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Wie soll er sein, der vorbildliche Mann?
Große Helden in Not: Das "Vorbild Mann" ist in der Krise
Macho geht nicht, Weichei auch nicht. Doch wie soll er sein, der vorbildliche Mann? Perfekte Idole seien da gar nicht gefragt, sagen Praktiker in der Jugendarbeit und Experten. Auf Typen kommt es an. Echte Typen.
09.05.2013
epd
Dieter Sell

Geschafft! Sieben Tage waren Väter mit ihren Söhnen auf zwei selbst gebauten Flößen unterwegs. Nach 175 Kilometern auf Aller und Weser ist Diakon Dieter Niermann mit seiner Gruppe in Bremen angekommen. "Wir haben auf engstem Raum die Langsamkeit entdeckt", sagt der 44jährige Sozialpädagoge. Ein einfaches Leben, eine Gemeinschaft, in der die Jungs vorbildliche Männer erleben konnten: Väter mit Stärken und Schwächen, Männer, die füreinander einstehen.

Touren wie diese hat Niermann schon öfter für die evangelische St.-Martini-Gemeinde in Bremen-Lesum organisiert. Immer geht es dabei um Gemeinschaft. Im Team wird gekocht, miteinander der Alltag organisiert, auch mal gerangelt. "Hier sind nicht die stereotypen Männer-Bilder aus den Medien gefragt, nicht die sportlich-attraktiven Kerle, die immer erfolgreich sind. Hier kommt es auf die Vielfalt an", sagt Niermann.

Doch das "Vorbild Mann" ist in der Krise, die großen Helden sind in Not, sagt der Kölner Buchautor, Soziologe und Männerforscher Thomas Gesterkamp. Integre Persönlichkeiten, die als Identifikationsfigur dienten und Orientierung geben könnten, seien auch in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft selten. Einst wertgeschätzte männliche Rollen würden infrage gestellt, abgewertet oder gar für überflüssig erklärt. Ob es da nun um den Ernährer, um den Beschützer oder den Bestimmer geht - nichts gilt mehr so wie früher.

Vorbildliche Männer

Wie soll er also sein, der vorbildliche Mann? Irgendwie ein Typ zwischen Mahatma Gandhi, Albert Einstein, Steve Jobs, Mrs. Doubtfire und Arnold Schwarzenegger? "Nicht zu viel Weichei und nicht zu wenig Macho, aber auch nicht zu viel Macho und zu wenig Weichei", sagt Gerd Kiefer, theologischer Vorsitzender der Männerarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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Zuletzt waren es Prominente wie Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der ehemalige italienische Regierungschef Silvio Berlusconi und Banker Josef Ackermann, die das Männerbild formten. Wulff auf seinen Vorteil bedacht, Berlusconi auf seinen "Bunga-Bunga-Partys" gockelhaft und sexistisch, schließlich Ackermann, der symbolhaft für den ungezügelten Finanzkapitalismus steht.

Klar, den perfekten Mann gibt es nicht. "Was mit dem Etikett Vorbild empfohlen wird, ist die Untadeligkeit, die Gebotstreue, die Verkörperung des Idealen, sozusagen hundert Punkte", sagt der hannoversche Landespastor für Männerarbeit, Henning Busse. "Aber real existierende Menschen sind nie der Idealzustand."

"Die Jungs brauchen Bezugspersonen"

Aber ein Beispiel geben können sie doch. Wie Dieter Niermann und die Männer, die auf den Flößen füreinander Verantwortung übernehmen. Oder wie Andreas Richter, der die Fußballer einer Jugendspielgemeinschaft betreut. "Als Trainer möchte ich meinen Jungs Pünktlichkeit, Disziplin und Teamgeist im Sieg wie in der Niederlage vorleben", sagt er. Idole seien da gar nicht gefragt. "Die Jungs brauchen Bezugspersonen, Typen, die du anfassen und vor allem ansprechen kannst."

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Die Hauptsache ist dabei für Richter wie für Niermann das gemeinsame Erlebnis, der Spaß, ein authentischer Mann zu sein. "Die große Herausforderung besteht darin, mit Unvollkommenheit verantwortungsvoll umzugehen", sagt Gerd Kiefer. "Vorbilder können das. Möglicherweise nehmen sie sich nicht ganz so ernst, können Fehler eingestehen und auch mal über sich selbst lachen."

"Vorbilder sind keine Idole", sagt auch der Hannoveraner Henning Busse. "Ein Vorbild, das ist jemand, der mich beeinflusst hat auf dem Weg zu werden, was ich bis heute geworden bin." Und dafür ist auch Zeit nötig. Zeit, um gemeinsam Fußball zu spielen. Oder um ein Floß zu bauen.