Es waren unter zehn Grad Celsius in der Nacht, auf der Elbwiese ist die Luft auch bei Sonnenaufgang um halb fünf Uhr morgens noch feucht. Das Kondenswasser sammelt sich in Tropfen auf Luftmatratzen und Isomatten.
Unter dem 18 Meter hohen Kreuz ist ein kniehohes Podest aufgebaut, darauf vier Musiker. Die ersten Sonnenstrahlen färben den Horizont orange. Der Vibrafonist streicht über die Stäbe, leise Töne schwingen über die Elbwiese.
Annähernd Tausend Menschen haben nach der Taizé-Andacht am Abend auf der Wiese übernachtet, aber das ist nur eine Schätzung. Einige öffnen die Augen, setzen sich in ihren Schlafsäcken auf, manche kommen herbeigelaufen, postieren sich nahe zum Podest. Die sanfte Musik, über Lautsprecher verstärkt, strömt über die langsam Erwachenden.
Jan Simowitsch aus Bad Segeberg, am E-Piano, kennt den Kirchentagspastor Arnd Schomerus. Er sagt, er habe mit ihm zusammen die Idee gehabt, frühmorgens mit der Musik zu beginnen. Er hat andere Musiker zusammen getrommelt, einen Percussionisten aus Hamburg, einen Vibrafon-Spieler aus Lübeck, einen Posaunisten aus Berlin.
Allmählich hebt sich eine Melodie aus dem Klangteppich hervor, "O Heiland, reiß die Himmel auf". Von halb fünf bis um sechs Uhr spielen die Musiker, die Sonne steht nun eine Handbreit über dem Horizont am Himmel und beginnt endlich zu wärmen. Dann gibt es Kaffee und Tee, die Johanniter geben Becher heraus. Die Schlange der Menschen, die sich für das Aushalten in der kühlen und kurzen Nacht belohnen wollen, wächst schnell an.
Als die Musik des Quartetts endet, holt ein Schüler aus Wurzen seine Gitarre hervor und beginnt zu spielen und zu singen. "Setzt Euch dazu und singt mit uns", sagt eine junge Frau, die neben dem Gitarristen in ihren Schlafsack gekuschelt liegt.
Eine andere Gruppe, Schülerinnen und Schüler aus Aalen bei Stuttgart, verlässt die Wiese. Sie haben hier übernachtet und bringen ihre Schlafsäcke und Isomatten zurück in die Herberge nach Wittenberg. Zum Gottesdienst wollen sie wieder zurückkommen.
Hinter der Bläsertribüne ist eine mit Aluplanken ausgelegte Fläche für Technisches Hilfswerk (THW), Feuerwehr und Rettungsdienste reserviert. Noch weiter hinten führt ein Trampelpfad zur Elbe. Über eine Treppe gelangt man zu einem Ponton. Mitarbeiter des THW haben das Stahlgerüst der Treppe zusammen gesteckt und geschraubt. Drei Tage hätten sie daran gearbeitet, sagt einer der jungen Männer.
Die Pontonbrücke der Bundeswehr ist erst seit kurz vor sechs da. Eine Viertelstunde habe es gedauert, erzählt einer der Soldaten. Am Vortag haben sie geübt, so lange, bis es passte. Mit Booten haben die Soldaten mit ihren Booten die Elemente gegen die Strömung gedrückt und vertäut. Die schwimmende Brücke hält 90 Tonnen, genug um einem Massenansturm standzuhalten. Wie es scheint, bleibt der ja nun aus.
Ursprünglich war die Ansage: Die Konstruktion muss eine halbe Millionen Menschen aushalten. Nun sind lediglich 40 Tausend gemeldet. Ob sich allzu viele noch spontan entschließen? - Immerhin spielt das Wetter ja mit. Einiges spricht dagegen: Sonderzugfahrten mit limitierten Plätzen müssen gebucht, Parkplätze für Autofahrer vergeben werden.
Um zehn Uhr beginnt das Einsingen für den großen Abschlussgottesdienstes des Kirchentages 2017. Der Bundespräsident wird den Ponton überqueren. Die Soldaten sind schon ganz gespannt.