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TV-Tipp: "Tatort: Böser Boden" (ARD)
26.11., ARD, 20.15 Uhr
Weil zuletzt einige Filme die Grenzen des Formats „Tatort“ allzu sehr strapaziert haben, sah sich die ARD bemüßigt, Besserung zu geloben: weniger Experimente! „Böser Boden“ ist ein Beispiel dafür, wie man die Grenzen ausloten kann, ohne sie zu überschreiten: Der NDR-“Tatort“ mit Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz als Duo von der Bundespolizei trägt Züge eines Horrorfilms, bleibt aber stets ein Krimi.

"Böser Boden" ist zwar ein treffender Titel, doch die Geschichte hätte auch "Das Dorf der Verdammten" heißen können: Falke und Grosz sollen in der niedersächsischen Provinz rausfinden, warum ein eingewanderter Iraner ermordet worden ist; möglicherweise handelt es sich um ein politisches Verbrechen. Der Mann war Fahrer für einen Konzern, der mit der umstrittenen Fracking-Methode Gas fördert. Entsprechend feindselig ist die Stimmung im Ort gegenüber dem Unternehmen, zumal viele Menschen unter einem rätselhaften Ausschlag leiden, der jedoch angeblich von einem starken Blaualgenbefall im Badesee stammt. Aber die Bürger, darunter vor allem Kinder und Jugendliche, scheinen auch eine subkutane Veränderung durchzumachen; sie legen eine Aggressivität an den Tag, die mit ihrer Ablehnung des Frackings allein nicht zu erklären ist.


Sabine Bernardi hat ihren ersten "Tatort" stellenweise wie eine Hommage an die Filme von George A. Romero inszeniert. Der Regisseur ist vor knapp fünf Jahrzehnten durch sein Debüt "Die Nacht der lebenden Toten" (1968) bekannt geworden; zehn Jahre später folgte mit "Zombie" der Klassiker dieses Genres. Vorbild für "Böser Boden", wenn man so will, ist jedoch Romeros "Crazies" (1973): Der Film handelt davon, wie ein ins Grundwasser einer amerikanischen Kleinstadt gelangter biochemischer Kampfstoff die Einwohner in Psychopathen verwandelt. Ganz so weit treibt es das Drehbuch von Marvin Kren und Georg Lippert zwar nicht, aber wenn sich die Einheimischen zusammenrotten und ihren vermeintlichen Feinden bedrohlich auf die Pelle rücken, kommt Bernardi den Romero-Filmen schon recht nah; gerade die Kinder sehen in der Tat auch aus wie Zombies. Die düstere Bildgestaltung (Oliver Maximilian Kraus) und die abweisenden Schauplätze tragen ihren Teil zur entsprechenden Stimmung des Films bei.
Daran ändern auch die Auftritte eines aufgeräumten Chemikers (Christian Hockenbrink) nicht, der Boden- und Wasserproben nimmt und allerlei Scherze einstreut, aber irgendwann einsehen muss, dass die kühle Grosz seine Flirtversuche nicht mal ignoriert. Ungleich charakteristischer für den Film ist eine verstörende Szene mit einem Waldbewohner (Axel Neumann), der nicht mehr von dieser Welt zu sein schient. Eher überflüssig ist dagegen ein Seitenstrang mit Falkes heranwachsendem Sohn, der regelmäßig Mist baut. Der Polizist hat zwar kaum Kontakt zu dem Jungen, aber seine Ex-Frau hält ihn auf Trab und zitiert ihn mitten in den Ermittlungen nach Hamburg, weil der Sohn wieder mal Ärger gemacht hat. Mit dem eigentlichen Fall hat das alles nichts zu tun, aber zur Folge, dass der Kommissar deutlich dünnhäutiger ist als sonst. Weil Grosz in Gefahr gerät, während der Kollege in Hamburg nach dem Jungen sucht und einen beeindruckenden Auftritt der Band AnnenMayKantereit ("Oft gefragt") erlebt, gibt es erstmals richtig Krach zwischen den beiden.


Davon abgesehen ist "Böser Boden" jedoch ein fesselnder, dicht inszenierter Film, der eine gute Balance zwischen Krimihandlung und Umweltthema findet. Natürlich gibt es auch den unvermeidlichen Auftritt eines Öko-Aktivisten (Rainer Furch), der erläutert, warum das Fracking-Verfahren so umstritten ist: weil zusammen mit dem auf diese Weise geförderten Gas noch alle möglichen anderen Dinge ans Tageslicht befördert werden, die in der Atemluft nichts zu suchen haben; und selbstredend werden die Vorwürfe durch eine Konzernrepräsentantin entkräftet und etwaige Zwischenfälle zu Bagatellen klein geredet. Bildgestaltung und Musik lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass die Gasförderanlage der Hort des Bösen ist. Grosz und Falke befinden sich zwischen den Fronten und müssen zudem damit klarkommen, dass eine junge einheimische Polizistin (Lenja Schultze) eindeutige Sympathien für die Protestler hegt. Aber wer den Fahrer ermordet hat, bleibt auch dann noch ein Rätsel, als sich schließlich rausstellt, dass der Mann die Wahrheit über die Ursache des Ausschlags und der Wesensveränderungen rausgefunden hat; auch wenn Falke die Symptome in einem seiner wenigen heiteren Momente auf lebenslangen Hirsekonsum zurückführt.