Science Slams sind eine recht junge Vortragsform. Dabei stellen Wissenschaftler ihre Forschung in kurzen pointierten, oft witzigen Vorträgen von höchstens zehn Minuten dar. Beim bekanntesten Science-Slam in Braunschweig erhält der Sieger ein goldenes Gehirn. Die evangelische Akademie in Frankfurt lobte für junge Theologen als Preis einen "goldenen Apfel der Erkenntnis" und 30 Flaschen Wein aus. Acht Teilnehmer, Vorträge von höchstens zehn Minuten und am Ende entschied das Publikum, wer den Hauptgewinn mit nach Hause nehmen durfte.
Thematisch ging es von innerkirchlichen Verhaltensnormen (in Großbritannien tragen manche Pfarrer Jogginganzüge bei Messen) über theologische Filterblasen und Hate-Speech im konfessionellen Zeitalter bis hin zu Erschütterung, als bisher kaum erforschte Kategorie der Theologie. Christine Lungershausen lieferte ein "Göttliches Anders-Seh-Training". In ihrem Beitrag nahm sie die Perspektive von Kindern und sozialistischen Malern ein, um eine abstrakte Theorie wie die Trinitätslehre auf den Punkt zu bringen. "Die Trinitätslehre, das ist christliche Mathematik: 3=1."
Der einzige Katholik im Teilnehmerfeld, Martin Lüstraten, befasst sich mit Exorzismen. Ursprünglich fanden die öffentlich statt und stehen damit "als unterhaltsame Darbietungen in einer Linie mit Passions- und Krippenspielen." In der Neuzeit gab es sogar öffentliche Wettkämpfe zwischen katholischen und protestantischen Exorzisten. Er sei zudem eine viel bequemere Methode den richtigen Glauben zu finden als Latein zu lernen und sich mit klugen Schriften auseinanderzusetzen, so der Theologe: "Das brauchen Sie alles nicht. Gehen sie zu einem Schau-Exorzismus hin, gucken Sie wer erfolgreich exorziert, derjenige muss die Wahrheit haben, denn: Wer heilt hat Recht."
Der Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeit liegt allerdings auf der Wechselwirkung von filmischer Verarbeitung von Exorzismen und deren Rückwirkung auf den Exorzismus selbst. Am berühmtesten ist natürlich der Film "der Exorzist". Aus Lüstratens Sicht: "relativ typischer reaktionärer amerikanischer Horror." Lüstraten untersucht die Rückwirkung dieses Films auf den Fall von Anneliese Michel, deren medizinische Diagnose "Epilepsie" lautet; die katholische Diagnose ist hingegen: Dämonische Besessenheit. Der Priester, der den Exorzismus durchführte, ließ sich immerhin insoweit vom Film beeinflussen, dass er - wie im Film - beim Exorzieren ein Tonbandgerät mitlaufen ließ, "sie können sich das heute ganz einfach auf Youtube anhören." Die Folge: Das Tonband erregte öffentliches Ärgernis. Schließlich entschied die katholische Kirche Mitschnitte von Exorzismen zu verbieten. Die Folge darauf war eine Fülle von neuen Exorzismusfilmen.
Weniger gruselig, nicht minder interessant waren die Ausführungen von Johanna Hammann zur Wechselwirkung von Film und Religiosität. Sie verortet in Animationsfilmen von Pixar neue Ansätze für religiöse Sprache. Religion ist ihrer Ansicht nach inhärent sehnsüchtig. Laut Friedrich Schleiermacher sind Leiden und heftige innere Regungen nur menschlich, Johanna Hamman fragt nun, ob "auch Fische oder Roboter - die Protagonisten der Pixar-Filme - auch etwas über die Sehnsucht der Menschen vermitteln." Anhand von Filmszenen machte sie deutlich: Ja. Sogar Maschinen wie der Roboter Wall-E können inneres religiöses Feuer empfinden.
Dank einer großen Videowand konnten die Science-Slammer ihre Beispiele direkt an die große Videoleinwand hinter sich werfen. Ausgiebig Gebrauch von diesen technischen Möglichkeiten machte Mirjam Stahl. Durch kurzweilige Animationen schaffte sie es, ihr sperriges Dissertationsprojekt zu "Erschütterung als anonyme Kategorie der spätmodernen (Praktischen) Theologie" kurzweilig auf den Punkt zu bringen. In gefälschten Youtube-Videos, persifliert angelehnt an "Bibis Beauty Palace", nahm sie sich selbst auf die Schippe, indem sie sich im Zeitraffer sprechend zeigte.
Der letzte Vortrag von Helge Bezold befasste sich mit der Erzählung über Esther, einem der brutalsten Kapitel des alten Testaments. Auf sehr witzige Art und Weise spielte der Nachwuchswissenschaftler die Geschichte mit Playmobil-Figuren nach, an deren Ende die Juden 75.000 ihrer Feinde töteten. Historisch ist von einem Blutbad in diesem Ausmaß nichts bekannt und entsprechend ordnete Bezold den Text als literarische Racheerzählung ein. Anders als etwa Martin Luther, der auch damit seinen Antisemitismus begründete.
Ohnehin sei das Judentum dem Christentum im Hinblick auf das Bewusstsein für die Ambivalenz von Gewalt voraus. Diesen Aspekt "nimmt das Judentum im Purimfest, das bis heute karnevalsartig ist, ernst", so Bezold. So schreibe der Talmud für dieses Fest vor: "Man solle trinken bis zwischen 'verflucht sei Haman' und 'gesegnet sei Mordechai' nicht mehr zu unterscheiden ist. Wenn Sie nun sehen, dass die evangelische Akademie dem Gewinner dieses Abends 30 Flaschen verspricht, können Sie sich ziemlich genau vorstellen, was ich damit vorhätte."
Eine Argumentation die das Publikum überzeugte. Jede Reihe im Publikum erhielt die Gelegenheit jeden Vortrag mit "Jo" (ein Punkt), "Ja" (zwei Punkte) oder "Yeah" (drei Punkte) zu bewerten, Helge Bezold erzielte nach kurzer Beratung von allen ein "Yeah" und stand damit als Sieger fest. Die 30 Flaschen Wein teilte Helge Bezold als Gewinner unter den Teilnehmenden auf so an die theologische Fakultät in Gießen, woher mehrere Teilnehmer kamen unter denen der Preis nun geteilt werden soll, wie Helge Bezold gleich im Anschluss erklärte.
Es mag auch am schon während der Vorträge ausgeschenkten Wein gelegen haben, jedenfalls waren nach der Veranstaltung viele lachende Gesichter zu sehen. Die 170 Zuschauer waren nicht enttäuscht, sie wurden auf intelligente Art und Weise unterhalten und überrascht. Thorsten Latzel, Direktor der evangelischen Akademie, sprach von einem vollen Erfolg und kündigte an, dass dieser nicht der letzte Science Slam in der Frankfurter evangelischen Akademie bleiben werde.