Die Missionare brachten im 19. und 20. Jahrhundert für die ersten Gottesdienste Harmonien aus ihrer deutschen Heimat mit, doch die kleinen Hausorgeln sind längst kaputt. In den Kirchen Tansanias stehen heute zur Begleitung der Chöre in der Regel Keyboards, verstärkt durch möglichst viele Boxen, je lauter, um so besser. Doch seit einigen Jahren hört man in immer mehr Kirchen Tansanias auch andere Klänge, nämlich echte Orgelmusik.
Es fing damit an, dass der gelernte Orgelbauer Reiner Kammleiter zusammen mit seiner Frau Barbara vor mehr als 20 Jahren an den Fuß des Kilimandscharo kam, um im Auftrag des bayrisch-lutherischen Missionswerkes eine Berufsschule aufzubauen. Ziel des "Hai Vocational Training Centre" war und ist die klassische Ausbildung von Schneiderinnen, Maurern, Metallwerkern, Elektrikern oder Schreinern. Mehr als 250 Azubis erhalten hier eine grundsolide Lehre. Neuerdings gibt es auch eine PC-Klasse. Nebenbei fing Kammleiter an, mit afrikanischen Baumsorten zu experimentieren. "Es gibt hier tolle Hölzer, zum Beispiel Zypresse für Basspfeifen oder Gedeck-Pfeifen, die weich klingen. Das sind besondere Fasern, die ganz leicht klingen. Auch bestimmtes Olivenholz, wenn man konisch, also kegelförmig, baut", schwärmt Kammleiter.
Wenn man in Deutschland die gleichen Pfeifen aus Fichte bauen würde, hätte man viel mehr Arbeit, sie genau so weich tönen zu lassen, verrät der bayrische Orgelbauer. Der Tüftler merkte schnell, dass die tansanischen Hölzer nicht nur bestens für Pfeifen geeignet sind, sondern auch für Manuale, Koppeln, Spieltische und Gehäuse.
Der heute 53-Jährige begann damit, die besten Schreinerlehrlinge seiner Berufsschule für den Orgelbau weiterzubilden. Gleichzeitig fing er damit an, eigene Bäume auf der Schulplantage anzubauen, um sich auch in Zukunft die Edelharthölzer zu sichern, die er sonst teuer einkaufen müsste. Sogar die kleineren Metallpfeifen können mittlerweile in der eigenen Schul-Werkstatt hergestellt werden. Nur noch Weniges muss importiert werden.
"Hier in Tansania bekomme ich kein gutes Sperrholz für die Windlade. Das aus Massivholz zu bauen, ist sehr viel aufwendiger und teurer. Teilweise haben wir schon Sperrholz aus Finnland hergeholt. Aber es ist immer die Frage, ob sich das lohnt", verrät Kammleiter.
Der Gewinn, den er mit dem Verkauf der Orgeln erzielt, wird in die lutherische Berufsschule reinvestiert. Allmählich spricht sich die Qualität aus dem Hause Kammleiter herum. Immer mehr Kirchengemeinden in Tansania wollen kein Elektroinstrument mehr, sondern eine richtige mehrmanualige Pfeifenorgel. Nur der Wind wird noch elektrisch erzeugt.
"Wenn man das Gebläse mit Fußbetrieb bauen wollte, bräuchte man viel mehr Platz. Das ist das Problem, denn in Tansania sind die Kirchen voll. Wenn man eine große Orgel hinstellt, dann nimmt man dem Chor den Platz weg", sagt der Orgelbauer.
Platzprobleme, von denen die meisten Kirchengemeinden in Deutschland nur träumen können. Eine tansanische Orgel kostet dabei nur rund die Hälfte eines vergleichbaren Instrumentes "Made in Germany". Ein echter Wettbewerbsvorteil. Reiner Kammleiter hat mittlerweile sogar schon mehrere Instrumente nach Deutschland exportiert. Ein kulturell-musikalischer Re-Import von Afrika nach Europa sozusagen! Die erste Orgel ging nach Rothenburg ob der Tauber in die Friedhofskirche.
"Ich denke, das war die erste Orgel, die je in Afrika gebaut wurde. Die ist dann mit dem Container nach Hamburg verschifft worden. Dann haben die Zöllner am Hafen die Rauschgifthunde in den Container reingelassen, weil es niemand so recht glauben wollte, dass eine Orgel aus Afrika kommt", erinnert sich Kammleiter.
Immer, wenn er seinen Jahresurlaub in der bayrischen Heimat verlebt, hat er auch Zeit, seine Exportorgeln in Deutschland aufzubauen. Jedes größere Instrument ist aber in der Regel ein Unikat, das individuell für jede Kirche geplant und angepasst werden muss. Ein langer und kostspieliger Prozess. Reiner Kammleiter plant künftig vor allem kleinere Einheiten, die dann in Serie auch von seinen Lehrlingen und Gesellen eigenständig gebaut werden können: "An einer großen Domorgel bin ich nicht interessiert, das geht über meine Kräfte. Ich bin interessiert an kleinen Instrumenten, zwei, drei, vier Register, die man nach Deutschland schicken kann."
So gibt es vielleicht bald immer mehr deutsche Kirchengemeinden, die sich für ein Tasten-Instrument aus Afrika interessieren werden. Denn der Klang und der Preis einer Kammleiter-Orgel "Made in Tansania" erscheinen mehr als verlockend.