Sie hetzen vom Job, zur Kita, in die Schule und dann nach Haus, am Abend wartet der Haushalt, die Kinder wollen versorgt werden. Der Spagat zwischen Familie und Arbeit setzt vor allem Mütter unter Druck. Wie das Müttergenesungswerk am Dienstag in Berlin mitteilte, nahmen im vergangenen Jahr rund 49.000 Mütter und etwa 71.000 Kinder eine Kur in Anspruch. Zudem nahmen 1.600 Väter an spezifischen Maßnahmen teil. Allerdings geht das Werk von deutlich mehr kurbedürftigen Eltern aus.
Die Gründe, warum Mütter und Väter eine Kur beantragen, sind vielfältig. Weit mehr als 70 Prozent der Befragten belastet der ständige Zeitdruck im Alltag. An zweiter Stelle stehen berufliche Anforderungen, dann erst folgen Erziehungsschwierigkeiten oder finanzielle Probleme. Rund 87 Prozent derjenigen, die an einer Kur teilnehmen, leiden unter Erschöpfungszuständen bis zum Burn-out. Symptome zuvor sind Schlafstörungen, Allergien, Migräne, Magen-Darm-Beschwerden und Herz-Kreislauferkrankungen.
Nach den Worten der Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, Anne Schilling, sind alle Frauen betroffen, besonders jedoch Alleinerziehende und Mütter in Familien mit mehr als drei Kindern. Obwohl sich Familienbilder wandeln, seien es noch immer vor allem Frauen, die die Kinderziehung, den Haushalt und die Pflege von Angehörigen erledigen.
"Es fehlt Wertschätzung"
Die Schirmherrschaft für das Müttergenesungswerk hat Elke Büdenbender inne. "Es fehlt an gesellschaftlicher Wertschätzung und oftmals am eigenen Selbstwertgefühl", sagte Büdenbender bei der Vorstellung des Berichts. Sie betonte vor allem den nachhaltigen Effekt solcher Kuren. Die Mütter würden erkennen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Die Therapieangebote für Mütter und Väter während der Kur beziehen konkret auch den Alltag und Strategien ein, wie Eltern besser mit Stress und Belastung umgehen können.
Problem ist nach wie vor die Bewilligung von solchen Unterstützungsmaßnahmen. Nach Ansicht der Experten des Müttergenesungswerks stellen Mütter und auch Väter erst dann einen Kurantrag, wenn ihre Belastungsgrenze längst erreicht ist. Hürden im Verfahren würde viele abhalten, einen Antrag einzureichen. Der Zugang könnte aber durch ein bundesweites einheitliches Attestformular deutlich erhöht werden, empfiehlt das Hilfswerk.
Geringe Ablehnungsquote
Die Ablehnungsquote bei den Anträgen liegt bei 12 Prozent. Allerdings sind zwei Drittel aller Widersprüche gegen die Ablehnungen erfolgreich, heißt es. Geschäftsführerin Schilling sieht darin einen Hinweis für die hohe Zahl an Fehlentscheidungen der Krankenkassen.
Um die Antragszahlen zu erhöhen, setzt das Müttergenesungswerk zudem auf mehr Beratungsstellen. Rund 1.200 Stellen unterstützen jedes Jahr etwa 130.000 Mütter und Väter bei ihren Kuranträgen. Vor zehn Jahren waren es noch 1.400 Stellen. Der Rückgang hängt unter anderem mit der fehlenden öffentlichen Finanzierung für die Beratungsstellen zusammen. Die Kuratoriumsvorsitzende des Müttergenesungswerks, Kirsten Soyke, sprach sich für eine gesetzliche Sicherung der Beratung in Deutschland aus.