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TV-Tipp: "Trugspur - Der Usedom-Krimi" (ARD)
26.10., ARD, 20.15 Uhr: "Trugspur - Der Usedom-Krimi"
Nach "Engelmacher", dem bislang einzigen Ausreißer der ansonsten durchweg sehenswerten "Usedom-Krimis", ist "Trugspur" der zweite Film, den Jochen Alexander Freydank beisteuert. Seine Inszenierung wirkt insgesamt gefälliger als die früheren Episoden, nimmt der Reihe damit aber die Kantigkeit, die sie aus den vielen Krimireihen herausragen ließ.

Als die Polizei ein illegales Autorennen beendet, machen sich die Teilnehmer eilends aus dem Staub. Auf der Flucht überfährt ein junger Mann einen Spaziergänger. Kurz drauf wird Karin Lossow (Katrin Sass) mit ihrem Auto ebenfalls Opfer eines Verkehrsrowdys. Als sie wieder zu sich kommt, ist der kleine Sohn einer Freundin, den sie für ein paar Tage zu sich genommen hat, verschwunden. Es spricht viel dafür, dass der Fluchtfahrer auf dem Weg zu seiner polnischen Werkstatt auch den Wagen der ehemaligen Staatsanwältin in den Graben gedrängt hat. Aber warum sollte er den Jungen entführen? Und wo ist das Kind?

In fast allen ARD-Krimireihen mit horizontaler Erzählebene ist der Fortsetzungsanteil spannender und reizvoller als der jeweils aktuelle Fall. Der "Usedom-Krimi" ist in dieser Hinsicht eine wohltuende Ausnahme. Das einzige Mal, bei dem die Verantwortlichen von ihrer Linie abgewichen sind, ging prompt nach hinten los: Der dritte Film, "Engelmacher", war deutlich weniger sehenswert als die ersten Teile. Regie hatte wie nun auch bei "Trugspur" (Nummer fünf) Jochen Alexander Freydank geführt. Sämtliche Drehbücher waren vom gleichen Autorentrio (Scarlett Kleint, Alfred Roesler-Kleint, Michael Vershinin), auch bei Produktion und Redaktion hat es keine Wechsel gegeben. Trotzdem lässt sich von außen kaum beurteilen, wie groß Freydanks Anteil daran war, dass "Engelmacher" nicht an die Qualität der Vorgänger anknüpfen konnte. Aber es fällt auf, dass "Trugspur" gefälliger wirkt als zuletzt "Nebelwand" vom Regiekollegen Andreas Herzog; Freydanks Film ist weniger kantig, mehr familientauglich. Und während die bisherigen Regisseure dafür gesorgt haben, dass die Usedombilder unwirtlich und wenig touristisch waren, gibt es bei Freydank stimmungsvolle Sonnenuntergänge, die auch aus einem Sonntagsfilm im ZDF stammen könnten. Die Aufnahme des Drachens, mit dem der verschwundene Junge anfangs über den Strand getollt ist und der nun vergessen im Sand liegt, ist zwar immer noch besser als das Klischee der sacht im Wind quietschenden verwaisten Schaukel, aber ebenfalls nicht gerade subtil. "Trugspur" ragt daher längst nicht in vergleichbarem Maß aus dem Krimiüberangebot heraus wie die Arbeiten von Herzog, der auch den Auftakt ("Mörderhus", 2014) inszeniert hat. Gewohnt gut ist dagegen die hintergründige Musik von Colin Towns, die auch den harmlosen Bildern eine zweite Ebene verleiht.

Immerhin ist der aktuelle Fall für Hauptkommissarin Thiel (Lisa Maria Potthoff) interessant; schon allein das unterscheidet diesen "Usedom-Krimi" deutlich etwa von den "Bozen-Krimis", in denen die in sich abgeschlossenen Geschichten jedes Mal weitaus reizloser sind als die horizontal erzählte Handlung. Mit dem illegalen Wettrennen greift das Drehbuch zudem ein aktuelles Thema auf. Umso irrelevanter ist das Geplänkel des Staatsanwalts, der sich über ein Datingportal mit einer Frau verabredet hat und vergeblich versucht, die Dame mit selbstgestrickten Haikus zu beeindrucken. Das ist zwar ganz amüsant, wirkt jedoch, als sei irgendwem eingefallen, dass Max Hopp noch mal eine größere Szene bräuchte. Ungleich schräger ist eine weitere Einlage Hopps, als der Staatsanwalt in der Uniform eines Traumschiffkapitäns am Strand auftritt, zu singen beginnt und Thiel schließlich auffordert, reinen Tisch zu machen. Auch wenn sich das Ganze als Traum der Kommissarin entpuppt, so bereichert es die Reihe doch um ein ungewohntes Element. Etwas zu kurz kommen dagegen die seelischen Nöte von Karin Lossow, die sich natürlich immense Vorwürfe macht, dass ihr das anvertraute Kind abhanden gekommen ist. Sehr schlüssig ist dagegen die Verbindung zu "Nebelwand". Zwischen den beiden Handlungen liegt ein halbes Jahr, der Prozess gegen Simone (Lena Urzendowsky) steht an. Das Mädchen hat einen Brandanschlag gestanden, den in Wirklichkeit ein Freund begangen hatte; und ausgerechnet Thiels Tochter (Emma Bading) hat ihm dabei geholfen. Weil Sophie nicht damit leben kann, dass Simone unschuldig ins Gefängnis geht, will sie vor Gericht die Wahrheit sagen. Ihre Mutter sieht nur einen Ausweg aus dem Dilemma, aber der kostet sie einen hohen Preis.

In einem Punkt knüpft die Geschichte allerdings nicht an den letzten Film an: "Nebelwand" endet damit, dass Lossow der beim Brand schwer verletzten Obdachlosen Steffi (Hildegard Schroedter) jene 100.000 Euro überlässt, mit dem das Schweigen ihres Mannes erkauft worden war. Offenbar hat Steffi das schon wieder vergessen; oder sie macht es wie die klugen Lottogewinner und hält an ihrem gewohnten Leben fest. In einer clever aufgelösten Szene, die fast alle Beteiligten zufällig auf der Straße zusammenführt, verkauft sie weiterhin die Obdachlosenzeitung. Seltsam auch, dass Simone von einem "Promi-Anwalt" (Max Urlacher) vertreten wird; wie sich das mittellose Mädchen den teuren Verteidiger leisten kann, lässt das Autorentrio offen. Umso gelungener ist der verblüffende Schlusspunkt, der mit Erfolg die Neugier auf die Fortsetzung schürt.