Herr Hütz-Adams, wenn wir Schokolade im Supermarkt kaufen, stammt der Kakao wahrscheinlich von der Elfenbeinküste, wo 40 Prozent der weltweit gehandelten Bohnen herkommen. Wie ist die Lage der Kakaobauern in dem westafrikanischen Land?
Friedel Hütz-Adams: Die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern sind relativ niedrig. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie verdienen sie im Durchschnitt lediglich 37 Prozent von dem, was existenzsichernd wäre. Weiter verschlechtert hat sich ihre Situation seit Ende 2016, als eine sehr gute Ernte für einen Preissturz sorgte. Ein Grund dafür: In der Elfenbeinküste gibt es zu viele neu angelegte Plantagen auf eigentlich geschützten Flächen.
Wie kam es dazu?
Hütz-Adams: Um das Jahr 2011, während eines bewaffneten Konflikts, haben sich Hunderttausende Familien in unter Schutz stehenden Wäldern angesiedelt, die Bäume gerodet und Plantagen angelegt. Heute kommen Schätzungen zufolge mindestens 30 Prozent der Kakaobohnen des Landes von diesen Flächen. Im Erntejahr 2016/17 hat das auf dem Weltmarkt zu einem Überangebot 300.000 Tonnen geführt. Das waren zwar weniger als zehn Prozent der Welternte, doch die Preise stürzten trotzdem um mehr als 30 Prozent ab.
Und in Ghana, der Nummer zwei beim Kakao?
Hütz-Adams: Als die Preise fielen, hat die staatliche Kakaobehörde den Preis stabil gehalten und damit indirekt die Bäuerinnen und Bauern subventioniert. Alle Beobachter fragen sich, wie Ghana das weiterhin schaffen will, ohne dass die Kakaobehörde pleitegeht und der Staat die Schulden übernehmen muss. Die Einnahmen der Bäuerinnen und Bauern sind allerdings nur auf dem Papier stabil, denn es gibt eine zweistellige Inflationsrate im Land.
Wie ist die Situation heute?
Hütz-Adams: Die laufende Ernte fällt niedriger aus als erwartet, vermutlich unter anderem, weil auf den Plantagen das Bargeld fehlt, um spezialisierte Arbeitskräfte anzuheuern und Dünger und Pestizide zu kaufen. Seit Februar steigen die Kakaopreise wieder, sind aber noch deutlich unter dem Niveau der Jahre vor dem Preisverfall.
Was können die Länder tun, um ihren Bauern zu helfen?
Hütz-Adams: Zum Preissturz kam es 2016 so: Alle wussten, dass mehrere Hunderttausend Tonnen zuviel auf den Markt kommen würden und dass der Lagerraum nicht reicht. Die Bäuerinnen und Bauern müssen verkaufen, da Kakao ihre Haupteinnahmequelle ist. Die Regierungen von Elfenbeinküste und Ghana haben nun vereinbart, größere Lager zu bauen, in denen sie den Kakao kühl und trocken lagern können, um bei einem Überangebot einen Teil des Kakaos zwischenlagern zu können und Preise zu stabilisieren.
Gibt es noch andere Ideen?
Hütz-Adams: Im Moment gibt es die Überlegung westafrikanischer Staaten, aus denen 70 Prozent der Welternte kommt, sich zusammenzuschließen, eine Art Opec der Kakao-Anbauländer zu bilden. Dann hätten die Anbauländer mehr Gewicht gegenüber den internationalen Großkonzernen, die die Kakaobohnen weiterverarbeiten. Allerdings müssen sich die Länder dafür auch einig sein.
Nützt es den Bauern, wenn ich Kakao oder Schokolade mit einem Zertifikat für fairen Handel kaufe?
Hütz-Adams: Allmählich merkt man, dass selbst diejenigen, die zertifizierten Kakao herstellen, häufig arm bleiben. Aktuelle Studien zeigen, dass die Auswirkungen der Zertifizierung für das Einkommen der Bäuerinnen und Bauern weit niedriger sind, als man gehofft hat. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie von Fairtrade verfügen nur sieben Prozent der Anbauer zertifizierter Bohnen über existenzsichernde Einkommen.
Ein Trend in Deutschland ist besonders edle Schokolade, von der eine Tafel auch schon acht Euro kosten kann. Welche Kakaobohnen sind die Grundlage dafür?
Hütz-Adams: Edelkakao wird meist in Lateinamerika produziert, die Hälfte in Ecuador, der Rest kommt aus Ländern wie Peru, Venezuela oder Nicaragua. Es ist eine ganz andere Situation als in Afrika, denn die Bauern besitzen größerer Flächen und bauen auch andere Sachen an, sind also weniger abhängig vom Kakao. Zudem wird Kakao guter Qualität deutlich besser bezahlt als die Standardware. Außerdem gibt es in den Ländern selbst eine Jahrtausende alte Kakaokultur - rund die Hälfte der Ernte geht an lokale Verarbeiter, die Produkte für den heimischen Markt herstellen. Das macht weniger abhängig von den Schwankungen am Weltmarkt.