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Wegbereiter der Ökumene
Vor 80 Jahren starb Gustav Adolf Deißmann
Der Neutestamentler Gustav Adolf Deißmann zählt zu den führenden deutschen Persönlichkeiten der weltweiten Ökumene-Bewegung. Vor 80 Jahren starb der Theologe - noch bevor sich das, was er mittrug, zu einer weltweiten Ökumene ausbreitete.

Er vertrat eine multilaterale Weltsicht, während sich ein Großteil der evangelischen Theologie deutschnational-patriotisch verstand: Gustav Adolf Deißmann. Das Hauptbetätigungsfeld des Neutestamentlers bestand zwar zunächst aus Bibel-Forschungen und in archäologischen Reisen. Doch bald setzte er sich vehement für die internationale Kirchenarbeit ein. Als die Völker Europas sich von 1914 bis 1918 gegenseitig massakrierten, war er einer der ganz wenigen, die Kontakt zu den angloamerikanischen Kirchen suchten.

So waren seine "Evangelischen Wochenbriefe", ("Protestant Weekly Letters"), die einzige Information über die deutsche Theologie, die es während des Ersten Weltkrieges überhaupt in Großbritannien zu lesen gab. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches begrüßte der liberale Theologe die Weimarer Republik und forderte "die Salbung der Kirche mit mehr als einem Tropfen demokratischen Öls!"

Jetzt widmete Deißmann sich voll und ganz der ökumenischen Friedensarbeit. Er selber war bereit, eine deutsche Schuld am Ausbruch des Krieges einzugestehen. Diese Frage war stets eine Last für alle ökumenischen Treffen, wollten die deutschen Delegationen doch eine Kriegsschuld nie eingestehen.

Gustav Adolf Deißman (1866-1937)

Die Stockholmer Weltkirchenkonferenz

Zusammen mit dem schwedischen Theologen und späteren Erzbischof Nathan Söderblom war Deißmann führend bei der Organisation der Stockholmer Weltkirchenkonferenz 1925, der ersten Weltkirchenkonferenz für Praktisches Christentum. Zwei Jahre später folgte die Weltkirchenkonferenz für Glaube und Kirchenverfassung in Lausanne. Ab 1929 war Deißmann Mitglied des Ökumenischen Rats für Praktisches Christentum, aus dem später der Weltkirchenrat hervorging.

1930 übernahm Deißmann noch das Rektorat der Berliner Universität, fünf Jahre später wurde er emeritiert. Aus seiner Ablehnung der nationalsozialistischen Politik machte er keinen Hehl - wohl auch aus Altersgründen beteiligte sich Deißmann aber nicht mehr wesentlich an der theologischen Arbeit der Bekennenden Kirche. Am 5. April 1937 starb er in Wünsdorf bei Berlin.

Auch die heutige Ökumene hat Grenzen

Doch das, was Deißmann mittrug, weitete sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer weltweiten Ökumene aus. "Der entscheidende Unterschied ist, dass Deißmann es im Wesentlichen mit einer europäischen, innerprotestantischen Ökumene zu tun hatte. Das hat sich vollkommen verändert", sagt Konrad Raiser, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen von 1992 bis 2003. Seit den 1960er Jahren sei Ökumene ohne die volle Beteiligung der orthodoxen Kirchen und die intensive Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche nicht mehr denkbar.

Allerdings hat auch die heutige Ökumene ihre Grenzen. Für die Mitgliedschaft im ökumenischen Rat ist etwa die Zustimmung zur christologischen Basisformel erforderlich, die eine Gemeinschaft von Kirchen beschreibt, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gemeinschaften mit Sonderoffenbarungen schließt das aus: So sind die neuapostolische Kirche, Adventisten oder die Zeugen Jehovas bis heute nicht Teil der offiziellen Ökumene. Auch die besonders in der südlichen Hemisphäre erfolgreichen pfingstlerisch-charismatischen Gemeinden haben  wenig Interesse an einem institutionellen Kirchen-Dialog.

"Diskurs mit Fachkollegen von Deißmann aufgreifen"

Ganz falsch aber sei es, Ökumene zuerst auf ein evangelisch-katholisches Bemühen zu reduzieren, so wie es jetzt etwa im Vorfeld des Berliner Kirchentages unter dem Stichwort "versöhnte Verschiedenheit" propagiert werde, kritisiert Raiser. Das deutsche Verständnis von Ökumene habe sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark reduziert auf die Beziehung zur katholischen Kirche. "Dass Ökumene die ganze bewohnte Erde meint, ist aus unserem kirchlichen Horizont weitgehend verschwunden", erklärt der Theologe.

Dem stimmt auch Hans-Peter Großhans zu, Leiter des Instituts für Ökumenische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster: "Der große Teil der hiesigen Exegeten, Dogmatiker und Ethiker sind häufig in sehr deutschen, west-mitteleuropäischen Debatten verstrickt." Sie ignorierten die vielen Kollegen etwa in Simbabwe, Malaysia, oder Brasilien, die auch Theologie betrieben. "Dass der Diskurs mit diesen Fachkollegen gesucht wird, ist etwas, das man von Deißmann aufgreifen könnte", sagt er.

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Raiser und Großhans üben auch Kritik an den Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum: Das Jubiläum bewege sich viel zu sehr im Deutschen Rahmen und sei allein auf Martin Luther bezogen, bemängeln die Ökumeniker. "Ich bedaure es sehr, dass es wieder wie in den Reformationsfeierlichkeiten der 400 Jahre zuvor zu dieser exklusiven Konzentration auf Luther gekommen ist", kritisiert Raiser.  Dabei übersehe man völlig, dass die meisten dieser Wirkungen von anderen Reformatoren ausgegangen seien: "Insbesondere von Calvin und seinen Nachfolgern."

"Die Evangelische Kirche in Deutschland erweist sich nicht als ein global player, sondern sie ist eine ziemlich regionale Größe", ergänzt Großhans. Die Kampagne zum Reformationsjubiläum sei sehr auf Deutschland konzentriert und zeige eben, "dass die EKD Bundesliga spielt und nicht Euroleague, und Weltliga schon gar nicht", bilanziert er.