"Endlich mein" ist Fall Nummer 24 für Guido Brunetti (bei den ersten beiden waren Rothemund und Rogulj noch nicht dabei) und besonders reizvoll, weil die Schöpferin der Romane ihren Commissario (Uwe Kockisch) diesmal im Opernmilieu ermitteln lässt: Als in unmittelbarer Nähe des berühmten Teatro La Fenice ein Boot explodiert, sieht Brunettis Chef Patta (Michael Degen) sofort einen Zusammenhang zu einem aktuellen Streik der Theaterangestellten, der vom lautstarken Santello (Edin Hasanovic) angeführt wird. Dem Gewerkschafter scheint jedes Mittel recht, um die Öffentlichkeit auf die schlechte Bezahlung der Bühnenmitarbeiter aufmerksam zu machen. Er scheint sogar bereit, die nicht nur von den Venezianern mit Spannung erwartete Premiere von "Tosca" zu gefährden. Die Puccini-Oper soll das gefeierte Comeback der großen Flavia Petrelli (Leslie Malton) werden; die Diva hat sich vor fünf Jahren von der Bühne zurückgezogen, weil ihr der Star-Rummel zu viel geworden ist. Als kurz nach der Bootsexplosion Petrellis Garderobiere (Cornelia Gröschel in einer Minirolle) eine Treppe runtergestoßen wird und sich das Genick bricht, gerät der impulsive Santello erneut ins Visier der Ermittler: Die junge Frau war seine Schwester, sie hatte Brunetti und seinem Assistenten Vianello (Karl Fischer) bereits verraten, dass ihr Bruder aus Protest zuvor schon das Bühnenbild beschädigt hat. Für Patta, der eins der begehrten Premierentickets ergattert hat, ist der Fall damit gelöst, nicht jedoch für Brunetti. Der Commissario ahnt, dass ein auf dem Boot entdecktes "Tosca"-Zitat – "Erstickst du nun im Blute? Stirb in Verdammnis, stirb" – in eine völlig andere Richtung deutet: Die Explosion war ein Anschlag, der dem gefeierten jungen Tenor Riccardo Bragadin (Vladimir Korneev) galt. Brunetti Commissario fürchtet, dass die Diva einen Verehrer hat, der über Leichen geht; auch ihr Manager (Jürgen Tarrach) wird Opfer eines Angriffs.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Es wird zwar viel gesungen, aber mehr noch als die Opernliebhaber kommen dank der vielen Außenaufnahmen und einiger Panoramaschwenks die Venedigfreunde auf ihre Kosten. Für die Innenaufnahmen haben Rothemunds Scouts ebenfalls sehenswerte Motive gefunden. Die Opernszenen sind zwar nicht im echten Teatro La Fenice entstanden, aber trotzdem prachtvoll anzuschauen. Alles andere wäre auch ein Affront gewesen, immerhin galt das vor 225 Jahren errichtete Gebäude dank der Uraufführungen diverser Verdi-Werke Mitte des 19. Jahrhunderts als bedeutendstes Opernhaus Italiens. Im Teatro spielt auch das spannende Finale des Films: Während Petrelli auf der Bühne singt, suchen die Polizisten Haus fieberhaft nach jenem offenbar psychisch gestörten Super-Fan, der von Anfang an als düsterer Engel durch die Handlung schleicht und auf grausame Weise dafür sorgen will, dass die Premiere unvergesslich wird. Mit der ganzen Erfahrung von weit über hundert Filmen erweckt Rothemund den Eindruck, die Aufnahmen des spannenden letzten Akts seien tatsächlich vor vollem Haus mit tausend Besuchern entstanden. Das Drehbuch zum 24. Film stammt von Stefan Holtz und Florian Iwersen, die schon einige Leon-Romane adaptiert haben; von ihnen stammt zuletzt unter anderem auch die Vorlage für den vorzüglichen "Unter Verdacht"-Zweiteiler "Verlorene Sicherheit".
Im Rahmen der "Donna Leon"-Reihe erfüllt "Endlich mein" also alle Erwartungen, aber es wirkt auch Manches routiniert, wenn nicht gediegen; vielleicht wäre es an der Zeit, den Brunetti-Krimis frische Impulse zu geben. Die Szenen, in denen Brunetti, die linke Hand in der Hosentasche, selbst dann noch durch Venedig schreitet, wenn er es eigentlich eilig hat, sind schon seit vielen Jahren fester Bestandteil der Filme. Großen Seltenheitswert haben Momente wie jener, als die Diva ausgerechnet den stets korrekten Commissario als "indiskret und taktlos" bezeichnet und der sparsame Kockisch kurz die Augen verdreht. Da ist seine Spielpartnerin aus ganz anderem Holz geschnitzt: Leslie Malton neigt gern zu einer gewissen Grandezza, die nicht immer zu ihren Figuren passt, doch für diese Rolle ist sie genau die Richtige. Eine interessante Besetzung ist auch Vladimir Korneev für den kleinen, aber nicht unwichtigen Part von Petrellis Bühnenpartner. Immer wieder schön sind die kleinen Flirts des Commissarios mit Pattas ungemein fähiger Vorzimmerdame Elettra (Annett Renneberg), die sich diesmal mit den streikenden Theatermitarbeitern solidarisiert. Sie wird daher vom hoffnungslos unfähigen Alvise (Dietmar Mössmer) vertreten, der sich schon allein durch das aufdringliche Quietschen seiner Gummischuhsohlen disqualifiziert.