Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen hat eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Elbphilharmonie beim G-20-Gipfel in Hamburg eingefordert.? "Man sollte ein Konzerthaus nicht umstandslos zur Bühne für die Mächtigen dieser Welt machen", erklärte der langjährige Hamburger Propst und Hauptpastor in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Ausgabe 1. Juni). Dies verbiete sich vor allem dann, "wenn sich unter diesen Mächtigen einige hoch problematische Autokraten befinden".
"Wenn Künstler vor Großpolitiker treten, dann dürfen sie auf keinen Fall zu deren Dienern werden", betonte Claussen. Die Elbphilharmonie dürfe sich daher nicht einfach dafür hergeben, ein diplomatisches Arbeitstreffen kulturell zu überhöhen. Sie müsse stattdessen etwas anderes öffenlich darstellen: "die Schönheit und die Würde der Freiheit, die Bedeutung der Kultur für eine offene Bürgergesellschaft." Zwar biete die Elbphilharmonie für Gipfelfotos aller Art eine grandiose Kulisse. Aber ein "wirkliches Wahrzeichen" sollte auch "ein Verhältnis zur Wahrheit" haben - samt einer "ethischen Haltung".
"Wahrzeichen einer weltoffenen Bürgerkultur"
Schon ein kurzer Blick auf die Gästeliste zeige die Probleme, schreibt Claussen. US-Präsident Donald Trump stehe "als Rechtspopulist und Repräsentant amerikanischer trash-culture für eine politisch gefährliche Kunstverachtung" und habe sich längst "als Feind der Freiheit" erwiesen. "Wie will man vor ihm mit ruhiger Hand den Geigenbogen führen?"
Mit Blick auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schrieb Claussen: "Die von ihm betriebene Abschaffung der Demokratie vollzieht sich als Verfolgung all derer, die für die Freiheit des Geistes eintreten: Journalisten, Wissenschaftler, Künstler."
Verantwortlich für das Konzert seien Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bundesregierung. "Bitte werft die Neunte Sinfonie von Beethoven mit ihrer Freuden- und Freiheitshymne nicht Autokraten zu Füßen, bloß weil sie so festlich ist", appellierte der Theologe. Musiker müssten "beweisen, dass sie wie alle Künstler, Wissenschaftler und Journalisten für die Freiheit des Geistes einstehen".
Die Elbphilharmonie habe laut dem Hamburger Kultursenator Caarsten Brosda den Anspruch, "die Grundwerte der freiheitlichen, offenen und demokratischen Kultur moderner Gesellschaften" zu körpern. Darauf bezieht sich Claussen mit seiner Forderung, genau diesen Grundsatz in das Konzert-Programm zu gießen. Er fragt: "Wie klingt Freiheit?" Diese durchaus philosophische Frage beantwortet er nicht, gibt aber Denkanstöße. "Es müsste doch möglich sein, mit den Mitteln der Musik die Bedeutung der Kunst- und Meinungsfreiheit aufzuzeigen, Solidarität mit verfolgten Künstlern aufzunehmen." Claussen schlägt vor, für das Programm Komponisten auszuwählen, die einen Widerstand markieren. Der sowjetische Komponist Dimitri Schostakowitsch zum Beispiel, der Zeit seines Lebens unter dem stalinistischen Terror gezittert hat - was man seiner Musik auch anmerke.
Die Elbphilharmonie sollte sich beim G-20-Gipfel als "Wahrzeichen einer weltoffenen Bürgerkultur" erweisen. Damit könnte sie zeigen, dass es nicht immer nur um Sicherheit, sondern stets auch um Freiheit gehe.