Logopäde Matthias Pretschke führt ein biederbraves Leben mit Frau, zwei Kindern und Eigenheim und hat keine Ahnung von der Existenz seines Bruder Tom, der sich offenbar mehr schlecht als recht als Bühnenschauspieler durchschlägt.
Auf den ersten Blick sind die Rollen klar verteilt: Matthias versucht, alles richtig zu machen, Tom ist ein hedonistischer Typ, der die Dinge locker nimmt. Neben den wunderbaren Dialogen zeichnet sich das Drehbuch von Stefan Rogall jedoch vor allem durch den Verzicht auf schlichte Schwarzweißmalerei aus. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass Matthias’ Dasein in einer Sackgasse angelangt ist: Die Ehe mit Gattin Petra (Ulrike C. Tscharre) ist im Grunde am Ende, den Kindern geht er mit seinen ständigen Ernährungsermahnungen bloß noch auf die Nerven, und wenn ihn die Familie mal braucht, hat er garantiert berufliche Termine. Tom, der eines Tages in sein Leben schneit, schlägt ihm daher vor, sich um seine Patienten zu kümmern, damit Matthias Zeit hat, seine Ehe zu retten. Durch einen unglücklichen Zufall vollzieht sich der Rollentausch allerdings auf der privaten Ebene, und prompt treibt Matthias die Sorge um, Tom könnte die eherettenden Maßnahmen vor allem im Bett betreiben. Der Bruder wiederum torpediert vor allem Matthias’ Erziehungsmethoden, lässt die Kinder gelieferte Pizza essen und vergnügt sich mit dem Sohn beim Ballerspiel.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Grimme-Preisträgerin Isabell Kleefeld ("Arnies Welt") dreht nur selten Komödien, aber davon ist bei "Besser als Du" nichts zu spüren. Das Tempo ist angemessen hoch, aber nicht überdreht, die Pointen sitzen. Vor allem aber hat sie zwei großartige Hauptdarsteller, zumal herbst die beiden Rollen nicht nur charakterlich, sondern auch körpersprachlich unterschiedlich darstellt. Natürlich profitiert er auch davon, dass Rogall die Brüder beide Seiten des Rollentauschs vollziehen lässt. Während Tom dafür sorgt, dass Matthias’ Kinder ihren Vater plötzlich für ziemlich cool halten, was die Filmmusik (Florian van Volxem, Sven Rossenbach) durch einen Bottleneck-Blues im Stil von Ry Cooder unterstreicht, findet sich der brave Familienvater unversehens im Theater wieder. Er muss an Toms Stelle einen Vorsprechtermin wahrnehmen und staunt nicht schlecht, als ihm seine Bühnenpartnerin erst mal eine Ohrfeige verpasst: Pola (Sophie von Kessel) hat mit Tom nicht nur die Bretter, die Welt bedeuten, geteilt. Und weil Matthias beim Improvisieren einer Eheszene kurzerhand seine eigenen Erfahrungen vorträgt, ist der Regisseur begeistert.
Es gibt eine Vielzahl großartiger Einfälle dieser Art, und oft genug sind sie - wie etwa der Besuch der Eheleute bei einem esoterischen Therapeutenpaar - pure Satire. Doch bei allem Respekt vor dem Drehbuch und seiner Umsetzung durch Regisseurin Kleefeld, die auch die beiden jungen Darsteller sehr gut führt: Herbst hat für seine Doppellrolle die doppelte Gage verdient.