche finanzielle Anreize einen "guten“ Tod? Und was ist ein "guter“ Tod? Welche Entscheidungen müssen Ärzte, Patienten und Angehörige treffen? Ungefähr ein Drittel der Gesundheitskosten eines jeden Patienten fallen in den letzten ein bis zwei Lebensjahren an. Das ist jährlich ein dreistelliger Milliardenbetrag, und selbstredend gibt es Firmen, die daran interessiert sind, aus dieser Lebensphase maximalen Profit zu schlagen. Die Medizin hat so große Fortschritte gemacht, dass heute Menschen am Leben erhalten werden können, denen Ärzte vor einigen Jahren noch gar nicht helfen konnten; etwa mit Blutwäsche, Beatmung und künstlicher Ernährung. Verfahren, die zur Lebensrettung sinnvoll sind. Werden sie aber zur Verlängerung eines Sterbeprozesses eingesetzt, sind sie leidvolle Übertherapie. Dabei wünschen sich die meisten Menschen, am Lebensende nicht ins Krankenhaus zu kommen. Doch jeder Zweite stirbt dort, oft bis zum Ende maximal therapiert. "Wir können uns nicht vorstellen wie es ist, nicht zu existieren, deshalb setzen wir alles daran, um immer weiter am Leben zu bleiben. Wir haben als Gesellschaft vergessen, dass Sterben zum Leben dazugehört“, sagt Sylvia Klauser, Ethikreferentin der Cellitinnen-Krankenhäuser in Köln.