Bücher
Foto: ra2 studio/stock.adobe
In Heidelberg können Pfarrer ein Semester lang Uni-Vorlesungen besuchen oder sich in theologische Themen vertiefen, mit denen sie sich schon während ihres Studiums beschäftigt haben.
Zeit, Muße und ein Theologie-Update
Die Evangelische Landeskirche in Baden bietet Pfarrern eine besondere Form der Fortbildung an. In Heidelberg können sie ein Semester lang Uni-Vorlesungen besuchen, sich mit Kunst oder Psychologie beschäftigen und durchatmen.

Geschenkte Zeit, Theologie-Update, "Blick über den Tellerrand" - zahlreiche Begriffe beschreiben die viermonatige Fortbildung, die Pfarrer Michael Schumacher im vergangenen Jahr in Heidelberg gemacht hat. Wenn der 39-jährige Kirchenmann aus dem Kraichgau die Weiterbildung in einem Satz zusammenfassen müsste, hieße der: "Ich darf, und ich muss nicht immer!"

Er ist seit zehn Jahren Pfarrer in zwei Gemeinden in Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis). Seinen Beruf mag er sehr gerne. Aber als Pfarrer in dörflich geprägten Gemeinden sei man nie privat unterwegs und auch abends, am Wochenende und an Feiertagen ansprechbar. Zudem hat Schumacher Kinder. Zeit für eigene Projekte bleibt wenig. "Meine Freizeitbeschäftigung war meine Doktorarbeit, aber ich bin kaum vorangekommen", sagt Schumacher.

"Was habe ich mir vorgenommen? Wo will ich hin? Was hat sich seit meinen Studium geändert?"

Daher bewarb er sich für ein "Kontaktstudium" in Heidelberg. Im Theologischen Studienhaus Heidelberg, das ein Teil des Evangelischen Studienseminars Morata-Haus ist, leben für jeweils ein Semester zwölf Pfarrer zusammen und studieren an der Universität, setzen eigene Schwerpunkte oder können durchatmen, erklärt Studienleiterin Heike Springhart. Voraussetzung für die Bewerbung ist, dass man mindestens zehn Jahre lang im Pfarrdienst gearbeitet hat.

Studienleiterin Heike Springhart und Pfarrer Michael Schumacher vor dem Seminarhaus in Heidelberg.

Die meisten der Teilnehmenden sind um die 50 Jahre alt, das wirft technische und inhaltliche Fragen auf. "Viele müssen sich mit E-Learning und digitalen Bibliotheken erst vertraut machen", sagt Springhart. Zudem hat sich die Theologie in den vergangenen Jahren weiter entwickelt. Zu Beginn des Kontaktstudiums steht für die Pfarrer daher eine dreitägige Einführungsveranstaltung, in der Fragen diskutiert werden, wie 'Was habe ich mir vorgenommen?', 'Wo will ich hin?' und 'Was hat sich seit meinen Studium geändert?'.

Danach können die Kirchenleute ihre Fortbildung fast frei gestalten. "Manche vertiefen theologische Themen, mit denen sie sich schon während ihres Studiums beschäftigt haben", sagt Springhart. Andere stellen in der mittleren Phase ihres Lebens fest, dass sie sich für Vorlesungen begeistern können, die sie in ihrer Jugend eher abgeschreckt haben. Oder sie besuchen Veranstaltungen an anderen Fakultäten. Die Pfarrer können die Zeit aber auch nutzen, um zu lesen oder Sport zu treiben.

Vorträge zu Gerontologie und Militärseelsorge

Schumacher erzählt, dass er viel an seiner Doktorarbeit geschrieben habe. Daneben habe er sich für eine Vorlesung zum Neuen Testament, Religionspädagogik, Kunstgeschichte und bei einem Seminar über Hieronymus Bosch eingeschrieben. Andere aus seinem Jahrgang hätten Psychologie studiert oder sich mit Glasmalerei beschäftigt.

Ergänzend gibt es an einem Abend in der Woche einen "Jour Fixe", an dem zu zuvor abgesprochenen Themen Veranstaltungen organisiert werden. Das können Vorträge zu Gerontologie und Militärseelsorge sein, aber auch eine Stadtführung oder ein Besuch der Mannheimer Schifferseelsorge.

Das Morata-Haus in Heidelberg besteht aus dem Theologischen Studienhaus und dem Predigerseminar Petersstift der Evangelischen Landeskirche in Baden. Beim gemeinsamen Essen und Feiern gibt es viel Erfahrungsaustausch zwischen Kontaktpfarrern, Lehrvikaren sowie den Studierenden des Studienhauses.

Ein solcher Austausch ist auch in den theologischen Seminaren sehr wichtig. "Die Pfarrerinnen und Pfarrer bringen Erfahrungen aus den Gemeinden zurück in die Theorie, sie stellen andere Fragen als Studierende ohne Praxis", sagt Springhart. Und für die Zukunft der Kirche sei es mehr denn je notwendig theologische Fragen neu zu stellen, zu deuten und ins heute zu denken, erklärt Springhart. "Dafür brauchen die Pfarrer Zeit, Muße und theologischen Input."

In Deutschland bietet jede Landeskirche ein "Kontaktstudium" an. Die Strukturen unterscheiden sich aber je nach Region.