Kurz nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister hat Horst Seehofer (CSU) die Debatte über die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland neu entfacht. Der "Bild"-Zeitung (Freitag) sagte er: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt." Gleichzeitig sagte er, "selbstverständlich" gehörten die hier lebenden Muslime zu Deutschland. Auch den Dialog innerhalb der Deutschen Islamkonferenz will er fortsetzen. Seine erste Äußerung polarisiert: Vertreter der Opposition und muslimischer Verbände kritisieren den neuen Minister. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich gegen seine Aussage.
Seehofer nahm in dem Interview Bezug auf einen Satz des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Dieser hatte im Jahr 2010 mit der Aussage "Der Islam gehört zu Deutschland" eine Diskussion ausgelöst.
Merkels Sprecher Steffen Seibert erklärte, das Land sei historisch christlich und jüdisch geprägt, inzwischen lebten aber auch Millionen Muslime in Deutschland. "Auf der Basis unserer Werte- und Rechtsordnung gehört auch deren Religion, gehört auch der Islam inzwischen zu Deutschland", sagte Seibert. Unterstützung bekam Seehofer aus den Unionsparteien. Neben dem früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stimmte der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg in der "Bild" Seehofer zu. Der Islam habe keine Wurzeln in Deutschland, sagte er.
Dagegen kritisierte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt:
"Eine Gesellschaft, die von oben in Gruppen unterteilt wird, schafft Desintegration." Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) erklärte bei Twitter, viele Muslime hätten in Deutschland eine Heimat gefunden "und mit ihnen gehört ihr Glaube, der Islam, auch zu Deutschland". Der religionspolitische Sprecher der FDP, Stefan Ruppert, beklagte eine "Pseudodebatte, die einzig darauf abzielt, zu spalten".
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, reagierte mit Unverständnis auf Seehofers Äußerung: Diese Woche mit den zahlreichen Angriffen auf muslimische Einrichtungen und der Schließung der Kölner Geschäftsstelle des Zentralrates wegen einer anonymen Morddrohung gegen ihn selbst sei für ihn äußerst nervenaufreibend gewesen, sagte er. "Und dann noch einen solchen Satz zu hören", bedrücke ihn sehr. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, unterstrich:
"Diese wenig hilfreiche Debatte über den Islam in Deutschland wieder zu eröffnen, ausgerechnet in einer Zeit, in der Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte brennen, zeigt, dass Herr Seehofer in der Rolle des Innenministers noch nicht angekommen ist."
Der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi hält die Aussage Seehofers für "Unsinn". Der Islam sei ein integraler Teil Deutschlands, "besonders wenn man an die hier geborenen und sozialisierten Kinder von einst zugewanderten Menschen denkt", sagte Ourghi "sueddeutsche.de". Nach Auffassung des Bielefelder Extremismusforschers Andreas Zick erzeugen solche Sätze "unnötige innergesellschaftliche Konflikte und Vorurteile".
Innenministeriumssprecher Johannes Dimroth betonte am Freitag in Berlin, Seehofer sei der Dialog mit den Muslimen wichtig. Im "Bild"-Interview kündigte der Minister an, erneut die Islamkonferenz einzuberufen: "Wir müssen uns mit den muslimischen Verbänden an einen Tisch setzen und den Dialog suchen und da wo nötig noch ausbauen." Die Islamkonferenz wurde 2006 als Gesprächsforum zwischen Staat und in Deutschland lebenden Muslimen ins Leben gerufen.
Die politische Unterscheidung, ob der Islam oder die Muslime zu Deutschland gehören, erscheint Experten indes als wenig sinnvoll. Aus rechtlicher Sicht könne man das nicht unterscheiden, sagte der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig dem epd. "Es gibt aus Sicht des Grundgesetzes keine Religion ohne das Individuum. Man kann nicht sagen, die Muslime gehören zu Deutschland, der Islam aber nicht", sagte er.