Aber es gibt Parallelen, und die beschränken sich nicht auf die Mitwirkung von Katja Riemann und Nicolette Krebitz sowie die Tatsache, dass Musik eine große Rolle spielt: 1990 waren Karla, Sascha und Alice die Mädchenband ChiX. Dass sie nach so langer Zeit ernsthaft über ein Comeback nachdenken, hat Gründe, die aus der Komödie immer wieder eine Tragödie machen. Streng genommen ist schon der Einstieg in die Geschichte nicht lustig, aber Jan Ruzicka inszeniert auch die dramatischen Momente auf eine Weise, die die Traurigkeit erst im Nachgeschmack entfaltet: Karla (Katja Riemann) erfährt von ihrem Frauenarzt, dass ihre ausgebliebene Periode nicht etwa auf die seit vielen Jahren vergeblich erhoffte Schwangerschaft, sondern auf die beginnende Menopause zurückzuführen ist. Dass sie dann im Wartezimmer unerwartet auf ihren Mann Max (Thomas Huber) trifft, hat zwar mit dessen Fürsorge zu tun, aber die gilt nicht etwa Karla, sondern seiner blutjungen Freundin Melody (Sinje Irslinger): Karla wird nicht Mutter, aber Max wird Vater. Kein Wunder, dass sie kein Ohr für ihre Freundin Sascha (Nicolette Krebitz) hat, als die ihr endlich erzählen will, warum sie schon so lange so schlecht aussieht und immer dünner wird: Ihr ist gerade eine Brust entfernt worden, und es wird nicht mehr lange dauern, dann ist auch der Rest von ihr weg.
Dritte im Bunde ist Alice (Sophie von Kessel), und zumindest bei ihr scheint alles im Lot: Alice ist Model, reist durch die Welt und verdient eine Menge Geld, während sich Ehemann Hans (Martin Lindow) um Haus und Kinder kümmert. Erst nach und nach gibt das klug strukturierte Drehbuch von Hardi Sturm (nach einer Idee von Iris Kobler und Michael Gärtner) preis, dass der schöne Schein trügt. Über die Handlung und das tolle Trio hinaus liegt der Reiz der Geschichte ohnehin darin, dass sie nicht alles vor sich herträgt. Vieles wird zunächst bloß angedeutet, manches ergibt sich nebenbei. Das gilt vor allem für die Beziehungen zwischen den drei Frauen, denn Karla und Alice sind Schwestern, die bei jeder Begegnung wie Feuer und Wasser reagieren, weil sie sich ihr Leben lang gegenseitig beneidet haben; und weil Alice vor zehn Jahren mal was mit Max hatte.
Katalysator der Handlung ist natürlich Saschas Krankheit, aber entscheidend für die Chemie zwischen den drei Frauen ist Paul, Saschas 15jähriger Sohn, der keine Ahnung hat, wer sein Vater ist. Außer der gemeinsamen Vergangenheit verbindet die Frauen nicht mehr viel miteinander, doch die Sorge um den Jungen schweißt sie womöglich stärker zusammen als ihre Freundschaft, die im Grunde nur noch theoretischer Natur ist; Internatsschüler Paul hat keine Ahnung von der Krankheit seiner Mutter, die seine Volljährigkeit definitiv nicht erleben wird. Damian Hardung spielt das vorzüglich, zumal er einige emotionale Szenen hat, die für Jungs in diesem Alter echte Herausforderungen darstellen. Ruzicka ist als großartiger Regisseur für Schauspielerinnen bekannt, aber er hat schon öfter gezeigt, dass er auch den Nachwuchs sicher zu führen weiß. Fast noch wichtiger für die Wirkung von "Freundinnen" ist seine Fähigkeit, das Schwere so leicht erscheinen zu lassen. Viele Szenen rühren zu Tränen, und das gilt nicht bloß für die wehmütigen Momente, doch Ruzicka bleibt seiner Linie treu und behält den scheinbar heiteren Tonfall bei.
Auch wenn "Freundinnen" kein Musikfilm ist, so ist die Musik dennoch mehr als bloß Mittel zum Zweck, erst recht, als die drei Freundinnen den Plan für einen ersten Auftritt schmieden, und so steuert die Geschichte schließlich auf ihren Höhepunkt zu. Das Comeback soll im Rahmen eines Talentprobeabends im Club "New York" stattfinden, die Stimmung ist aufgeheizt, die Leute sind offenbar nur da, um die Amateure von der Bühne zu buhen; und dann bescheren Ruzicka und Sturm ihrem Trio einen gänsehautreifen Abgang und Sascha einen weiteren Höhepunkt, denn es ist mehr als nur ein Besetzungsgag, dass der Besitzer des "New York" von keinem geringeren als Ben Becker verkörpert wird. Ein würdiges Finale für einen auch dank der vorzüglichen Bildgestaltung (Gunnar Fuß) großen Film, zumal der von Jan Lehmann komponierte Song, den Katja Riemann, Nicolette Krebitz und Sophie von Kessel darbieten, ähnlich ins Ohr geht wie weiland "Catch Me" aus "Bandits"; auch die sanfte restliche Filmmusik (Verena Marisa Schmidt) ist sehr schön. Krebitz ist für ihre Leistung als Sascha 2016 für den Deutschen Schauspielerpreis nominiert worden.