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TV-Tipp: "Billy Kuckuck: Margot muss bleiben" (ARD)
27.4., ARD, 20.15 Uhr
Eigentlich erstaunlich, dass die Fernsehfilmabteilungen von ARD und ZDF das Potenzial dieses Berufs nicht schon längst erkannt haben: Wer könnte besser von den großen und kleinen Dramen des menschlichen Daseins erzählen als Gerichtsvollzieher?

Andererseits wird allein die Berufsbezeichnung bei den meisten Menschen eher negative Assoziationen wecken. Deshalb ist die Titelfigur mit dem allzu sehr um Originalität bemühten Namen Billy Kuckuck auch kein stures Vollzugsorgan, sondern eine Frau mit großem Herzen, die sich nahtlos in die Phalanx all der anderen Helferinnen aus Reihen wie "Die Eifelpraxis" oder "Praxis mit Meerblick" (beide ARD) und "Lena Lorenz", "Hanna Hellmann" oder "Marie fängt Feuer" (alle ZDF) einfügt. Wenn Billy (Aglaia Szyszkowitz) eine alte Frau aus deren Bleibe werfen muss, kriegt sie prompt ein schlechtes Gewissen, erst recht, als sich rausstellt, dass der neue Besitzer der Wohnung ein junger Schnösel ist. Also sorgt die Mainzer Gerichtsvollzieherin dafür, dass Margot Kühlborn (Monika Lennartz), die seit fünfzig Jahren in ihrem Viertel verwurzelt ist, so lange bleiben darf, bis sich eine angemessene andere Unterkunft findet.

Der Titelzusatz "Margot muss bleiben" lässt zwar keinen Zweifel daran, welche Geschichte Drehbuchautorin Kirsten Peters erzählen will, aber weil der Film sehr episodisch beginnt, dauert es eine Weile, bis sich dieser Teil der Handlung als zentraler Strang herauskristallisiert. Die Story des Films ist ohnehin nicht das Schicksal der bedauernswerten alten Dame, sondern die Titelfigur. Ihr Entwurf ähnelt den Biografien vieler der anderen Helferinnen: Billy Kuckuck ist selbstredend alleinstehend, damit sich genug Spielraum für etwaige Romanzen ergibt, und natürlich hat sie ein halbwüchsiges Kind - in ihrem Fall eine Tochter -, weil diese Konstellation viel Konfliktpotenzial birgt. Tatsächlich erwischt sie das 15jährige Mädchen gleich zu Beginn mit einem deutlich älteren Mann. Die entsprechenden Vorhaltungen kontert Hannah (Vivien Sczesny) kühl mit dem Hinweis auf ihren Erzeuger: Billys Mann Gunnar (Gregor Bloéb) hat die Familie wegen einer 19 Jahre jüngeren Frau verlassen, was ihn nicht davon abhält, sich die Zeit zwischendurch mit seiner Ex-Frau zu vertreiben. Gunnar ist Polizist und begleitet Billy bei ihren Einsätzen, was beide offenbar regelmäßig für gemeinsame Schäferstündchen nutzen; das ist der komische Teil der familiären Ebene. Als sich Billy ein bisschen in den deutlich jüngeren Sanitäter Lukas (Bernd-Christian Althoff) verliebt, reagiert Gunnar prompt mit eindeutigen Eifersuchtssymptomen. Witzig ist auch ein Geburtstagsbesuch Billys beim Ex und seiner jungen Frau (Julia Schäfle), die ihn mit einem eher unangenehmen Cousin verkuppeln will. Billys Versuch, die in rosa und zartlila gehaltene Wohnung fluchtartig durchs Badezimmerfenster zu verlassen, endet mit einem verletzten Bein, weshalb sie den Rest des Films auf Gehstützen angewiesen ist. Die andere Ebene der Geschichte ist weniger lustig. Die Gerichtsvollzieherin muss erkennen, dass man mitunter auch das Falsche macht, wenn man alles richtig machen will: Es stellt sich raus, dass der junge Schnösel (Artjom Gilz), den sie bislang nur im Auto gesehen hat, Rollstuhlfahrer ist und seit geraumer Zeit eine behindertengerechte Wohnung sucht.

"Billy Kuckuck" klingt nach Reihe; der SWR und die koproduzierende ARD-Tochter Degeto warten aber erst mal ab, wie der erste Film ankommt. Das Personal ist allerdings eindeutig auf Fortsetzung angelegt, und das nicht nur wegen der familiären Ebene. Zum Ensemble gehört auch Burak Yigit als Billys Assistent im gemeinsamen Büro. Emre hat zwar nicht viel mehr zu tun, als mit kummervollem Gesicht im Hintergrund zu stehen, aber Yigit, zumeist als türkischstämmiger Dealer oder Junkie besetzt, war garantiert froh, endlich mal eine ganz normale Rolle spielen zu dürfen. Deutlich amüsanter ist die Figur, die Michael Keseroglu spielen darf: Emres Cousin Ibo handelt mit allem, das nicht niet- und nagelfest ist, was ihn bei den regelmäßigen Zwangsversteigerungen zu einem ebenso gern gesehenen wie clever feilschenden Partner macht. Etwas lästig ist allein Ursela Monn als Nervensäge des Films: Billys Mutter nennt ihre Tochter hartnäckig "Pupsilein", mischt sich ständig in alles ein und freut sich schon auf den Tag, an dem sie aufs Altenteil wechseln und bei Billy einziehen wird. Regie führte Jan R?ži?ka. Dessen Freitagsfilme ("Annas Geheimnis", "Den Tagen mehr Leben") haben fast immer einen nachdenklichen Kern, wirken aber stets mit leichter Hand inszeniert. Für "Billy Kuckuck" gilt das nicht minder, und seine Schauspieler animiert der Regisseur ohnehin stets zu guten Leistungen.