Gruppenfoto
Foto: Daniel Lenski
Gruppenfoto der Teilnehmer des "Protestantischen Forums für Junge Theologie" in Kreisau.
Junge Theologen diskutieren über Europäische Synode
18 junge Theologinnen und Theologen aus Europa wollen ihre Kirchen der Reformation wieder sichtbar machen. Gemeinsam diskutierten sie, wie das gelingen kann.

Alex Clare-Young steht auf dem Balkon des Evangelischen Zentrums in Breslau und kratzt sich an seinem Stoppelbart. Unten fährt die hellblaue Straßenbahn durch die Hauptstraße der traditionsreichen schlesischen Stadt. "Wir sind so unterschiedlich und bilden doch eine Gemeinschaft. Wir reden und beten, wir lachen und klagen gemeinsam und sind alle gleichermaßen auf der Suche, gemeinsam im Verständnis füreinander zu wachsen", fasst der 26-jährige Schotte seine Eindrücke der letzten Tage zusammen.

Clare-Young ist einer von 17 jungen Teilnehmern, die aus ganz Europa in Breslau zusammengekommen sind, um für fünf Tage über die Zukunft des Protestantismus in Europa zu sprechen. Einige von ihnen sind bereits Pfarrer, andere arbeiten an ihrer Doktorarbeit, die meisten studieren allerdings noch, so wie auch Clare-Young in Cambridge: "In meinem College sind wir nur wenige Theologiestudenten meiner eigenen Kirche. Deshalb tut es gut zu sehen, wie viele unterschiedliche Menschen in ganz Europa bereit sind, Verantwortung für ihre Kirchen zu übernehmen."

Die Teilnehmer des "Protestantischen Forums für Junge Theologie", das vom Evangelischen Bund Hessen und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) organisiert wurde, stellten auch ihre Kirchen vor. Dabei wurden die ganz unterschiedlichen Herausforderungen deutlich, vor denen die Kirchen in Europa stehen. Während etwa Clare-Young von der kirchlichen Situation in Großbritannien nach dem Brexit berichtet, weist Kevin Kirs (24) aus Estland auf die Situation der Frauen in dem baltischen Land hin. "Bei uns im Norden des Landes ist die Situation eigentlich besser, doch auch da hat sich vor kurzem eine Gemeinde geweigert, eine Frau als Pfarrerin zu akzeptieren. Im Vergleich zu früher gibt es im ganzen Land mehr kritische Anfragen," stellt der Masterstudent aus Tartu fest. Die Abschaffung der Frauenordination in Lettland 2016 sei natürlich auch in Estland aufmerksam wahrgenommen worden.

In den Präsentationen und Arbeitsgruppen wurde deutlich, dass es trotz aller Unterschiedlichkeit der nationalen Situation viele Themen gibt, welche die verschiedenen Kirchen miteinander verbinden: Dazu gehört etwa die fortschreitende Säkularisierung, die verbunden mit demographischen Veränderungsprozessen alle protestantischen Kirchen herausfordert. Der Praktische Theologe Henk de Roest von der Universität Groningen stellte hierzu die Pioneerbewegung in den Niederlanden vor, die von den neuen Gemeindeformen "Fresh Expressions" aus Großbritannien beeinflusst wurde.

Stadtansicht  der Altstatd von Wroclaw in Polen.

Auch die angespannte politische Situation in vielen europäischen Ländern war ein wichtiges Vergleichsthema. So wiesen die ungarischen Teilnehmer darauf hin, dass die dortige Reformierte Kirche kurz vor den Wahlen auch deshalb so zurückhaltend in ihrer Kritik gegenüber der Einwanderungspolitik der Regierung von Victor Orbán war, weil man selbst von der staatlichen Förderung profitiert.

Immer wieder forderten die jungen Teilnehmer des Forums, dass die evangelischen Kirchen in Europa stärker zusammenarbeiten und in der Öffentlichkeit besser sichtbar sein sollten. "Das muss auch institutionelle Konsequenzen für die Kirche haben, zum Beispiel in Form einer Europäischen Synode," fordert der Münchener Doktorand Lukas David Meyer. Clare-Young aus Großbritannien ist hier eher skeptisch: "Statt mehr Gremien bräuchten wir mehr soziales Engagement für diejenigen, die am Rand stehen."

Die kontroverse Diskussion über eine Europäische Synode bezeichnet Volkmar Ortmann als Beispiel für den Erfolg des Forums. Der habilitierte Kirchenhistoriker, der das Forum für den Evangelischen Bund mitorganisiert hat, bekräftigt: "Wir wollten eine Art jungen Think Tank abseits von akademischen Konferenzen und kirchenpolitischer Korrektheit schaffen, das ist gelungen." Er könne sich eine Fortsetzung in zwei Jahren vorstellen, begleitet vom Aufbau eines europaweiten Netzwerks. "So ein Netzwerk könnte der erste Schritt zum Aufbau eines Evangelischen Bundes auf europäischer Ebene sein. Das Forum hat gezeigt, dass wir auch in unseren Kirchen weit über den nationalen Tellerrand hinausdenken müssen."