Vor dem Altar der Christuskirche in Bad Vilbel bei Frankfurt geht es schweißtreibend zur Sache. Der Iraner Hassan Nazari (29) zeigt einige der schwereren Übungen, die er sonst immer montags ab 18 Uhr im Gemeindesaal zehn Jungs in einem Breakdance-Workshop beibringt. Gelenkig auf einer Hand um die eigene Achse drehen, Kopfstand, akrobatische Verbiegungen. "Für Breakdance braucht man viel Power", stellt sein Partner Sascha Schirrmacher fest. Er ist Pfadfinder bei der Gemeinde, leitet die "Eisbären". Ihn hat Pfarrer Ingo Schütz um Hilfe gebeten beim Organisieren von Hassans Tanzkurs.
Angefangen hat alles vor einem Jahr, erinnert sich Schütz. Damals seien ihm im Gottesdienst viele neue Gesichter aufgefallen. Er kam mit ihnen ins Gespräch, es war eine Gruppe christlicher Flüchtlinge aus dem Iran. So wie Hassan. Als gläubiger Christ sei er in seiner Heimat vielen Repressionen ausgesetzt gewesen, erzählt er. Die hätten ihm so viel Angst gemacht, dass ihm seine Zukunft verbaut wird.
Mit dem Segen seiner Eltern sei er dann gemeinsam mit seinem Bruder Mojtaba nach Deutschland geflüchtet. Im Iran hätten sich die Christen nur in Hausgemeinschaften treffen können. Getauft worden sei er erst in Frankfurt bei der persisch-christlichen Gemeinde. Doch dort spreche man nur Persisch, er aber wolle Deutsch lernen. Und etwas arbeiten. In der Christuskirche hat er jetzt einen Ein-Euro-Job als Hausmeister. Wenn er nicht in der Brunnenschule zum Sprach- und Integrationskurs gehe, arbeite er drei bis vier Stunden, sonst zwei pro Tag. Dazu kommt seit vergangenem Juni der Breakdance-Kurs. Denn Hassan ist kein Berufsanfänger. Im Iran hat er zwölf Jahre als Automechaniker gearbeitet, fünf als Friseur und acht als Tanzlehrer. Doch im streng religiösen Iran "ist das mit dem Tanzen nicht so gut", erinnert er sich. Deswegen habe er den Breakdance-Unterricht als Gymnastik ausgegeben.
Noch läuft sein Asylverfahren, doch Hassan ist schon in Gedanken beim Start in die Berufswelt. Nicht mit Breakdance, "das ist mein Hobby, ich kann nicht bis 70 tanzen", sondern mit einem Job als Automechaniker. Diese Perspektive ist für seinen älteren Bruder Mojtaba schon fast zum Greifen nah. Er hat seine Anerkennung, nimmt seit September an einer Qualifizierung beim Berufsbildungswerk in Karben teil mit zwei Stunden Unterricht, sechs Stunden Werkstatt. Metallbauer lernt er dort, sein Ziel ist der Konstruktionsmechaniker. Und er freut sich, denn "zu 90 Prozent" habe er ab April bereits ein Praktikum bei Opel sicher.
Würde bedeutet, etwas zurückgeben zu dürfen
Diese Entwicklungen freuen auch Pfarrer Schütz. "Bei der Flüchtlingsarbeit findet ein Bewusstseinswandel statt", ist er sich sicher. Im Mittelpunkt stehe nicht mehr die einseitige Hilfe, sondern, was man gemeinsam tue. So hätten die Ehrenamtlichen bei der Fahrradwerkstatt lange gedacht, sie müssten den Flüchtlingen fertige Räder hinstellen. Mittlerweile helfen auch Flüchtlinge dort selbst ehrenamtlich mit.
Aber es geht um mehr, nämlich darum, selbstständig zu werden, eigenes Geld zu verdienen. Und das nicht nur, um den Sozialstaat zu entlasten. "Zur Würde des Menschen gehört es auch, dass er etwas zurückgeben darf", betont Schütz. Und das auch im Kleinen. So habe Mojtaba bei einer Kirchenveranstaltung gekocht.
Hassan gibt seinen Breakdance-Kurs ebenfalls ehrenamtlich. Als Ein-Euro-Job geht das nicht, denn da seien nur Hilfs- und Zuarbeiten möglich, erläutert Schütz. Gerne würde Hassan bei der Christuskirche auch eine feste Stelle als Hausmeister antreten, doch die steht momentan nicht im Etat. Aber das kann ja noch werden.