Klaus Doldinger, Komponist der Titelmelodie, hat nach vielen Jahren endlich mal wieder die Musik für einen "Tatort" geschrieben. Mit Kaspar Heidelbach ist ein weiterer Routinier am Werk; der Regisseur hat bereits ein Dutzend Kölner Krimis mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär gedreht, darunter nicht nur vor über zwanzig Jahren den ersten gemeinsamen Fall von Ballauf und Schenk ("Willkommen in Köln", 1997), sondern auch so fesselnde Episoden wie "Bestien" (2001) oder "Das Phantom" (2002). "Bausünden" aber gehört in der langen gemeinsamen Liste zu den schwächsten Arbeiten des Trios. Die beiden Hauptdarsteller zeigen kaum etwas von jenen Qualitäten, die sie zu einem der dienstältesten und beliebtesten "Tatort"-Teams gemacht haben, und man muss nicht mal besonders gut aufpassen, um gleich zu Beginn ausdrücklich auf die Lösung des Falls hingewiesen zu werden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dabei ist die mitunter unnötig kompliziert wirkende Handlung gar nicht uninteressant: Lars Baumann (Hanno Koffler) sucht seine Frau Susanne. Der Mann war als Soldat in Afghanistan, ist mit einem posttraumatischen Belastungssyndrom heimgekehrt (eine ganz ähnliche Rolle hat Koffler schon 2008 in "Nacht vor Augen" gespielt) und arbeitet nun als Bauleiter für den Unternehmer Könecke (Julian Weigend), einen ehemaligen Kameraden. Köneckes Unternehmen hat Projekte in der ganzen Welt, unter anderem in Katar, und weil der "Tatort" aus Köln immer auch für eine gewisse Haltung steht, kommen selbstredend die ausbeuterischen Bedingungen auf den dortigen Baustellen zur Sprache. Reizvoller ist allerdings die zwischenmenschliche Ebene: Baumanns Gattin Susanne ist nicht nur Köneckes Assistentin, sondern offenbar auch eine Frau mit bestimmten Vorlieben. Genauer gesagt war sie das, denn wenn die für den ansonsten eher braven "Tatort" aus Köln fast schon reißerisch anmutenden Auftaktbilder nicht täuschen, hat sie es mit ihrem letzten Sexpartner etwas zu weit getrieben. Das weiß Baumann aber natürlich nicht, weshalb er, die Ermittler stets auf den Fersen, mit wachsender Verzweiflung nach ihr fahndet. Seine Schwägerin Daniela (Jana Pallaske) ist der einzige Mensch, dem er vertrauen kann. Ballauf und Schenk vermuten zunächst, dass der Ehemann selbst seine Frau auf dem Gewissen hat, aber als sie im bevorzugten Hotel der Dame die Aufnahmen der Überwachungskameras sichten, stellt sich raus, dass die entscheidende Sequenz gelöscht worden ist. Das erklärt womöglich auch den obligaten Leichenfund, mit dem der Film beginnt, denn bei der Frau, die von ihrem Balkon gestürzt worden ist, handelt es sich keineswegs um die verschwundene Susanne, sondern um die Empfangschefin des noblen Hotels.
Aus der Geschichte (Buch: Uwe Erichsen und Wolfgang Wysock) hätte ein richtig guter Krimi werden können, aber ausgerechnet Routinier Heidelbach, der einst für "Das Wunder von Lengede" (2003) mit dem Grimme-Preis geehrt worden ist und zuletzt unter anderem den herausragend gespielten subtilen Thriller "Besondere Schwere der Schuld" (2014) gedreht hat, lässt keinerlei Krimispannung aufkommen. Schwächen zeigt die Inszenierung auch im Detail, und das nicht nur wegen der längst abgenutzten Kölner Klischeebilder vom Stadtpanorama mit Dom und Kranhäusern. So verliert beispielsweise eine gut gespielte Szene mit Anke Retzlaff als Hotelangestellte, die die Kommissare äußerst verlegen über die Neigungen der verschwundenen Frau informiert, viel von ihrer Wirkung, weil die Kamera wie bei einer schlecht gemachten Reportage die Hände in Nahaufnahme zeigt und der Frau im emotionalen Moment ins Gesicht hüpft. Ärgerlicher sind jedoch die vielen Erläuterungen, mit denen Ballauf und Schenk immer wieder ihre Erkenntnisse kommentieren. Für Zuschauer, die den Anfang verpasst haben, muss Daniela zwischendurch noch mal dran erinnern, dass sie die Schwester der Verschwundenen ist. Überflüssige Dialoge dieser Art gibt es viel zu viele. Als auf den schließlich doch noch aufgetauchten Videobildern aus dem Hotel anhand eines roten Stöckelschuhs zu erahnen ist, dass zwei Männer eine Frauenleiche wegtragen, kommentiert Schenk: "So wird ein Schuh draus." Gipfel der Wortlastigkeit ist schließlich die Schlussszene, als das Duo beim üblichen Feierabendkölsch noch mal den Fall erklärt.