Schon die personelle Konstellation ist denkbar einfach. Als sich Lisa (Inez Bjørg David) und Patrick (Lucas Prisor) ineinander verliebt haben und zusammengezogen sind, haben beide "Bonuskinder" mitgebracht: Ihre zehnjährigen Söhne sind fast auf den Tag genau gleichaltrig; Lisa hat außerdem eine Teenagertochter. Die beiden Jungs müssen sich ein Zimmer teilen, sind aber wie Feuer und Wasser, denn Eddie (Fillin Mayer) ist das kleine Pendant seines eher schlicht gestrickten Vaters Martin (Steve Windolf); William (Levis Kachel) dagegen verströmt den Stallgeruch einer englischen Eliteschule.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Auf dieser Basis erzählt Antonia Rothe-Liermann von allerlei Ereignissen, die Regisseurin Isabel Braak allerdings ohne erkennbare Dramaturgie aneinandergereiht hat. Das lässt die Folgen etwas spannungsarm wirken. Selbst wenn die einzelnen Begebenheiten lebensnah sind und in einer reizvollen Mischung aus Komödie und Drama erzählt werden: Es gibt keinen Höhepunkt, auf den die jeweiligen Kapitel zusteuern. Über allem schwebt die Frage, ob es Zweitvater Patrick und Ziehkind Eddie irgendwie schaffen, sich zusammenraufen, denn der Junge ist ziemlich schwierig; gerade in seiner Hinsicht ist die Bezeichnung "Bonus" blanker Euphemismus. Eddie nimmt seiner schwangeren Mutter übel, dass sie ihr Versprechen gebrochen hat, kein drittes Kind zu bekommen. Selbst wenn der Nachwuchs nicht geplant war: Schuldgefühle hat Lisa trotzdem. Martin ist natürlich ebenfalls nicht begeistert.
Ansonsten zerfasert die Serie jedoch in viele kleine Handlungsstränge, die aber immerhin geschickt miteinander verworben sind. So scheitert Martin zum Beispiel am Kauf einer Eigentumswohnung, weil er keinen Kredit bekommt und Patrick sein Veto einlegt, als Lisa eine Bürgschaft übernehmen will. Martin rächt sich für die Abfuhr, wenn auch ohne es zu ahnen, in dem er Eddie, der sich auf ein eigenes Zimmer gefreut hat, zum Trost eine Königsnatter schenkt. Patrick hat jedoch eine ausgeprägte Schlangenphobie, und selbstverständlich verlässt das Tier bereits am ersten Abend unerlaubt sein Terrarium. Der Raum, den die Drehbücher den Ex-Partnern geben, ist der deutlichste Unterschied zum schwedischen Original: Während Martin zu seiner Mutter (Swetlana Schönfeld) gezogen ist, die Trennung immer noch nicht verkraftet hat und seine Wut regelmäßig gegen Patrick richtet, führt dessen Ex-Frau Katja (Anna Schäfer) ein Karriereleben, in dem kein Platz für andere Menschen zu sein scheint. Trotzdem kommt es zu einer neuen Beziehung ein, die unfreiwillig von William eingefädelt wird: Er freundet sich mit Katjas Mitarbeiter Hendrik (Matthias Lier) an, und der nutzt die Gelegenheit, sich an die verehrte Chefin ranzumachen. Auch Martin verguckt sich in eine attraktive Kollegin (Maxine Kazis).
Das hat alles einen gewissen Unterhaltungswert, aber sehenswert ist "Bonusfamilie" in erster Linie wegen der ausnahmslos guten schauspielerischen Leistungen. Gerade Steve Windolf hat einige wunderbare komödiantische Momente; Martins Dialoge mit seinem Arbeitskollegen Sepp (Arnel Taci) sind die witzigsten Wortwechsel der Serie. Auch bei den jungen Darstellern (Louise Sophie Arnold spielt die heranwachsende Tochter) hat Braak vorzügliche Arbeit geleistet. Ihr erster Film war die im Rahmen der NDR-Debütreihe "Nordlichter" ausgestrahlte Komödie "Plötzlich Türke" (2016), in der ein junger Deutscher eine kafkaeske Ämter-Odyssee erlebt, weil er plötzlich ein Mensch ohne Nationalität ist. Es folgte "Die Bestatterin - Der Tod zahlt alle Schulden", eine sympathische Heimatkrimikomödie mit Anna Fischer als Bestatterin auf der Schwäbischen Alp (2019). Angesichts dieses mehr als gelungenen bisherigen Wirkens der Regisseurin ist die Kraftlosigkeit von "Bonusfamilie" erstaunlich. Ungewöhnlich ist auch der Sendeplatz: Das "Erste" zeigt die von BR, MDR und SWR koproduzierte Serie nicht auf dem eingeführten Seriensendeplatz am Dienstag, sondern in drei Doppelfolgen anstelle des Mittwochsfilms. Gemessen am Anspruch der Dramen, die die ARD dort sonst meist ausstrahlt, ist "Bonusfamilie" jedoch eher ein Leichtgewicht, das besser auf den von der ARD-Tochter Degeto gestalteten Freitag passen würde. Allerdings hatten beispielsweise die thematisch verwandten Degeto-Filmreihen "Eltern allein zu Haus" (2017) oder zuletzt "Väter allein zu Haus" (2019) deutlich mehr Biss und Tempo, von "Türkisch für Anfänger" ganz zu schweigen.