Papst Benedikt XVI. ging an dem Tag in die Geschichte ein, an dem er im Februar 2013 auf Latein bei einer Routineversammlung von Kardinälen überraschend seinen Rücktritt ankündigte, als erster Papst seit dem Mittelalter. Das Kirchenoberhaupt stieß durch seinen Amtsverzicht konservative Kirchenkreise vor den Kopf. Zugleich machte er damit den Weg für Reformen in der vatikanischen Kurie frei.
Seither lebt der emeritierte Papst zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan, in dem er ausgewählte Besucher empfängt. Die Arbeit an seinem umfangreichen theologischen Werk stellte er aufgrund schwindender Kräfte mittlerweile ein. Sein Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, beschreibt ihn jedoch weiterhin als geistig rege. Kritiker des Reformkurses seines Nachfolgers Franziskus berufen sich gern auf Benedikt. Sie konnten ihn jedoch nicht dazu bewegen, eine aktive Rolle beim Widerstand gegen eine weitere Öffnung der Kirche zu spielen.
Geboren am Karsamstag 1927
Geboren wurde Papst Benedikt XVI. als Joseph Ratzinger am Karsamstag des Jahres 1927 im bayerischen Marktl am Inn. Sein 90. Geburtstag fällt auf den Ostersonntag. Diesen begeht er in dem zum Alterssitz umgebauten Kloster. Auch Benedikts älterer Bruder Georg Ratzinger (93) will, sofern es dessen Gesundheit erlaubt, an der Feier im kleinen Rahmen teilnehmen.
Benedikts Nachfolger Franziskus dürfte noch am selben Tag persönlich gratulieren. Eine kleine Delegation aus bayerischen Gebirgsschützen und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sollen aus Rücksicht auf den Feiertag erst am Ostermontag zu Benedikt kommen.
Papst des geschriebenen Wortes
Als der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde, freuten sich in Deutschland nicht nur seine Anhänger. Kritiker des langjährigen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation hofften, dass Ratzinger als Papst sich vom strengen Glaubenshüter zum Reformer wandeln würde.
Die Hoffnungen auf große Veränderungen wurden allerdings weitgehend enttäuscht. Für dringend nötige Reformen - etwa der Vatikanbank IOR - verfügte Benedikt nicht über das nötige Interesse an Verwaltungsfragen. Lieber schrieb er theologische Werke wie seine Jesus-Trilogie, beklagten Kritiker. Daher gilt er vielen auch als Papst des geschriebenen Wortes.
Dann kam der Knall: Nach Jahrhunderten der Geheimhaltung wurden über Benedikts Kammerdiener Paolo Gabriele plötzlich zahlreiche vertrauliche Papstdokumente publik. Der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi zitierte sie in seinem Bestseller "Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI.". Gabriele wurde daraufhin von einem Vatikangericht zu einer Haftstrafe verurteilt. Wenige Monate vor seinem eigenen Rücktritt begnadigte der Papst jedoch seinen ehemaligen Mitarbeiter.
Noch als Präfekt der Glaubenskongregation hatte sich Benedikt vergeblich um die Aussöhnung mit den erzkonservativen Traditionalisten der Pius-Bruderschaft bemüht. Sie hatten sich aus Protest gegen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils von der katholischen Kirche abgespalten. Aus Sympathie für ihre weihevollen Liturgien auf Latein hob Benedikt einige Beschränkungen für die Piusbrüder auf. Als er 2009 auch die Exkommunikation für vier traditionalistische Bischöfe aufhob, wurde er allerdings von einer weltweiten Welle der Empörung überrascht. Der britische Bischof der Bruderschaft, Richard Williamson, war unmittelbar zuvor als Holocaust-Leugner hervorgetreten.
Proteste wegen Islamkritik und Pädophilie-Skandalen
Nach zwei Reisen zum Weltjugendtag in Köln 2005 und nach Bayern 2006 stattete Benedikt seiner Heimat Deutschland erst 2011 einen offiziellen Besuch mit Stationen in Berlin, Erfurt und Freiburg ab. 2006 löste Benedikt in seiner sogenannten Regensburger Rede weltweit heftige Proteste aus, obwohl er sich dabei zu Ökumene und interreligiösem Dialog bekannte. Das Zitat eines byzantinischen Kaisers, nach dem der Islam "nur Schlechtes und Inhumanes" mit sich gebracht habe, wurde trotz gegenteiliger Beteuerungen als seine persönliche Meinung aufgefasst.
Die schärfste Kritik brachten Benedikt die Pädophilie-Skandale in Deutschland und Irland ein. In einem Hirtenbrief an die irischen Bischöfe bedauerte er 2009 sexuellen Missbrauch von Kindern durch Kleriker und bat die Opfer um Verzeihung. Dabei stellte er Missbrauch jedoch als Vergehen einzelner Priester dar. Die Kirche selbst war für ihn aufgrund seines theologischen Verständnisses der Institution nicht mitverantwortlich.
Im Dialog mit anderen Kirchen setzte Benedikt auf eine Stärkung der katholischen Identität. Bei der Begegnung mit den Spitzen der Evangelischen Kirche in Deutschland im ehemaligen Augustinerkloster von Erfurt erteilte er 2011 Erwartungen an ein "ökumenisches Gastgeschenk" eine Absage. Der Dialog zwischen Katholiken und Protestanten folge nicht den Regeln von politischen Verhandlungen, betonte er im Blick auf Forderungen nach gemeinsamen Abendmahlsfeiern. Ausgerechnet hier weckte sein Nachfolger Papst Franziskus wieder neue Hoffnungen auf eine Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken.