Zweite große Stärke dieses vierten Films aus der Sylter Krimireihe "Nord Nord Mord", eine Wiederholung aus dem letzten Jahr, ist das Drehbuch von Berno Kürten. Dabei ist die Geschichte gar nicht mal sonderlich originell. Erst wird ein Koch ermordet, dann eine Frau entführt, und es scheint offenkundig, dass der Täter in beiden Fällen der gleiche ist, zumal Josef Wenzel, Chef des Toten und Ehemann der Frau (Nadeshda Brennicke), von Axel Milberg verkörpert wird. Der legt den eifersüchtigen Restaurantbesitzer exakt so an, wie Gaststars im Reihenkrimi Verdächtige zu spielen pflegen: jovial, freundlich, leutselig; aber auch mit angedeuteter Abgründigkeit. Dass am Ende alles ganz anders kommt, ist zwar überraschend, wirkt aber auch wie aus dem Hut gezaubert und wirft einige Fragen auf, die trotz wortreicher Schlusserklärung nicht beantwortet werden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das ist es schade, denn bis dahin gelingt es Kürten und Regisseur Anno Saul, der auch die beiden letzten Clüver-Krimis inszeniert hat, die Handlung weitgehend plausibel zu gestalten, selbst wenn einige Konstruktionen etwas abenteuerlich anmuten. Bestes Beispiel dafür ist die Lösegeldübergabe auf dem Meer, bei der die Polizei nach Strich und Faden reingelegt wird: Wenzel soll die Tasche mit dem Geld an einer Boje befestigen. Später ist die Tasche noch da, aber das Geld ist weg. "Taucher!", schlussfolgern die Ermittler messerscharf, anstatt auf die naheliegende Lösung zu kommen. Trotzdem ist das Trio Robert Atzorn, Oliver Wnuk und Julia Brendler ein weiterer Grund, "Clüver und der tote Koch" zu empfehlen. Gerade Wnuk gelingen in der Rolle des zugereisten Rostockers Feldmann, in der er ein breites Spektrum zwischen "nassforscher Besserwisser" und "armes Würstchen" beackern darf, einige schöne komödiantische Einlagen. Beste Clownschule ist beispielsweise eine witzige Slapstickszene, als Feldmann von Wenzel mit buchstäblich heruntergelassener Hose erwischt und übertölpelt wird. Sehr hübsch sind auch die Dialoge zwischen Feldmann und einer osteuropäischen Animierdame (Tatjana Velimirov), die ihn nur deshalb mit Informationen versorgt, weil er verspricht, sie seinen Eltern vorzustellen. Noch besser sind bloß die kleinen Verbalscharmützel zwischen Feldmann und seiner etwas boshaften Kollegin Behrendsen. Auch für den von Waldemar Kobus im Wortsinne verkörperten uniformierten Vierten im Bunde hat sich Kürten einige Heiterkeiten ausgedacht: Mal kippt der korpulente Polizist vom Rennrad, weil er die Füße nicht aus den Pedalen kriegt, mal verursacht er einen Koitus interruptus, als er in einem VW-Bus verdächtige Bewegungen wahrnimmt. Im Grunde sind Wnuk, Brendler und Kobus fast sehenswerter als die beiden alten Hasen Atzorn und Milberg, deren Figureninterpretation wenig überraschend ist.
Das gilt auch für Inszenierung und Bildgestaltung, selbst wenn Kameramann Moritz Anton die meteorologische und landschaftliche Vielfalt der Insel vom prachtvollen Sonnenuntergang bis zum stürmischen Schmuddelwetter in eindrucksvollen Bildern einfängt. Selbst beim Finale, als das Trio eine Flucht per Flugzeug vereiteln will, hält sich die Spannung in Grenzen, aber der Comedy-Faktor gleicht das Manko wieder aus. Die nächste Premiere aus der Reihe zeigt das ZDF am 20. September.