"Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen" - das klingt nicht gerade nach einem Aufreger-Thema. Es ist aber eines. Das "Entgelttransparenzgesetz" von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) soll helfen, die Lohnlücke von immerhin 21 Prozent zwischen Frauen und Männern zu schließen. Heute am sogenannten Equal Pay Day werden Gewerkschaften und Verbände - wie sie dies schon seit zehn Jahren tun - wieder auf den geschlechtsbedingten Gehaltsunterschied aufmerksam machen.
Schwesigs Entgeltgesetz soll der Bundestag beschließen. Seine Zustimmung gilt als sicher. Kritiker erwarten von dem Gesetz allerdings keine Fortschritte. "Der Gesetzentwurf ist leider nur ein halbherziger Schritt", findet die Gleichstellungsexpertin Anja Weusthoff vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Denn es gehe nicht an erster Stelle um Lohngleichheit, sondern um mehr Transparenz. Jedoch könne nur ein Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, ihre Entgeltpraxis zu überprüfen und Benachteiligungen zu beseitigen, etwas verändern. "Ein Transparenzgesetz erhöht in erster Linie die Sensibilität für das Thema", kritisierte Weusthoff.
Bloße Aufforderung zur freiwilligen Überprüfung reicht nicht
Das Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer in Betrieben ab 200 Mitarbeitern einen Auskunftsanspruch erhalten. Wenn sie dabei erfahren, dass mindestens sechs Kollegen des anderen Geschlechts bei gleichwertiger Leistung mehr verdienen als sie selbst, dann können sie eine Gehaltserhöhung verlangen. Arbeitgeber mit mehr als 500 Angestellten werden in dem Gesetz zusätzlich "aufgefordert", die Entgeltgleichheit in ihrem Betrieb regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten.
"Das kann so aber nicht funktionieren", sagt die Genderforscherin Marianne Weg, die schon 1979 im Arbeitsstab Frauenpolitik der damaligen Bundesregierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) saß und seit Jahrzehnten die Debatten um Lohngleichheit verfolgt. Eine bloße Aufforderung zur freiwilligen Überprüfung des Entgeltsystems reicht nach Auffassung der früheren leitenden Ministerialangestellten bei weitem nicht aus: "Es muss für die Unternehmen verpflichtend sein, ihr Entgeltsystem kritisch zu überprüfen - und zwar nach einem einheitlichen, zertifizierten Verfahren", fordert sie.
Möglichkeit einer Verbandsklage aufnehmen
Weg kritisiert außerdem, dass es Frauen schwergemacht werde, bei ungleicher Bezahlung eine Korrektur durchzusetzen: "Es ist völlig realitätsfern zu glauben, dass Frauen in solchen Fällen vor Gericht gehen werden. Wie soll eine ganz normale Frau sich trauen, eine Klage gegen ihren Arbeitgeber durchzustehen?" Deshalb müsse das Gesetz die Möglichkeit einer Verbandsklage aufnehmen. Dann könnte sich eine betroffene Frau an eine Gewerkschaft oder eine Frauenorganisation wenden, die an ihrer Stelle klagt.
Auch Thomas Hinz von der Universität Konstanz sieht den Gesetzentwurf kritisch. Nach Aussage des Sozialwissenschaftlers hat die "Forschung gezeigt, dass mehr Transparenz auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann". So könne das vermehrte Zurschaustellen der schlechteren Bezahlung von Frauen dazu führen, dass bestimmte stereotype Vorstellungen verinnerlicht und damit zementiert würden - etwa dass ein Geschlecht, eben das männliche, dem anderen überlegen sei.
Männern wird oft eine höhere Kompetenz zugesprochen
Hinz hat mit Kollegen der Universitäten München und Nimwegen für eine Studie 1.600 Bundesbürger befragt und hat dabei festgestellt: "Wenn man Leute direkt nach der geschlechtsspezifischen Lohndifferenz fragt, dann sagen Männer wie Frauen: Auf gar keinen Fall darf ungleiche Bezahlung sein." Würden sie jedoch indirekt befragt, dann zeige sich bei beiden Geschlechtern, dass Männern oft eine höhere Kompetenz zugesprochen werde - und dann auch eine höhere Bezahlung als fair angesehen werde.
Sinnvoller als ein Transparenzgesetz findet Hinz, Frauen in gute Positionen zu bringen, etwa durch weitere obligatorische Frauenquoten in bestimmten Positionen. Dies bewirke einen positiven und langfristigen Effekt.