Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Oma ist verknallt" (ARD)
1.6., ARD, 20.15 Uhr
Wenn ältere Eltern im Film nach längerer Zeit ohne Kontakt eines Tages unangekündigt vor der Tür ihrer Kinder stehen, ist das oft der Auftakt zu einem Drama: Vater oder Mutter sind unheilbar krank und wollen sich mit Sohn oder Tochter versöhnen. "Oma ist verknallt" beginnt genauso, wenn auch mit einem bedeutsamen Unterschied: Mutter Gisela (Ruth Reinecke) sitzt zwar im Rollstuhl, doch die verwitwete Frau ist keineswegs dem Tode geweiht.

Sie laboriert an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs, hat es im Krankenhaus nicht mehr ausgehalten ("alles Faschisten"), kann sich aber auch nicht allein versorgen; also hat sie sich ihres Sohnes Matthias (Florian Panzner) besonnen. Dessen Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen: Die Familie ist aus Geldgründen gerade erst in ein kleineres Haus gezogen, es gibt kein Gästezimmer. Das größere Problem ist jedoch ein tiefer Zwist zwischen Schwiegermutter und -tochter: Gisela hat überhaupt kein Verständnis dafür, dass Nina (Hilde Dalik) wieder arbeiten will, anstatt sich ausschließlich um Haushalt und Kinder zu kümmern. Das Paar nimmt die Mutter trotzdem auf, und weil der behandelnde Arzt erzählt, Giselas Problem seien nicht die Folgen der Operation, sondern fehlender Lebensmut, kommt Matthias auf eine absonderliche Idee: Er schlüpft in die Rolle eines anonymen Verehrers, macht ihr Geschenke und schreibt glühende Liebesbriefe. Gisela, die tatsächlich aufblüht "wie eine Wüstenrose nach dem Regen", ist überzeugt, bei dem Absender handele es sich um den besten Freund ihres Gatten. Als sie ihn mit einem Überraschungsbesuch beehren will, muss sie bestürzt feststellen, dass er soeben verstorben ist. Matthias lässt die Brieffreundschaft trotzdem nicht abreißen, aber weil er dringend einen Mann für Gisela braucht, heckt er gemeinsam mit den zehnjährigen Tom (sehr sympathisch abwechselnd von den Zwillingen Konstantin und Leopold Schmidt verkörpert) einen äußerst gewagten Plan aus.

Drehbuchautor Robert Krause hat für die ARD-Tochter Degeto auch die Komödie "Zwei Bauern und kein Land" (2017) sowie das Liebesdrama "Für eine Nacht ... und immer?" (2015) geschrieben, beide auf ihre Weise ausgesprochen sehenswert. Für "Oma ist verknallt" gilt das nicht minder, selbst wenn der Titel eher eine Klamotte befürchten lässt und es noch andere kleinere Ungereimtheiten gibt, etwa Giselas harsche Haltung zu Ninas Arbeitswunsch. Dabei macht die Schwiegermutter gar keinen derart konservativen Eindruck; außerdem ist sie in einem Alter, in dem viele andere Frauen durchaus noch nicht im Ruhestand sind. Später reicht das Drehbuch zwar nach, dass ihr Unmut eher das Resultat der eigenen Unzufriedenheit ist, aber zunächst sorgt der Film dafür, dass sie nach Kräften als Gegenspielerin erscheint, wenn sie durch das Haus rollt und "Saustall" murmelt. Als der unbekannte Verehrer ihr einen Gutschein für den Besuch eines Beauty-Salons schenkt, wird sie allerdings auch innerlich ein neuer Mensch.

Regie führte Markus Herling, der zuletzt für die Degeto eine hintergründige Komödie ganz ähnlichen Zuschnitts gedreht hat: "Opa wird Papa" (2018) erzählt die Geschichte eines Mannes im Rentenalter, der auf seine alten Tage noch mal Vater wird. Die Titelfigur spielt Ernst Stötzner, der auch in "Oma ist verknallt" in einer kleinen, aber feinen Rolle mitwirkt: Theodor und Gisela treffen sich auf dem Friedhof, wo sich beide um die Grabstellen ihrer Ehepartner kümmern und ein bisschen in die Haare kriegen. Seine Bemerkung über die "Schreckschraube" ist selbstredend ein klares Romanzensignal, aber vorher ergibt sich eine weitere Begegnung, die sich Krause wunderbar ausgedacht und die Herling mit Hilfe der beiden Schauspieler kongenial umgesetzt hat: Theodor ist Apotheker, und weil Gisela ihre 14jährige Enkelin (ebenfalls gut: Gioia Marischka) zur Frauenärztin begleitet hat, weil Bille die Pille will, und nun auch das Rezept einlöst, kommt es zu einem Moment, der auch peinlich werden könnte, aber Theodor reagiert genauso, wie ein Apotheker in so einer Situation reagieren sollte. Außerdem ist Stötzners entsprechender Blick großes Schauspiel. Gisela wiederum ist anschließend überzeugt, Theodor sei ihr Verehrer; bis die ganze Wahrheit ans Licht kommt und ausnahmslos alle am Boden zerstört sind.

Neben der vorzüglichen Führung der mit Ausnahme Panzners und Stötzners einem breiten Publikum wenig bekannten Darsteller und einer Musik, die sowohl in den heiteren wie auch in den besinnlichen Momenten immer den richtigen Ton trifft (Birger Clausen), zeichnet sich "Oma ist verknallt" durch viele sympathische Einfälle aus, die die ohnehin schöne Geschichte zu einem richtig guten Film abrunden. So ist Gisela zum Beispiel ein großer Fan des Klassikers "Frühstück bei Tiffany", weshalb Matthias die Briefe mit "George Peppard" unterschreibt (der allerdings keine Figur aus dem Film, sondern der männliche Hauptdarsteller ist). Für Matthias hat sich Krause einen ungewöhnlichen Beruf einfallen lassen: Der Mann ist theoretisch Schriftsteller, praktisch schreibt er jedoch Bedienungsanleitungen für elektronisches Spielzeug. Wichtig für die Handlung wie auch für die Atmosphäre des Films sind die vielen gemeinsamen Szenen von Vater und Sohn. Dessen Erkundigung nach dem elterlichen Sex ist für einen Zehnjährigen zwar äußerst ungewöhnlich, lässt sich aber rechtfertigen, weil Tom Informationen über die Liebe sammelt und Matthias daher einige Löcher in den Bauch fragt. Tom ist es auch, den die Kamera beim Streifzug durch Giselas Wohnung begleitet, wo er neben einigen absonderlichen Gegenständen auch Fotos aus glücklicheren Tagen entdeckt. Und so ist "Oma ist verknallt" eine schöne Tragikomödie, die sämtliche Tücken und Fettnäpfchen des Sujets vermeidet und ähnlich wie "Opa wird Papa" mal eine ganz andere Geschichte erzählt als die Heimatdramen und Helferinnenfilme, die den Freitag im "Ersten" mittlerweile prägen; von der nebenbei vermittelten Botschaft, möglichst viel Zeit mit seinen Eltern zu verbringen, solange das noch möglich ist, ganz zu schweigen.