Synodenpräses Irmgard Schwaetzer.
Foto: epd-bild / Jürgen Blume
Synodenpräses Irmgard Schwaetzer. Ab Sonntag (12.11.17) tagt das Parlament der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bonn.
Synodenpräses Schwaetzer: Kirche braucht Perspektivwechsel
Von kommenden Sonntag (12.11.2017) an tagt das Parlament der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bonn. Die Synode wird noch einmal auf das Jahr des 500. Reformationsjubiläums zurückblicken. Synodenpräses Irmgard Schwaetzer sprach mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) über Zukunftspläne der Kirche und darüber, welche Themen bei dem viertägigen Treffen noch auf der Tagesordnung stehen.
07.11.2017
epd
Corinna Buschow und Karsten Frerichs

Frau Schwaetzer, am 12. November kommt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bonn zu ihrer Jahrestagung zusammen. Was gibt es im Kirchenparlament zu besprechen?

Irmgard Schwaetzer: Wir haben ein volles Programm, bei dem nach Abschluss des 500. Reformationsjubiläums vor wenigen Tagen das Schwerpunktthema "Zukunft auf gutem Grund" im Mittelpunkt steht. Am Sonntag geht es los mit dem Eröffnungsgottesdienst und Grußworten von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sowie dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.

Erzbischof Woelki gilt mit einem jüngst veröffentlichten Aufsatz, in dem er die Differenzen zwischen katholischer und evangelischer Kirche betont hat, als Bremser in der Ökumene. Werden Sie und die Synode darüber noch weiter mit ihm ins Gespräch kommen?

Schwaetzer: Wir sind gespannt, wie er sich äußert. Eine Aussprache ist nach Grußworten generell nicht vorgesehen. Danach wird es direkt den traditionellen Bericht des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm geben. Wenn es etwas zu kommentieren gibt, wird das sicher geschehen.

"Wir schauen auf Zukunftsperspektiven"

Sehen Sie es als gutes Zeichen, dass Kardinal Woelki Ihrer Einladung nachkommt?

Schwaetzer: Ich nehme es auf jeden Fall als Zeichen dafür, dass er auch an einem Gespräch mit den Protestanten interessiert ist.

Das Festjahr zu 500 Jahren Reformation ist Ende Oktober zu Ende gegangen. Wird die Synode gründlich Bilanz ziehen, wie es der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm angekündigt hat?

Schwaetzer: Es wird auf Zukunftsperspektiven geschaut. Die Synode kann gar nicht alles wahrnehmen, was in dem Jahr alles gelaufen ist - Ausstellungen, Literatur, Veranstaltungen. Das haben für uns 32 Scouts gemacht, und auf ihre Berichte werden wir uns konzentrieren, wissend, dass das nur ein Ausschnitt ist. Es kamen erstaunlich einhellige Rückmeldungen dazu, wie Kirche in der säkularen Gesellschaft in der Zukunft sich verändern muss.

Nämlich wie?

Schwaetzer: Kurz gefasst ist es auf diese Formel zu bringen: neue Formate, neue Orte, Kooperationen, aus den mentalen und gebauten Kirchenmauern hinausgehen zu den Menschen und einen Dialog führen. Wir müssen rauskommen aus der vermeintlich protestantischen Art des Sendens und Empfangens, also des Verkündigens und Zuhörens. Von der Synode soll, so empfehlen es die Scouts, ein Prozess ausgehen, über diese Fragen zu beraten, der dann in die bereits laufenden Veränderungen in den Landeskirchen hineingetragen werden soll. Wir müssen uns stärker auf den Dialog mit der säkularen Gesellschaft konzentrieren.

Wie kann der gelingen?

Schwaetzer: Das braucht ganz offensichtlich eine eigene Herangehensweise. Beim Reformationsjubiläum sind wir mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen, die uns eigentlich fernstehen. Das ist neu. Die Neugier, die wir gespürt haben, müssen wir weiter aufrechterhalten. Da stellen sich - abgeleitet aus den Erkenntnissen der Scouts - vier wesentliche Fragen: Wie können wir Menschen motivieren dabeizubleiben? Welche Kommunikation brauchen wir dafür, und können wir richtig zuhören? Welche ökumenische Einheit wollen wir, und was heißt es für uns, wenn wir mit der katholischen Kirche eine "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" anstreben?

Und schließlich müssen wir all das mit den uns bekannten Herausforderungen zusammenbringen: den abnehmenden Mitgliederzahlen, den perspektivisch zurückgehenden Finanzen und der sehr differenzierten Verbundenheit der Kirchenmitglieder zu ihrer Kirche. Die Synode wird Prioritäten erarbeiten und in einen Prozess einspeisen, in dem der Rat der EKD, die Kirchenkonferenz als Vertretung der Landeskirchen und die Synode Impulse entwickeln, die bis in jede Gemeinde hineinwirken sollen.

