Schulen geben am Freitag schulfrei, Unternehmen gewähren Sonderurlaub - und am Sonntag dürfen alle umsonst ins Museum: Am Wochenende des 7. und 8. Juli ist der Hamburger Alltag auf den Kopf gestellt. Grund: Der prominente Besuch der mächtigsten Staats- und Regierungschefs, die sich zum G20-Gipfel treffen. In ihrem Gefolge rechnet die Polizei mit Zehntausenden Demonstranten. Darunter sind aggressive Gäste aus dem In- und Ausland - meist schwarz gekleidete junge Männer, die das Besuchsprogramm empfindlich stören wollen.
Normale Touristen sollten Hamburg an diesem Wochenende meiden. Falls sie überhaupt noch ein Hotelzimmer ergattern, müssen sie meist drastisch draufzahlen. Russlands Staatspräsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan wollen in der City übernachten. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zieht es ins Schanzenviertel, dem Zentrum der Protestbewegung.
Der ungeliebte US-Präsident Donald Trump darf im idyllisch gelegenen Gästehaus des Senats an der Außenalster übernachten. "Schwiegermüttern und US-Präsidenten" müsse man das Gästezimmer anbieten, kommentierte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) das Angebot.
G20-Gipfel versetzt Hamburg in den Ausnahmezustand
Unklar ist allerdings, wo die G20-Kritiker übernachten sollen. Das geplante Protestcamp im Stadtpark für 10.000 Besucher wurde vom Oberverwaltungsgericht auf Ersuchen der Stadt verboten. Die Veranstalter haben dagegen Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Unklar ist auch, unter welchen Brücken die Obdachlosen schlafen dürfen.
Rund 30 Demonstrationen sind rund um den Gipfel angemeldet - die bislang höchste Demo-Dichte in Hamburg. Rund 15.000 Polizisten sollen den G20-Gipfel sichern - ebenfalls Rekord für Hamburg. Geplant sind Mahnwachen gegen Trump, die Politik Chinas, die Diskriminierung Homosexueller und die Repressionen in Kaschmir. Politisch und rechtlich umstritten ist eine 38 Quadratkilometer große Demo-Verbotszone an beiden Gipfel-Tagen, die von der südlichen Altstadt bis zum Flughafen reicht. Die kleinste G20-Demo wird im Miniaturwunderland stattfinden: Die Figuren zeigen Sprechblasen mit Wünschen für eine bessere Welt.
Ob und wo es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten kommen wird, ist derzeit noch völlig offen. Am wahrscheinlichsten ist es am Donnerstag (6. Juli), wenn antikapitalistische und autonome Gruppen unter dem Motto "Welcome to hell" am frühen Abend am Fischmarkt starten. Unklar ist noch, wie sich die Nachttanz-Demo am Vortag an den Landungsbrücken entwickeln wird.
Am ersten G20-Sitzungstag (7. Juli) wollen sich vier Demo-Züge in Richtung Hafen aufmachen, um die Zufahrten zu sperren. Tagsüber sind Blockaden rund um den Tagungsort des G20-Gipfels angekündigt. Am Abend heißt es auf St. Pauli "G20 entern - Kapitalismus versenken".
Im Süden hat die Stadt eine Gefangenensammelstelle eingerichtet, kurz "Gesa" genannt. In dem ehemaligen Flüchtlingsheim können bis zu 400 Menschen festgehalten und erkennungsdienstlich behandelt werden. 140 Staatsanwälte sind hier rund um die Uhr im Einsatz. Direkt daneben hat das Amtsgericht eine Außenstelle eingerichtet, um über eine Untersuchungshaft zu entscheiden.
Die beiden größten Demo-Züge werden am Samstag, dem zweiten Gipfel-Tag, erwartet. Unter dem Motto "Grenzenlose Solidarität statt G20" rufen Attac, Linke und Kurden zur Demo auf. Über den Verlauf wird derzeit noch gestritten. Die Schätzungen der Teilnehmerzahlen schwanken zwischen 30.000 und 150.000. Ob es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, ist noch offen.
Hanseatisch gesittet soll es dagegen bei "Hamburg zeigt Haltung" zugehen. Angekündigt haben sich Bischöfin Kirsten Fehrs, Erzbischof Stefan Heße und Altbürgermeister Ole von Beust (CDU). Das Bündnis rechnet mit 10.000 Demo-Teilnehmern. Kinder und Gehbehinderte sind ausdrücklich eingeladen.
Auch Hamburgs Kultur widmet sich dem G20-Gipfel: 1.000 Aktivisten in Lehmkleidung wollen als Zeichen der Solidarität schweigend durch die Straßen ziehen. Am Vorabend des Gipfels spielen Coldplay, Andreas Bourani, Herbert Grönemeyer und Shakira in der Barclaycard-Arena umsonst gegen weltweite Armut. Kirchliche Posaunenchöre blasen in Sichtweite der Elbphilharmonie für den Frieden. Zum Ende des G20-Gipfels veranstaltet die St. Johannis-Gemeinde in Harvestehude dann ein Sommerkonzert für alle Hamburger, "die genug haben vom Hype um den Gipfel".