In ihrem neuen Koalitionsvertrag bezeichnen Union und SPD die Kirchen als "Partner des Staates". "Auf Basis der christlichen Prägung unseres Landes" will sich die neue Bundesregierung für ein gleichberechtigtes "Miteinander in Vielfalt" einsetzen. Eine Selbstverständlichkeit?
Martin Dutzmann: Wichtig ist, dass wir als Kirchen mit den politischen Inhalten und Entscheidungen, die dort getroffen worden sind, gut leben können.
Also ein aus EKD-Sicht guter Koalitionsvertrag?
Dutzmann: Es gibt natürlich Defizite aus unserer Sicht, das ist völlig klar. Ich hätte mir zum Beispiel sehr gewünscht, dass die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit den 17 Nachhaltigkeitszielen sich in der Präambel dieses Koalitionsvertrages wiedergefunden hätte. Das ist das Revolutionäre dieser UN-Ziele, dass sie nicht nur die Entwicklungs- und Schwellenländer betreffen, sondern alle Länder dieser Welt. Das hätte ich wirklich innovativ gefunden und wirklich auf dem Stand der globalen Diskussion.
Nun gut, Ziele wie Bekämpfung von Armut und Hunger oder der Einsatz für menschenwürdige Arbeit lassen sich durchaus im Koalitionsvertrag finden, wenn auch versteckter. Auf den fast 180 Seiten wird auch versprochen, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen und anti-islamischen Stimmungen entgegenzutreten. Details werden aber nicht genannt. Aber es wird auf jeden Fall einen nationalen Antisemitismusbeauftragten geben.
Dutzmann: Grundsätzlich ist es gut, wenn die Regierung sich selber verpflichtet Antisemitismus und Anti-Islamismus zu bekämpfen. Das tut sie ja nicht grundlos. Wir haben antisemitische Ausschreitungen in erheblicher Art gehabt und haben sie noch. Und Jüdinnen und Juden fühlen sich zum Teil nicht mehr sicher in Deutschland. Einen Antisemitismusbeauftragten halte ich für sinnvoll. Der hält das Thema wach und ist Ansprechpartner für alle Fragen von Antisemitismus.
Zum Thema Asyl: Die faktische Obergrenze für Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen dürfen, wird bei maximal 220.000 pro Jahr festgelegt. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige wird auf 1000 Menschen pro Monat beschränkt. Hinzu kommt eine Härtefallregelung. Ein guter GroKo-Kompromiss?
Dutzmann: Tatsache ist, dass der Koalitionsvertrag diese Zahl, das Wort "Obergrenze" fällt dort nicht, nicht ein für alle Mal festschreibt, sondern feststellt. Das lässt ganz viel offen. Was uns tatsächlich beschwert und sehr kritisch stimmt ist der eingeschränkte Familiennachzug für subsidiär Geschützte. Das ist ja nun inzwischen auch schon gesetzlich geregelt worden. Das hätte man anders und großzügiger regeln können und auch müssen, weil das Recht auf Familie ein Menschenrecht ist, das nicht nur Bundesbürgern, sondern jedem Menschen zusteht.
Nicht nur das, hinzu kommt die avisierte monatelange Isolierung von Asylsuchenden in Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren, sogenannten "AnkER-Zentren".
Dutzmann: Wir sind an dieser Stelle skeptisch. Einerseits ist natürlich jede Maßnahme zu begrüßen, die Asylverfahren beschleunigt, weil das im Interesse der Betroffenen ist. Aber wenn im Koalitionsvertrag steht, dass eine Verweildauer bis zu eineinhalb Jahren möglich ist in einem solchen Zentrum, dann halten wir das für ein Problem. Und Tatsache ist, dass man dort verschiedene Einrichtungen zusammenbringen kann und dadurch Behördengänge konzentrieren kann, raffen kann. Aber spätestens in dem Augenblick, wo ein negativer Asylbescheid ergeht und jemand dann klagt, ist abzusehen, dass viele Menschen auch tatsächlich diese 18 Monate dort verbringen, ohne arbeiten zu können. Das ist so nicht hinnehmbar.
Der neue Koalitionsvertrag verspricht zudem, "die erforderlichen Anpassungen und Ergänzungen, die sich durch die Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts ergeben, zügig vorzunehmen".
Dutzmann: Der letzte Deutsche Bundestag hat die Öffnung der Ehe für homosexuelle Lebenspartnerschaften beschlossen und von daher muss das jetzt konsequent weiter bearbeitet werden. Das versteht sich von selber. Hier geht es aber ausschließlich um staatliches Handeln. Unabhängig davon kann man beobachten, dass es innerhalb der Kirche auch weiterhin eine Diskussion darüber gibt, ob das der richtige Weg ist oder nicht.