Der Wiener Richard Brock ist psychisch versehrt, sein Hamburger Kollege Joe Jessen (Ulrich Noethen) leidet unter der Parkinson’schen Krankheit; und nun ist auch noch seine Ehe gescheitert. In den Romanen der im Goldmann-Verlag erschienenen Joseph-O’Loughlin/Vincent-Ruiz-Reihe von Michael Robotham, die "Neben der Spur" zugrunde liegen, ist die Figur des Kriminalkommissars ähnlich wichtig wie die des Psychiaters; die ZDF-Adaptionen rücken ihn eher in die Rolle eines Ermittlers, der nicht weiter weiß und Jessen um Hilfe bittet.
So beginnt auch "Sag, es tut dir leid": Ein Ehepaar ist ermordet worden. Täter war anscheinend ein offenkundig psychisch gestörter früherer Angestellter, Andreas Schaller (Sabin Tambrea), der jedoch seine Unschuld beteuert. Während sich Jessen mit ihm unterhält, redet der Verdächtige ständig mit seinem bei der Geburt verstorbenen Zwillingsbruder. Der Psychiater ist überzeugt, dass den Mann keine Schuld trifft; der Täter ist bei dem Doppelmord viel zu strukturiert vorgegangen. Ruiz dagegen will Schaller sogar noch ein weiteres Verbrechen anhängen: Vor zwei Jahren sind die beiden Teenager Tanja und Pia spurlos verschwunden. Damals hieß es, sie seien durchgebrannt, aber nun ist Tanja tot aus der Elbe gefischt worden. Diesen Fall findet Jessen, dessen Tochter im gleichen Alter ist, viel spannender, zumal er ahnt, dass der Doppelmord und der Tod des Mädchens miteinander zu tun haben. Schaller hat ihm erzählt, er sei in der Nähe des Hauses der beiden Mordopfer einem Engel begegnet. Allerdings will er auch einen Schneemann gesehen haben; im August. Jessen ist dennoch überzeugt, dass Schaller weder der Mörder des Ehepaars noch der Entführer ist, beide aber ein und dieselbe Person sind. Nun gilt es, Pia (Caroline Hartig) zu retten, die der Film zwischendurch immer wieder in ihrem Verlies besucht, neben ihr zwei Haufen: einer mit leeren Plastikwasserflaschen, der andere mit Verpackungen von Fertiggerichten. Der Film arbeitet immer wieder mit solchen beredten Details. Dazu zählen auch Jessens Analysen im Stil von Sherlock Holmes, die nicht nur dem Tatort gelten, sondern auch seinen Mitmenschen; Ruiz ist davon ebenso betroffen wie Schallers attraktive Psychologin (Ulrike C. Tscharre, die Gefallen an dem Kollegen findet.
Regie bei dieser fünften Episode führte erstmals Thomas Roth, der fürs ZDF mehrere sehenswerte Episoden der Reihe "Der Kommissar und das Meer" inszeniert und für die ARD herausragende Beiträge zu "Kommissar Dupin" gedreht hat. Bildsprachlich bleibt "Sag, es tut dir leid" dem bisherigen ästhetischen Konzept von "Neben der Spur" treu; wie seine Vorgänger, so hat auch Kameramann Moritz Schultheiß gerade bei den Nachtaufnahmen Hamburg in ein faszinierendes Licht getaucht. Die Sorgfalt der optischen Kompositionen zeigt sich auch in einem Badezimmerdialog zwischen Jessen und Ruiz, dessen Gesicht dabei im Schminkspiegel zu sehen ist. Aber Roth rückt das nicht in den Vordergrund, es ist ein Detail, dessen Entdeckung er dem Zuschauer überlässt, was im Übrigen auch für viele andere vermeintliche Kleinigkeiten gilt, deren Bedeutung sich meist erst später erschließt.
Die Adaption des gleichnamigen Romans haben Jürgen Werner und Mathias Klaschka besorgt; von Klaschka stammen auch die letzten beiden Drehbücher, Werner ist zum ersten Mal dabei. Die Qualität knüpft jedoch ebenso nahtlos an die bisherigen Filme an wie die Umsetzung. Dafür stehen nicht zuletzt die Schauspieler: Ulrich Noethen und Juergen Maurer sind als Team schon deshalb großartig, weil beide sehr sparsam und akzentuiert in der Wahl ihrer darstellerischen Mittel sind. Sie müssen keinen großen Aufwand betreiben, um zu vermitteln, was in ihren Figuren vorgeht; darin liegt die große Kunst ihres Spiels. Maurer beeindruckt zudem durch seine reduzierte Lautstärke: Je stärker es in Ruiz arbeitet, desto mehr senkt sich seine Stimme, bis er zuweilen fast zu flüstern scheint was Ruiz gleichzeitig sehr melancholisch wirken lässt.
Den eigentlichen Reiz der Reihe aber machen die Geschichten und die Involviertheit der Hauptfigur aus. Natürlich hat Jessen keinerlei Ermittlungsbefugnisse; außerdem sind seine Alleingänge nicht ungefährlich. Deshalb gibt Ruiz’ Feststellung irgendwann zu Beginn, der Psychiater sei gar nicht in der Lage, auf einen Menschen zu schießen, eine Vorahnung vom Finale. Das gilt auch für die Identität des Täters: Der Schneemann ist der Mörder. Allerdings locken Werner und Klaschka die Zuschauer zwischendurch äußerst raffiniert auf eine ganz andere Spur, und auch das macht "Sag, es tut dir leid" zum perfekten Krimi.