Für die weniger karnevalistisch Bewanderten: Was ist eigentlich ein Dreigestirn?
Martin Jordan: Das Dreigestirn stammt aus der Kölner Karnevalstradition. Der Karnevalsverein wird dann zu dritt vertreten und das Prinzenpaar sozusagen aufgestockt. Im Grunde genommen repräsentiert das Dreigestirn die Aufteilung der närrischen Regierung in drei Herrschaftsbereiche. Da gibt es den Prinzen als Regenten, den Bauern als Verteidiger und als Symbol für Wehrhaftigkeit und Grundversorgung, und die Jungfrau als Symbol für die Uneinnehmbarkeit der Stadt. Natürlich ist das ein bisschen humoristisch gemeint, das ist ja klar.
Und wieso sind Sie als Dreigestirn ökumenisch unterwegs?
Jordan: Bei der Rathausstürmung vor zwei Jahren hat Markus Bruns - eher im Scherz - gesagt: Das können wir doch auch! Das hat auch jemand vom Heinsberger Karnevalsverein (HKV) aufgeschnappt. Und so nahm alles seinen Lauf… Anfang letzten Jahres wurden wir dann gefragt, ob wir tatsächlich ein ökumenisches Dreigestirn stellen wollen. Und wir, also meine katholischen Kollegen Markus Bruns, Rene Mertens und ich, haben uns nicht lange bitten lassen.
Das war ja dann mitten im Reformationsjubiläum.
Jordan: Unsere ökumenische Verbindung in Heinsberg ist sehr intensiv und hat auch Ausdruck im Lutherjahr gefunden, das gemeinsam begangen wurde. Auch wenn das Lutherjahr am 31. Oktober offiziell zu Ende gegangen ist, ist das Gemeinsame nicht beendet - ganz im Gegenteil: Wir machen weiter!
"Auch ein Pfarrer kann über sich selbst lachen."
Sind Sie das erste ökumenische Dreigestirn Deutschlands?
Jordan: Ja. Auch weltweit, sage ich immer. Und mein Kollege sagt, seines Wissens nach sogar seit Erschaffung der Welt. Wir haben beim Bund Deutscher Karneval nachgefragt. Natürlich gibt es andere Geistliche, die Prinzen gestellt haben - Rene Mertens hat selbst schon einmal den Stadtprinzen gemacht. Ein komplettes Dreigestirn gab es aber nicht, vor allem nicht auch noch ökumenisch.
Wie passen denn ihre Aktivitäten als Dreigestirn mit Ihrem Glauben und Ihrem Amt als Pfarrer zusammen?
Jordan (lacht): Mit unserem Glauben gibt es da absolut keinen Widerspruch. Wir alle drei finden, dass der Karneval sehr gut das Evangelium wiederspiegelt: Dass nämlich die Menschen vor Gott und dem Karneval alle gleich sind. Karneval ist ja wirklich etwas, was die Welt auf den Kopf stellt. Aber das Evangelium tut das auch. Ich habe innerhalb dieser Wochen, in denen wir gemeinsam unterwegs waren, eine Gemeinschaft erlebt, die so füreinander da ist, dass man sagen kann: Christlicher kann es gar nicht sein. Und natürlich wurden gerade in dieser Zeit unheimlich viele Gespräche über Gott und die Welt geführt.
Es gab auch Kritik an Ihrer karnevalistischen Tätigkeit. Worum ging es dabei?
Jordan: Es geht vor allem um die Frage nach der Würdigkeit des Amtes. Bevor es überhaupt angefangen hat, gab es auch die Vermutung, dass unser Dienst darunter leiden könnte. Aber das war nicht der Fall. Meiner Meinung nach kam solche Kritik von Menschen, die nicht über sich selber lachen können. Dass Kirche und Karneval nicht zusammengehören, ist einfach eine Fehleinschätzung. Auch ein Pfarrer kann über sich selbst lachen oder sich zum Affen machen. Schließlich haben auch wir mal so etwas wie Freizeit. Es ist ja nicht so, dass ich mir eine rote Nase aufsetze, um auf eine Beerdigung zu gehen.
Wie gehen Sie mit dieser Kritik rum?
Jordan: Hauptsächlich ist die Kritik im katholischen Lager geäußert worden, das ist natürlich an mir abgeprallt. Es gibt immer Menschen, die irgendetwas nicht gut finden. Außerdem haben wir viel Zuspruch von Menschen bekommen, die es durchweg positiv empfunden haben. Und so lange wir auch darüber lachen können, ist das Ganze schon ein bisschen weniger bedrohlich.
"Mehr und anders wahrnehmen"
Was war Ihr persönliches Highlight als Dreigestirn?
Jordan: Eines war gewiss die "Messe der Freude" in St. Gangolf. Das war wirklich etwas Besonderes: Die Prinzengarde hat uns begleitet und fantastisch in der Kirche getanzt. Die artistischen Würfe sahen einfach beeindruckend aus, vor allem weil in der Kirche viel Platz nach oben war und die Tänzerinnen richtig hoch geflogen sind. Willibert Pauels hat närrisch gepredigt. Und wir haben gemeinsam gesungen, auch unser Lied "Wir stehen zusammen in Spaß und Freud". Das war für mich sehr bewegend. St. Gangolf war sogar so brechend voll, wie es der Küster bisher nicht mal an Weihnachten erlebt hat.
Und am Fastnachtssonntag gab es auch einen Gottesdienst?
Jordan: Mein Kollege Sebastian Walde hat den Gottesdienst für uns gefeiert. Wir als Dreigestirn waren nur Gäste, genauso wie auch bei der "Messe der Freude". Unsere Jugendgarden haben getanzt und es wurden karnevalistische Lieger gesungen. Nach dem Gottesdienst haben dann alle Besucher, auch aus befreundeten Vereinen, unsere Aktion unterstützt: Wir als Dreigestirn wurden zugunsten der Tafel in Konservendosen aufgewogen. Da ist bestimmt eine halbe Tonne zusammengekommen, auch weil unsere Adjutanten sich noch mit auf die Waage geschummelt haben.
Was passiert jetzt nach Karneval? Sind weitere ökumenische Projekte in Planung?
Jordan: Gleich am nächsten Dienstag gehen die "Ökumenischen Exerzitien im Alltag" los. Was bleibt, ist auf jeden Fall die Verbundenheit gegenüber den Menschen, die ich jetzt erst kennengelernt habe. Und vertieft hat sich die Freundschaft zwischen uns Pfarrern. Da sind wir menschlich jetzt ganz anders miteinander unterwegs als zuvor.
Wie blicken Sie auf die nächste Karnevalssaison?
Jordan (lacht): Ich werde auf jeden Fall mehr und anders wahrnehmen. Bei den Gardetänzen werde ich bestimmt wieder aufschlagen, weil ich die richtig schätzen gelernt habe. Wahrscheinlich werde ich sehr entspannt sein. Das war dieses Jahr schon manchmal stressig. Nebenbei habe ich ja auch noch gearbeitet.