TV-Tipp: "Venedig und das Ghetto" (Arte, 20.15 Uhr)
TV-Tipp 27.5., Arte, 20.15 Uhr: "Venedig und das Ghetto"
Venedig: Die prächtigste Kulisse der Welt, millionenfach besucht, millionenfach fotografiert, steckt dennoch voller Geheimnisse. Touristen gehen oft achtlos daran vorüber, wie an jenen rätselhaften Zeichen, denen Klaus T. Steindl in seinem Dokumentarfilm folgt.
Er beginnt am 29. März 1516. Damals fasste die Republik Venedig einen Beschluss mit weitreichenden Folgen: Sie wies den Juden ein Gebiet zu, in dem sie von nun an abgetrennt von der übrigen Bevölkerung leben mussten. Es war ein ödes Areal am Stadtrand, "Ghetto" genannt. Von hier aus verbreitete sich der Begriff auf der ganzen Welt als Synonym für Ausgrenzung und Verfolgung. In Venedig kam es anders: Das Ghetto ist heute ein Ort der Begegnung und ein beliebtes, bunt gemischtes Wohnviertel mit hoher Lebensqualität. Wie kein anderer Ort spiegelt dieses Viertel die wechselhaften Beziehungen zwischen den Juden, Venedig und der Welt wider. Die ersten Juden, die im Ghetto ankamen, fanden verfallene Häuser, Schmutz und Unrat vor. Es war ein aufgelassenes Gewerbegebiet, rundum von Wasser umgeben und nur durch Tore zu betreten, die in der Nacht verschlossen und streng bewacht wurden. Dennoch strömten immer mehr Menschen herbei - auf der Flucht vor Kriegen und der Verfolgung auf dem Festland. Die Tore des Ghettos verhießen ihnen nicht nur Ausgrenzung, sondern auch Schutz. Venedig gewährte diesen Schutz, forderte dafür aber auch massive Gegenleistungen: Juden mussten nicht nur hohe Steuern zahlen, sondern auch Geld an die venezianische Bevölkerung verleihen. Mit jeder Einwanderungswelle kamen mehr Juden ins Ghetto - aus anderen Kulturkreisen, mit fremden Sprachen, Sitten und Gebräuchen. Es gab Zeiten der Repression, der Armut, der Verfolgung, aber auch Zeiten der kulturellen und wirtschaftlichen Blüte - alles auf engstem Raum. Erst Napoleon ließ die Tore des Ghettos öffnen. Von da an waren die Juden den übrigen Venezianern gleichgestellt, zumindest theoretisch. Von der dunklen Zeit der Naziherrschaft zeugen "Stolpersteine", ein Gedenkzentrum und ein Mahnmal am zentralen Campo des Ghettos. Heute leben die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in ganz Venedig verstreut, aber das Ghetto und seine fünf Synagogen bilden noch immer den Mittelpunkt ihrer religiösen Identität.