TV-Tipps
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TV-Tipp: "Lügen und andere Wahrheiten" (ARD)
30.5., ARD, 22.45 Uhr: "Lügen und andere Wahrheiten"
Die Haltung der RD zu ihren Kinokoproduktionen ist schon etwas seltsam; manchmal zeigt sie die Filme um 20.15 Uhr (wie kürzlich "About a Girl"), manchmal erst mitten in der Nacht. Dieses Beziehungsdrama mit dem wenig reizvollen Titel "Lügen und andere Wahrheiten" hätte schon allein wegen der Besetzung eine attraktivere Sendezeit verdient.

Womöglich hat letztlich die Länge (105 Minuten) den Ausschlag gegeben; ARD und ZDF brechen ihr starres Programmschema erfahrungsgemäß nur für Fußballspiele auf. Andererseits erzählt die für "Vergiß Amerika" sowie "Engel & Joe" vielfach ausgezeichnete Vanessa Jopp ihren Beziehungsreigen auf eine Weise, die nicht gefällig sein will, zumal gleich drei ihrer vier Hauptfiguren tendenziell unsympathisch sind. Im Zentrum steht das Paar Coco und Carlos (Meret Becker, Thomas Heinze); sie ist Zahnärztin, er Immobilienmakler. Ausgerechnet wenige Tage vor der Hochzeit nimmt ihre eigentlich harmonische Beziehung einen denkbar schlechten Verlauf: Plötzlich geht alles schief, was nur schiefgehen kann. Am ärgsten trifft es Carlos, der Coco versprochen hatte, das Rauchen aufzugeben und bis zum Fest die Finger vom Alkohol zu lassen. Das klappt zunächst auch, aber dann endet der Abend des feuchtfröhlichen Junggesellenabschieds im Bordell. Die Rechnung beläuft sich auf stolze 3.800 Euro, Carlos verliert seinen Führerschein und pinkelt im Vollrausch zu allem Überfluss auch noch ins Bett. Weil er das eine jedoch verschweigt und sich beim anderen in Ausflüchte rettet, beschleichen Coco zunehmende Zweifel an der Ehrlichkeit seiner Gefühle; schließlich sucht sie sogar einen Experten auf, um sich über körpersprachliche Lügensignale zu informieren. 

Offenbar war Grimme-Preisträgerin Vanessa Jopp ("Klimawechsel"), die das Drehbuch gemeinsam mit Stefan Schneider geschrieben hat, diese eine Beziehung jedoch zu wenig, weshalb sie rund um Coco und Carlos ein Ensemble unterschiedlichster Figuren inszeniert hat. Beste Freundin der Zahnärztin ist die Malerin Patti (Jeanette Hain), die in Andi (Florian David Fitz), den gemeinsamen Yogalehrer der beiden Frauen, verliebt ist; aber Andi hat eine düstere Vergangenheit und kann diese Liebe nicht erwidern. Und dann ist da noch die Russin Vera (Alina Levshin), Cocos Assistentin, die die Probezeit nicht übersteht, als sie einen gravierenden Fehler macht. Weil sie für eine Operation ihres Vaters dringend Geld braucht, lässt sie sich von Carlos als Fahrerin engagieren, was er Coco ebenfalls verschweigt. Einsamste Figur dieses melancholischen Werks ist allerdings Cindy (Lilith Stangenberg), deren Hilferufe niemand wahrnimmt; Coco findet sie schließlich dem Tode nahe in der Badewanne.

Viele Momente sind zunächst irreführend komisch. Bestes Beispiel ist Cindys Suizidversuch. Ihre Wohnung befindet sich direkt über Cocos Praxis. Als der Ärztin plötzlich Wassertropfen ins Gesicht platschen, schaut sie bei der angeblich verreisten Cindy nach dem Rechten und entdeckt die junge Frau leblos in der Badewanne. Der Tenor des Films wäre jedoch auch ohne solche Wendungen freudlos, zumal kaum eine der Figuren zur Identifikation einlädt; deshalb ist ihr Verhalten auch nicht immer nachvollziehbar. Die misstrauische Coco wird von Meret Becker betont kühl und streng verkörpert; das Resultat des Lügendetektortests, dem sie sich am Ende unterzieht, ist daher auch keine Überraschung. Patti, die gern leinwandfüllende Vaginas malt, weckt trotz ihrer unglücklichen Liebe kein Mitgefühl, und auch das Verhalten von Vera, die jede potenzielle Beziehung auf schnell verdientes Geld reduziert, ist nicht gerade herzerwärmend. Sympathisch ist in diesem Reigen aus lauter Egozentrikern, die allesamt aus der Spur geraten, nur Carlos, der stets das Beste will und gerade deshalb alles vermasselt. Dass er trotz seiner Verfehlungen als einzige Figur rundum positiv wirkt, hängt natürlich auch mit der Unfreundlichkeit und Ungerechtigkeit von Coco zusammen. Davon abgesehen ist "Lügen und andere Wahrheiten" ein interessantes Beziehungsdrama über die Schwierigkeit, Gedanken, Worte und Werke in Einklang zu bringen. Genau dazu fordert zu Beginn ausgerechnet Andi seine Schülerinnen auf; dabei ist er nicht mal selbst in der Lage, den Appell auch in die Tat umzusetzen.