"Es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden", lautet der biblische Untertitel des Synoden-Schwerpunktthemas aus dem 1. Johannesbrief (3,2). Hat die EKD keine Zukunftsvision?

Schwaetzer: Natürlich haben wir die. Wir wollen einen Aufbruch, der natürlich nicht ohne weiteres vergleichbar ist mit dem vor 500 Jahren, der aber dringend notwendig ist. Wir brauchen einen Perspektivwechsel auf Grundlage der vier Leitfragen. Das wird keine leichte Aufgabe.

"Wir können uns schon fragen, was wir auf evangelischer Seite ändern sollen"

Braucht es einen neuen Impuls wie das 2006 von der EKD vorgelegte Papier "Kirche der Freiheit", um Reformen voranzutreiben?

Schwaetzer: Die Diskussion um "Kirche der Freiheit" hat deutlich gemacht, dass wir versuchen müssen, viele mitzunehmen, wenn wir etwas verändern wollen. Deswegen wollen wir eben nicht ein Thesenpapier herausbringen, sondern einen Prozess anstoßen und Fragen stellen statt schon Antworten zu geben. Das geht am Ende alle evangelischen Christinnen und Christen in Deutschland etwas an und alle Ebenen dieser Kirche bis hin zur einzelnen Gemeinde.

Wie wird die Synode auf das Thema Ökumene blicken? Erhoffte konkrete Fortschritte in Richtung eines gemeinsamen Abendmahls sind trotz Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken ausgeblieben. 

Schwaetzer: Es wird sicher thematisiert, dass wir uns einen solchen Schritt in Richtung einer gemeinsamen Eucharistiefeier zumindest bei Ehepaaren mit unterschiedlichen Konfessionen gewünscht hätten. Das gibt uns auch Gelegenheit, noch einmal genau darauf zu schauen, was die Katholiken eigentlich an uns stört. Unsere Ordinationspraxis, wie sie in manchen Landeskirchen herrscht, oder unser Umgang mit den Elementen des Abendmahls wird auch bei ökumenisch sehr wohl gesonnenen Katholiken mit Erstaunen gesehen. Da können wir uns schon fragen, was wir auf evangelischer Seite ändern sollten.

An welchen Punkten können Sie die Kritik der Katholiken am ehesten nachvollziehen?

Schwaetzer: Beim Umgang mit den Elementen ist das der Fall. Wir haben eine grundsätzlich andere Auffassung zu dem, was heilig ist. Trotzdem ist die Frage von Respekt und Ehrfurcht etwas, worüber wir nachdenken könnten.

Der EKD-Ratsvorsitzende kann Ministranten, wie es sie in katholischen Gemeinden gibt, auch für evangelische Gottesdienste etwas abgewinnen. Teilen Sie seine Meinung?

Schwaetzer: Warum sollten Jugendliche nicht in evangelischen Gottesdiensten mitwirken? Bestimmte Formen und die damit verbundene liturgische Qualität werden aber wahrscheinlich eher nicht von der evangelischen Kirche übernommen.

Zeitgleich zur Synode kommt in Bonn die UN-Klimakonferenz zusammen. Wird Sie das Thema - traditionell auch ein großes für die Kirchen - beschäftigen?

Schwaetzer: Klimaschutz beschäftigt die Synode regelmäßig. Das zeigt sich schon daran, dass der Klimabericht der EKD immer im Plenum vorgetragen und nicht nur schriftlich abgegeben wird. In Bonn kommt hinzu, dass wir die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für den Eröffnungstag zu einem Grußwort erwarten. Und am Dienstag wird ein Konferenzteilnehmer, der Generalsekretär der Tuvalu Christian Church, Reverend Tafue Molu Lusama, von der Situation seiner Kirche auf der Pazifikinsel berichten.

Was steht sonst noch auf der Tagesordnung? 

Schwaetzer: Unter anderem wird uns der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms von den vielfältigen Aktivitäten in der evangelischen Friedensarbeit berichten. 2019 sollen diese Aktivitäten von der Synode ausgewertet werden und sie wird über eine Verknüpfung beraten. Ein weiteres Thema ist die digitale Kommunikation in Fortführung des Synodenschwerpunktes von 2014. Und die Frage, wie mehr Frauen in leitende Positionen in der evangelischen Kirche gelangen können, wird uns beschäftigen, wenn wir über Ergebnisse einer Studie mit dem Titel "Kirche in Vielfalt führen" beraten.