Reza stutzt, als er die Passage aus der Weihnachtsgeschichte in persischer Übersetzung vorliest: Der Erzengel Gabriel verkündet Maria die bevorstehende Geburt von Jesus. "Das steht so auch im Koran", bemerkt der 35 Jahre alte Flüchtling aus dem Iran. Die sieben Männer aus dem Iran und Afghanistan beginnen erstaunt zu diskutieren, über "Yussuf", seine Frau "Maryam" und deren Kind. Dieses ist nach muslimischem Verständnis zwar nicht der Gottessohn, aber doch ein hoch geachteter Prophet, "ein guter Mensch", sagt Reza.
Alles dreht sich um Weihnachten beim zweiten Treffen eines "Deutsch-persischen Gesprächskreises" an einem Abend im protestantischen Dekanat in Germersheim. Etwa alle vier bis sechs Wochen kommen dort Flüchtlinge aus muslimischen Ländern zusammen, um mehr über die christliche Religion und die Kultur ihrer neuen deutschen Heimat zu erfahren. Die Idee für die lockere Runde hatte der Germersheimer Dekan Claus Müller. Unterstützt wird er von Arne Dembek, dem Beauftragten für Christen anderer Sprache und Herkunft der pfälzischen Landeskirche.
Die Herkunft des Tannenbaums
Der Wunsch, mehr zu erfahren über den christlichen Glauben, über Sitten und Gebräuche in Deutschland ist groß bei den Männern. Sie sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, leben seit einigen Jahren in den Kirchenbezirken Germersheim und Speyer - und sind alle getauft. Nun wollen sie besser verstehen, woran Christen glauben und welche manchmal seltsamen kulturellen Traditionen es in Deutschland gibt.
"Weshalb stellen sich die Deutschen einen Tannenbaum zur Weihnachtszeit ins Wohnzimmer?", stellt Müller eine knifflige Frage. Allgemeine Ratlosigkeit in der Runde, auf dem Tisch stapeln sich neben dem Adventskranz einige Bibeln. In der Heiligen Schrift finde sich kein Wort über einen Tannenbaum, löst Müller das Rätsel auf. Der immergrüne, mit Kerzen geschmückte Baum sei ein Symbol für Leben und Licht in dunkler Zeit.
"Interessant ist der warme Wein", kommt der 30-jährige Satar aus Afghanistan auf das Thema Weihnachtsmärkte zu sprechen. Und dass viele Deutsche Weihnachtslieder singen, finden alle Männer sehr schön. Überrascht sind sie, dass im Konkurrenzkampf um die Herzen der Menschen der Weihnachtsmann - "gesponsert von Coca-Cola" - das aus protestantischer Tradition stammende Christkind wohl ausstechen wird, wie Müller prognostiziert.
Auch dass der Weihnachtsstern den Weg zur Krippe leuchtet, ist den vom Islam zum Christentum Konvertierten nicht geläufig. Der Übertritt zum christlichen Glauben sei für die meisten Flüchtlinge eine Herzensentscheidung gewesen und nicht nur "ein Abschiebehemmnis", betont Dembek. Die Männer stehen zu ihrer Entscheidung - obwohl sie von manchen Muslimen dafür schlecht behandelt würden, wie sie berichten.
Die Neuangekommenen wollten dazugehören in den Kirchengemeinden, in denen es ihnen gegenüber immer weniger Berührungsängste gebe, erzählen Müller und Dembek. "Gerne helfe ich mit, ich kann gut renovieren", bietet sich Satar an.
In einem Monat will sich die Gruppe wieder treffen, Thema soll unter anderem sein, was nach christlicher Vorstellung nach dem Tod kommt. Ergriffen sind sie Männer, als Dekan Müller sie am Ende des zweistündigen Treffens mit einem mutmachenden Satz entlässt. Gott kümmere sich ganz besonders um alle Bedürftigen: "Jesus ist ein Flüchtling."