Gott ist auch auf der Gamescom. Zumindest dem Namen nach: "God‘s Trigger", der Abzug Gottes, leuchtet weiß auf rot über der Bar "Zum gefallenen Engel". In Halle 8, gleich hinter "World of Tanks", wirbt die Bar aus Holz und Neon für das neue Spiel. Das Apostroph von "God‘s Trigger" ist ein kleines Kreuz. Hinter den Plexiglasscheiben kann man Bier trinken und das Spiel antesten, die USK-Freigabe ist blau, ab 16.
Ein Engel und ein Dämon retten in dem Twin-Stick-Shooter gemeinsam die Welt vor den vier Reitern der Apokalypse. Ein religiöses Ziel verfolgen die Entwickler mit "God‘s Trigger" aber nicht, erklärt mir Radoslaw Ratusznik, Mitgründer des polnischen Studios One More Level. Die christliche Folie, der sich die Macher bedienen, sieht er aber als Gegensatz zu den nordischen Mythologien, die in Videospielen oft herangezogen werden, wenn eine Religion vorkommen soll.
Zwischen den Hallen hängt von der Messedecke eine ganz andere Werbung: "Willst du ein Gott sein?" fragt das Plakat für "The Universim". Die Idee, Spieler in die Rolle eines Gottes zu stecken, der das Leben ganzer Zivilisationen beeinflussen kann, ist fast so alt wie es Videospiele gibt. Unbegrenzte Macht über Leben und Tod, Entwicklung und Verderben künstlicher Zivilisationen übt mindestens seit Populous (1989) schon seinen Reiz aus. "The Universim" beginnt mit zwei Wesen, Adahy und Elu, allein auf dem Planeten – die Anklänge sind klar. Allerdings können Spieler nur Einfluss auf die Menschen nehmen, nicht auf den Rest der Welt: Überschwemmungen und Tornados überraschen in "Universim" auch den Gott-Spieler.
Hinter zwei Stunden Wartezeit hören Gamescom-Besucher ganz andere christlich-religiöse Töne, nämlich in Far Cry 5. Denn das Action-Spiel reist in der nächsten Fortsetzung in die ländlichen USA. "Hope County" haben die Ubisoft-Entwickler ihre fiktive Gegend getauft, in der ein militanter Endzeit-Prediger mit einem bewaffneten Kult die Macht übernommen hat. Das muss der oder die Spieler*in natürlich zurückdrehen, ebenso wieder mit Gewalt. In der Gamescom-Demo kann man Pastor Jerome Jeffries treffen, der mit kugelsicherer Weste und Schrotflinte seine Kirche bewacht. Die meisten seiner Gemeindeglieder haben sich dem radikalen Prediger namens Joseph Seed angeschlossen. Jeffries sehe die Anzeichen für das kommende Weltenende nicht, wirft ihm Prediger Seed vor, und könne seine Schäfchen nicht schützen.
Wie groß die Rolle ist, die dieser Teil der Geschichte von Far Cry 5 letztlich spielt, ist jetzt noch nicht absehbar. Sicher ist aber, dass Ubisoft die christlich-religiösen Motive ganz bewusst einsetzt. Auf dem Ankündigungsplakat des Spiels stellen Seed und seine Kämpfer das Letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci nach. Auf ihrem Tisch liegt eine Bibel auf einer amerikanischen Flagge, vor ihnen kniet ein Mensch, die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden. Auf seinen nackten Schultern ist das Wort "Sünder" eingeritzt. Auf der offiziellen Webseite von Far Cry 5 winkt eine Hand mit einer Bibel, dazu die Aufforderung: "Sei an diesem gesegneten Tag dabei!"
Neben den fiktiven Radikalen aus Far Cry 5 kann man auf der Gamescom aber auch echte Christen treffen. Bei denen geht es wesentlich friedlicher zu. Die Evangelische Jugend Köln hat im Bereich "Family & Friends" eine analoge Oase aufgebaut: Balancier-Bretter, Bungee-Running, ein menschlicher Tischkicker. "Wir zeigen die Jugendarbeit der Evangelischen Jugend in Köln und Umgebung nicht anhand von irgendwelchen Rollups und Postern, sondern während wir sie tun", erklärt Jugendbildungsreferent Daniel Drewes. 60 Jugendliche teilen sich die Betreuungsschichten am Stand und können sich im Gegenzug die Gamescom anschauen. Das Jugendpfarramt hofft, dass die Aktion auf der Gamescom den jungen Besucher*innen im Gedächtnis bleibt: Wenn sie anderswo von evangelischen Freizeiten und Aktionen hören, gibt das vielleicht den Ausschlag, dann auch mitzumachen.
Viel mehr Gott und Christenheit ist 2017 nicht zu finden. Die Gamechurch, ein Verein christlicher Gamer, ist diesmal nicht auf der Gamescom vertreten. 2014 hatten sie hier erstmals ihre kleinen Büchlein "Jesus for the win" verteilt. Es ist das Johannes-Evangelium, ergänzt durch kleine erläuternde Abschnitte, den "Strategy Guide" für's Leben. Das Layout ist modern, die Botschaft schon 2000 Jahre in der Welt. Ob das nächstes Jahr wieder klappt? Daniel Schmidt, Vertreter der deutschen Gamechurch, erzählt am Telefon, dass die drei Projekte der deutschen Gamechurch für das kleine Team aus Ehrenamtlichen im Moment nicht zu schaffen sind: der Stand auf der Gamescom, die Gaming-Lounge in Lemgo und eine christliche Online-Gaming-Community.
"Wir sind vor drei Jahren damit gestartet, die Menschen in der Kultur, die wir so lieben, mit der Liebe Gottes zu erreichen", beschreibt Daniel das Ziel der Gamechurch. Die Gruppe wächst, und mit neuer Energie wollen sie im kommenden Jahr auch wieder in Köln dabei sein. Dann lässt sich wieder ein bisschen mehr Gott auf der Gamescom suchen und finden.