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TV-Tipp: "Die Puppenspieler" (ARD)
27.12., ARD, 20.15 Uhr
Das Luther-Jahr ist so gut wie vorbei, weshalb der Zweiteiler "Die Puppenspieler" wie ein Nachzügler wirkt. Luther selbst oder die Reformation spielen zwar gar keine Rolle, weil sich der Großteil der Geschichte 1492 und somit 25 Jahre vor dem berühmten Thesenanschlag zuträgt, aber die katholische Kirche und das skandalöse Treiben ihrer Repräsentanten um so mehr.
Zentrale Figur der Geschichte scheint der legendäre Augsburger Kaufmann Jacob Fugger (Herbert Knaup) zu sein, der in jenen Jahren als schwerreicher Kreditgeber in ganz Europa die Fäden gezogen hat. Der Titel würde seinem Treiben zweifelsohne gerecht werden; in den Luther-Filmen war Fugger mal als Vermittler, mal als Finanzier eine ebenso maßgebliche Figur wie in dem ZDF-Dreiteiler "Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe". Im zweiten Teil (29. Dezember) konzentriert sich "Die Puppenspieler" jedoch auf die Absprachen, Intrigen und Komplotte rund um eine anstehende Papstwahl. Fuggers Interesse an dem Vorgang ist rein ökonomischer Natur: Er braucht einen Papst, der dafür sorgt, dass ein weiterer Vormarsch des osmanischen Heers Richtung Ungarn gestoppt wird, denn dort hat der Kaufmann viel Geld in einheimische Bergwerke investiert.
 
Wie viele andere Zweiteiler hat die Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Tanja Kinkel ein großes Manko: 180 Minuten sind zu lang. Das liegt gar nicht mal am mangelnden Stoff; gerade Teil zwei (29. Dezember) hat alles zu bieten, was sich das Publikum von solchen spätmittelalterlichen Epen erhofft. In den ersten neunzig Minuten aber gelingt es dem Autorenduo Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof nur bedingt, ein gesteigertes Interesse an den Figuren zu wecken. Das hat auch mit der Unentschlossenheit zu tun, sich auf eine klare Hauptfigur zu konzentrieren. Die Besetzung mit Herbert Knaup legt zwar nahe, dass Fugger die zentrale Rolle spielt, doch der Film behandelt ihn wie eine wichtige Nebenfigur. Diese Vakanz ausgerechnet im Herzen der Geschichte ist ein Problem, das die Handlung nicht wettmachen kann, denn die einzige Person mit nachhaltiger Präsenz ist der Schurke: Dominikanermönch Heinrich Institoris (Philipp Moog) führt im Namen der Inquisition einen Kreuzzug gegen die Hexerei. Zu seinen Opfern gehört unter anderem eine zum Christentum bekehrte Muslimin. Ihr Sohn Richard ist angeblich das uneheliche Kind von Fuggers verstorbenem Bruders; der Kaufmann nimmt den Jungen bei sich auf.
 
All’ das ist im Grunde Prolog, nimmt aber fast die Hälfte des ersten Teils in Anspruch. Richtig los geht die Geschichte erst nach einem Zeitsprung: Acht Jahre später ist Richard (Samuel Schneider) zu einem schmucken jungen Mann herangewachsen, der seinem "Onkel" ein gelehriger Schüler ist. Noch mehr lernt er allerdings von Eberding (Sascha Alexander Gersak): Weil Fugger stets Distanz zu dem Jungen bewahrt, wird sein Vertrauter für Richard zu dem Vater, den er nie hatte. Zu einem fesselnden Werk mit großen Gefühlen wandelt sich die Geschichte jedoch erst, als endlich eine Frau ins Spiel kommt: Auf dem Weg zur Papstwahl stoßen die drei Männer auf die Zigeunerin Savija (Helen Woigk), die als einzige die Ermordung ihrer Familie überlebt hat. Fortan funktioniert der Film auf zwei Ebenen, die sich gegenseitig auf reizvolle Weise durchdringen. Fugger versucht mit wahnwitzigen Bestechungssummen, die Papstwahl zu seinen Gunsten zu beeinflussen, sieht sich allerdings mit Männern konfrontiert, die die Kunst des Intrigierens schon mit der Muttermilch aufgesogen haben; deshalb wird nicht der von ihm favorisierte Kardinal Sforza (Jan Messutat), sondern der gerissene Vizekanzler Borgia (Ulrich Matthes) gewählt. Die sinnliche Savija hat die drei Männer nach Florenz begleitet, wo das Konklave abgehalten wird, und verdreht den Kirchenmännern reihenweise den Kopf. Da sich der von Matthes mit viel boshafter Süffisanz ausgestattete Borgia von der schönen Zigeunerin die Karten legen lässt, will sein großer Gegenspieler Kardinal della Rovere (Rainer Bock) nachweisen, dass Savija mit dem Teufel im Bunde ist; das entsprechende Zeugnis soll niemand anders als Heinrich Institoris beschaffen.
 
Angesichts der Stofffülle von Teil zwei und der durchaus fesselnden Mischung der verschiedenen Motive – gerade Richard ist hin und hergerissen zwischen Liebe, ungestilltem Rachedurst und familiärer Loyalität zu Fugger –, wäre es vermutlich klüger gewesen, die ausufernde Vorgeschichte drastisch zu kürzen und das Werk als überlangen Einzelfilm zu konzipieren. Sex und Gewalt sind wahrlich keine Qualitätsmerkmale, aber sie sorgen natürlich für eine gewisse Würze; Teil eins wirkt in dieser Hinsicht wie die keuschen Luther-Filme, bei denen solche Zutaten selbstredend verpönt waren. Die Besetzung ist ein weiteres Merkmal für den unterschiedlichen Stellenwert: Die wirklich namhaften Schauspieler tauchen erst später auf; das erste Drittel mit den Augsburger Szenen ist in Tschechien entstanden, hier werden die Mitwirkenden überwiegend von Einheimischen verkörpert. Auch deshalb sind die Szenen gerade mit Ulrich Matthes und Rainer Bock als rivalisierende Kleriker von ganz anderem Kaliber. Die Bildgestaltung durch Rainer Kaufmanns Stammkameramann Klaus Eichhammer ist allerdings durchgehend erstklassig, ebenso wie die sehr präsente Musik von Karim Sebastian Elias, die zwar modern klingt, aber trotzdem perfekt zu den Bildern passt.