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TV-Tipp: „Die Luther Matrix“ (ARD)
11.4., ARD, 23.00 Uhr: „Die Luther Matrix“
Ein geheimnisvoller Hacker, von der Boulevardpresse bloß „Mister X“ genannt, hat brisantes Datenmaterial aus dem Bundeskanzleramt gestohlen. Es stellt sich raus, dass es sich bei dem Datendieb ausgerechnet um Carsten von Lupfen (Marek Harloff), den IT-Chef des Amts, handelt. Als der Staatsschutz ihn verhaftet, zitiert er Martin Luther: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“

Die Idee ist nicht schlecht und hat schon öfter funktioniert: Um auch Menschen zu erreichen, die Dokumentationen eher meiden, werden Informationen im Rahmen einer Spielhandlung vermittelt. Meist nutzen die Sender dafür die Form des Dokudramas, eine Mischung aus Interviews, Archivmaterial und Spielszenen. Für „Die Luther Matrix“ hat der SWR im Auftrag der ARD-Koordination Kirchliche Sendungen eine ähnliche, aber doch etwas andere Methode gewählt: Nun sind auch die Interviews Teil der Inszenierung. Die Rahmenhandlung ist ebenfalls interessant: Ein geheimnisvoller Hacker, von der Boulevardpresse bloß „Mister X“ genannt, hat brisantes Datenmaterial aus dem Bundeskanzleramt gestohlen. Es stellt sich raus, dass es sich bei dem Datendieb ausgerechnet um Carsten von Lupfen (Marek Harloff), den IT-Chef des Amts, handelt. Als der Staatsschutz ihn verhaftet, zitiert er Martin Luther: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Später wird er sich auf sein Gewissen berufen, ansonsten verweigert er jede Kooperation.

Um den Bezug zum großen Reformator zu enträtseln und die Motive des Mannes zu verstehen, wird eine BKA-Kommissarin (Annett Fleischer) auf Recherche-Reise geschickt. Dies ist der dokumentarische Teil des Films: Die Frau gibt sich als Journalistin aus und lässt sich von echten Experten über Luther, seine Lehren sowie seine Haltungen zum Islam und den Bauernkriegen informieren. Die Ausführungen klingen auch nicht anders als in einer richtigen Dokumentation. Die Auswahl der Sachverständigen verdeutlicht den breitgefächerten Ansatz des Films: Zu Wort kommen sowohl der evangelische Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer wie auch der selbst innerhalb der CDU als konservativ geltende Peter Gauweiler. Außerdem reist die „Journalistin“ nach Rom, wo sie im Vatikan unter anderem mit Gerhard Ludwig Kardinal Müller, dem Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan, spricht.

Die informative Ebene ist in der Tat hochinteressant; woran es hapert, ist die Verpackung. Damit auch Zuschauer mit weniger Hintergrundwissen der Handlung folgen können, gibt es in der Soko einen etwas begriffsstutzigen tätowierten jungen Mann (Michael Steinocher) mit miserabler Allgemeinbildung, dem alles erklärt werden muss; beim Stichwort Martin Luther denkt er zunächst an „den schwarzen Typen in Amerika, der erschossen wurde“. Wie inkonsequent die Umsetzung ist, zeigt die Einführung von Margot Käßmann: „Wer kennt diese Frau nicht?“, heißt es zunächst, aber dann wird die protestantische Theologin, die unter anderem über Luthers Verhältnis zu den Frauen spricht, trotzdem vorgestellt. Weil die Interviews der BKA-Rechercheurin direkt in die Zentrale übertragen werden, müssen die Soko-Mitglieder ständig ihren Senf dazutun („Wo er Recht hat, hat er Recht.“) Die kaum bekannten Darsteller (darunter Sheri Hagen und Stephan Schad) sind allerdings einige Male viel zu laut, was dazu führt, dass ihre Darbietungen des Öfteren eher bemüht als wirklich überzeugend wirken.

Nicht neu, aber bewährt ist die Idee, Luthers Zeit und seine Ansichten etwa zum Ablasshandel in Form von animierten Erklärstücken einzustreuen, was allerdings zur Folge hat, dass der Film ans Kinderfernsehen erinnert; das Kika-Format „Schnitzeljagd“ oder die SWR-Reihe „motzgurke.tv“ zum Beispiel funktionieren ganz ähnlich. Bei der Präsentation wiederum gibt es Parallelen zu einigen Arbeiten aus der ZDF-Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“, in denen ausprobiert wurde, welche optischen Möglichkeiten der Umgang mit neuen Techniken bietet, etwa die Gesichtserkennung in „Operation Naked“ oder die Integration von Internet-Inhalten in den beiden „Dina Foxx“-Produktionen. Beim SWR hatte man allerdings ein offenbar eher älteres Publikum vor Augen, das nicht mehr gut sehen kann, weshalb die Internetbotschaften stets auch vorgelesen werden.
Der Versuch, die Motive des Computerhackers Carsten von Lupfen mit Martin Luther in Verbindung zu bringen, ist zumindest in der Theorie durchaus reizvoll: Der Mann will den Staat vor den Staatsschützern schützen, denn die sind seiner Ansicht nach bereit, die Demokratie zu zerstören, um sie zu bewahren. In der Inszenierung (Buch und Regie: Tom Ockers) wirkt der Ansatz allerdings längst nicht mehr so plausibel, zumal die Dialoge gelegentlich allzu ranschmeißerisch klingen („weil die Pfeifen im Vatikan es nicht geschnallt haben“). Außerdem ist Bösewichtdarsteller Marek Harloff kein Schauspieler, dem die Sympathien zufliegen, weshalb von Lupfen seinen guten Absichten zum Trotz bis zum Schluss zwielichtig bleibt; die Vernehmungsgespräche gehören zu den schwächsten Szenen des Films. Dennoch ist „Die Luther Matrix“ auf gewisse Weise faszinierend, zumal „Mister X“ den Staatsschützern stets einen Schritt voraus ist und sie zudem mit ihren eigenen Waffen schlägt. Von einem „spannenden Doku-Thriller“, wie ihn die ARD verspricht, kann dennoch keine Rede sein.