Eine unserer Aufgaben als Christen ist, die Welt ein bisschen besser zu machen. Die Friedensbewegung, die Entwicklungspartnerschaften, die Flüchtlingshilfe entstammen alle aus dem Wunsch, ein gutes Leben für alle Menschen auf diesem Erdball zu ermöglichen. Das ist in diesen Tagen ein bisschen aus der Mode gekommen, in denen wir mehr darüber reden, ob wir das schaffen können, als darüber, dass wir das schaffen wollen.
Heute allerdings hat diese Idee sich mit einem politischen Beschluss Gehör verschafft, der schon jahrzehntelang aussteht: Der Bundestag hat die "Ehe für alle" beschlossen. Homosexuelle Paare müssen sich nicht mehr verpartnern, sondern können zivilrechtlich anerkannt heiraten. Damit wird die Welt ein bisschen besser. Denn hunderttausende Menschen, die vorher immer noch ein bisschen ausgeschlossen waren, werden nun endlich gleich behandelt. Und allen anderen geht dadurch nichts verloren.
Dass die Idee der Gleichstellung homosexueller Ehen binnen fünf Tagen auf einmal eine solche Schwungkraft entwickelt, dass sie nach jahrzehntelangen Blockaden im Bundestag locker durchgeht, hat auch mit politischem Kalkül zu tun. Angela Merkel nimmt das Thema, bei dem die Union inzwischen nur noch in der AfD einen inhaltlichen Partner fände, aus dem Wahlkampf. Die SPD kann sich auf die Fahnen schreiben, klar Position bezogen zu haben statt sich aus Machterhaltung an den ungeliebten Koalitionspartner zu klammern. Und wie Linke, Grüne und FDP kann sie die vorzeitige Erfüllung eines Wahlversprechens abhaken.
Man kann sich wünschen, dass die Entscheidung für die "Ehe für alle" nach einer neuerlichen inhaltlichen, offenen Debatte gefallen wäre. Aber der Wunsch ist hohl. Denn diese Gleichstellung wird schon seit Jahrzehnten diskutiert, die Argumente sind ausgetauscht. Entweder man ist dafür - dann freut man sich jetzt über die Entscheidung, wie auch immer sie zustande kam. Oder man ist dagegen - dann versteckt man sich hinter der Ausrede, dass man doch noch irgendwie mehr hätte reden müssen.
Die "ecclesia semper reformanda" sollte Vorreiter sein
Die evangelische Kirche ist in der Frage, wer eine "Ehe" eingehen kann, selbst immer noch hart zerstritten. Von Württemberg und Sachsen über Bayern bis zur Nordkirche und nach Hessen-Nassau reichen die Regelungen zur kirchlichen Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare von "vielleicht in manchen Gemeinden" bis zu "der Trauung gleichgestellt". Die Weltkirche, insbesondere in manchen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes, tut sich noch schwerer, auch noch mit Homosexualität allgemein.
Dabei ist es nicht so schwer: Die "ecclesia semper reformanda" funktioniert nur, wenn sie nicht versucht, ein starres gesellschaftliches Gerüst innerhalb der Kirche zu versteinern, während sich die Welt um sie herum weiterdreht. Sonst verlieren wir das Ziel einer besseren Welt aus den Augen. Darum soll Kirche keine exklusive Veranstaltung sein. Wer solus Christus das Heil sucht, kann lesbisch, schwul, schwarz, grün, kariert oder quergestreift sein, egal: Wir wollen eine einschließende Gemeinschaft sein.
Dass der weltliche Gesetzgeber jetzt weiter ist als manche Teile dieser Kirche, finde ich bedauerlich. Das ist allerdings kein Grund, die heutige Entscheidung zurückdrehen zu wollen. Denn die Gleichstellung der Ehe für alle Erwachsenen, die sich lebenslange, verlässliche Gemeinschaft versprechen, bringt ein großes Quäntchen mehr Glück und Freude in die Welt. Das ist ein Grund zum Feiern - für jede*n.