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TV-Tipp: "Tatort: Ich töte niemand"
15.4., ARD, 20.15: "Tatort: Ich töte niemand"
Was für eine düstere Geschichte: Irgendwo in der fränkischen Provinz sind zwei Libyer, ein Bruder und seine Schwester, in offenbar rasender Wut erschlagen worden, immer und immer wieder, völlig grundlos; sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort.

Das Drehbuch zu "Ich töte niemand", dem vierten Franken-"Tatort", stammt von Regisseur Max Färberböck, der vor 24 Jahren für den ersten "Bella Block"-Film den Grimme-Preis bekommen hat, und Koautorin Catharina Schuchmann. Die beiden haben auch das Buch zum 2015 ausgestrahlten Auftakt geschrieben ("Der Himmel ist ein Platz auf Erden"), sie sind somit gewissermaßen die Schöpfer des Nürnberger Ermittlerquintetts, das durch die erfahrene Hauptkommissarin Ringelhahn (Dagmar Manzel) und ihren jüngeren (aber vorgesetzten) Kollegen Voss (Fabian Hinrichs) repräsentiert wird. Schon die bisherigen Fälle aus Franken boten wenig Anlass zu Heiterkeit, aber "Ich töte niemand" ist ausgesprochen finster, und das nicht nur wegen der Tat, die selbst die Polizisten zutiefst schockiert, sondern auch buchstäblich: Kameramann Felix Cramer, der auch schon beim Premierenfall dabei war, hat viele Szenen mit einem tiefdunklen Grünstich versehen und in ein Zwielicht getaucht, das mitunter kaum etwas erkennen lässt. Wie bei einer Irisblende gibt es immer wieder einen kleinen Lichtfleck, auf den sich prompt die Aufmerksamkeit konzentriert. Hier ereignet sich das Wesentliche, alles andere ist bloß Beiwerk; das gilt vor allem fürs Finale, als der Ziehsohn des ermordeten Libyers dafür sorgt, dass sich der Kreislauf des Todes wieder schließt. Dieser junge Mann taucht bis dahin nur am Rande auf, ist aber die Schlüsselfigur der Geschichte: weil seine Aussage zur Verurteilung dreier jugendlicher Schläger geführt hat.


Färberböck und Schuchmann hätten die Handlung auch als ganz normalen Sonntagskrimi strukturieren können: ein Doppelmord, Polizeiarbeit, Befragungen, Indizien, Verhaftung des Täters. Während viele Autoren die Ereignisse unnötig komplizieren, um zu kaschieren, dass ihre Geschichten eigentlich ganz einfach sind, liegt der Reiz von "Ich töte niemand" gerade in der komplexen Erzählweise; außerdem haben die Ermittler zunächst schlicht nichts in der Hand. Nach allerlei Recherchen fällt der Verdacht ausgerechnet auf einen frisch verstorbenen früheren Kollegen von Ringelhahn, mit dem sie offenbar mehr als nur eine gute Freundschaft verbunden hat (eine Gastrolle für André Hennicke). Im Nachlass des Mannes finden sich Hinweise auf eine rechtsradikale Gesinnung, und die Witwe (Ursula Strauss) sagt, sie habe ihn am Ende gar nicht mehr gekannt. Bei dem Gespräch gelingt Cramer das Kunststück, im Wohnzimmer der Frau die Illusion eines riesigen räumlichen Abstands zwischen ihr und dem Ermittlerduo entstehen zu lassen. Parallel zur Polizei sucht auch der junge Libyer nach dem Täter, und er ist auf einer ganz anderen Spur.


Die Franken-Krimis heben sich deutlich von den sonstigen "Tatort"-Beiträgen ab, was nicht nur, aber auch an den beiden Hauptdarstellern liegt. Gerade Hinrichs verkörpert seinen Kommissar mit der ihm eigenen Besonderheit, was zur Folge hat, dass viele Dialoge, die bei anderen Ermittlern seltsam klingen würden, aus Sicht der Figur sehr authentisch klingen: weil Voss mit Ringelhahn zum Beispiel nicht immer nur über den Fall reden will, sonder auch über die Auswirkungen des Daseins als Polizist ("Unser Leben ist ein schwarzer Raum"). Auch seine Vernehmungsweise ist oft eher ungewöhnlich, zumal er als "Zugereister" nur schwer einen Zugang zu den Einheimischen findet; erst recht, wenn die das Maul nicht aufmachen wollen, was diesmal bei der Befragung eines reichlich vierschrötigen Mitglied eines Sportvereins zu einer ziemlich schrägen Szene führt. Bei der Gestaltung der entsprechenden Aufnahmen gibt es zwar genug Licht, aber dafür verdeckt das ausladende Gesäß des Mannes die Sicht auf den vor ihm hin und her laufenden Beamten. Irgendwann verliert Voss zwar die Geduld und rastet ein bisschen aus, aber die Mühe lohnt sich, denn die Erkenntnis, dass der Verein eine sinistre Brutstätte ist, bringt die Ermittler wieder einen Schritt weiter.


Die Sorgfalt, mit der Färberböck seinen Film gestaltet hat, zeigt sich nicht zuletzt in der Auswahl des Leitmotivs: Immer wieder erklingt "So Far" des Isländers Musikers Ólafur Arnalds, ein melancholisches Lied, das ausgezeichnet zur Stimmung passt. In vielen Szenen wird die Musik auf ganz wenige, kaum vernehmbare Akkorde reduziert. Aber es gibt auch unvermittelt komische Momente, etwa die Aufregung einer Friseurin, die ganz aus dem Häuschen ist, als sie Besuch von der Kriminalpolizei bekommt; dabei weiß sie noch gar nicht, dass eine Perücke, die sie verkauft hat, der Schlüssel zur Lösung des Falls ist. Was wirklich bleibt, ist jedoch die ganz am Ende beiläufig geäußerte Botschaft: "Dummheit, die sich aufgehoben fühlt, ist unbesiegbar."