In einem abgeschiedenen amerikanischen Wüstenstädtchen geht Lucky einem sehr geregelten Leben nach. Yoga-Übungen und ein Glas Milch am Morgen, Kaffee im Diner, Gameshows am Mittag, abends eine Bloody Mary in der Bar. Sein einziges echtes Laster sind die Zigaretten, eine Packung pro Tag. Doch die haben der Lunge des Neunzigjährigen nicht geschadet - er sei ein vollkommenes medizinisches Rätsel, meint der Doktor. Lucky hat ihn aufgesucht, weil er eines Morgens einfach umgefallen ist. Die Diagnose: Alter. Luckys Körper gibt langsam auf, seine Zeit läuft ab. Er hat keine Familie, um die er sich kümmern müsste, zu vererben gibt es nichts, er gehört keiner Kirche an, kurz: Für die Zeit "danach" hat er keinen Plan. Aber es gibt Menschen, die ihm zuhören, die sich kümmern - und die er plötzlich anders wahrnimmt.
Begründung der Jury zur Wahl des "Film des Monats": Am Anfang verlässt Lucky sein Blockhaus, und man sieht ihn durch die geöffnete Tür, als Silhouette im Licht der Sonne. Das Bild erinnert an eine berühmte Einstellung aus John Fords Western "The Searchers", und die Ikonographie dieses Genres bestimmt den ganzen Film: die staubigen Hügel mit den Kakteen wie die Darstellung der kleinen Stadt mit ihren unkomplizierten nachbarschaftlichen Beziehungen. Das Drama des Films ist ein inneres - Lucky stirbt nicht, sondern muss sich mit dem Gedanken an den Tod vertraut machen. Dieser Prozess vollzieht sich in stimmungsvollen, ruhig gefilmten Vignetten: Gespräche mit Freunden und Zufallsbekanntschaften, in denen sich Lebensgeschichten und -philosophien entfalten. "Lucky" kreist um die Frage, wie der Einzelne existentielle Herausforderungen deutet, bewertet und meistert, und wie er mit der Endlichkeit des Lebens umgeht. Dass diese Reflexion nicht abstrakt, sondern berührend und unmittelbar wirkt, liegt auch an der melancholisch-gelassenen Präsenz von Harry Dean Stanton. Stanton, bekannt aus "Paris, Texas", ist Ende letzten Jahres gestorben. Einen würdigeren Leinwandabschied als "Lucky" kann man sich kaum vorstellen.