Das Melanchthonhaus ist das wichtigste Besucherziel der 23 Kilometer nordöstlich von Karlsruhe gelegenen Stadt Bretten, die sich selbst auch Melanchthonstadt nennt. Unmittelbar am beliebten und belebten Marktplatz gelegen, erinnert das prächtige Gebäude an Leben, Werk und Wirken des hier geborenen Reformators und Humanisten Philipp Melanchthon (1497-1560). Der Grundstein wurde am 16. Februar 1897 gelegt, dem 400. Geburtstag Melanchthons. Das 1903 eingeweihte Haus enthält neben Museum und einer Forschungsstelle eine der umfangreichsten Melanchthon-Spezialbibliotheken und eine Dokumentationsstelle der internationalen Melanchthonforschung.
Bis zu 10.000 Besucher kommen jährlich in das Gedächtnishaus und gehen am Empfang vorbei geradewegs in die Gedächtnishalle. In diesem sakral anmutenden Raum, der fast das gesamte Erdgeschoss einnimmt, werden zu besonderen Gelegenheiten Gottesdienste abgehalten, etwa am Reformationstag. Die raumfüllende Historienmalerei erzählt das Leben Melanchthons. Am Altar im hinteren Bereich stehen sich Philipp Melanchthon und Martin Luther gegenüber. Jedoch schaut Luther zu Melanchthon, während dieser die Zuhörer im Blick behält. An den Seiten der Halle reihen sich Reformatoren wie Johannes Brenz und Martin Butzer aneinander.
Melanchthons Lebensaufgabe: Reformation des Schul- und Universitätslebens
Wandgemälde geben die wichtigsten Szenen aus dem Leben Melanchthons wieder. Sie wurden von Nikolaus Müller geplant, aber erst zwei Jahrzehnte später vom Karlsruher Professor August Groh (1871-1944) ausgeführt.
Es beginnt in der Jugend Melanchthons mit einer Szene am Marktbrunnen im Gespräch mit fahrenden Schülern. Die nächste Szene spielt im Jahr 1530, eine Darstellung des Augsburger Reichstags. An diesem nahm Melanchthon als Wortführer der sächsischen Theologen teil, während Luther auf der Veste Coburg weilte. Die Szene zeigt die Übergabe des von Melanchthon verfassten "Augsburgerischen Glaubensbekenntnisses" an Kaiser Karl V. am 26. Juni 1530.
Daneben ist die Eröffnung der "Oberen Schule" im Ägidien-Kloster in Nürnberg am 23. Mai 1526 dargestellt. Heute heißt die Schule Melanchthon Gymnasium Nürnberg. Melanchthon schreitet mit den Räten der Stadt und Gelehrten der Eröffnungsfeier. Zu Melanchthons Lebensaufgaben gehörte die Reformation des Schul- und Universitätslebens.
27 Jahre Freundschaft
Der Besuch Melanchthons in seiner Vaterstadt Bretten im Sommer 1524 ist neben einer Szene abgebildet, die Luther am Krankenbett von Melanchthon zeigt. "Martin Luther besucht seinen schwer erkrankten Freund und betet um dessen Wiedergenesung, Weimar 1540." Seit August 1518 standen die beiden über 27 Jahre in enger persönlichen Beziehung.
Die knarzenden Stufen gehen Besucher hinauf in das Obergeschoss. Dort befinden sich fast 11.000 Bücher, 450 Autographen, Statuen, Wappen, Gemälden, Gedenkmünzen und Graphiken. Im sogenannten Städtezimmer zieren die Wappen jener 121 Städte die Decke, mit denen Melanchthon nachweislich Kontakt hatte. Von Altenburg bis Reval, im Süden bis Venedig und Siebenbürgen.
Das feierlich und ernst gehaltene Theologenzimmer erinnert an die Kirchenmänner, mit denen der Reformator befreundet war. Im Fürstenzimmer mit seiner prunkvollen Eichendecke hängen Ölgemälde von Adeligen, die für die Reformationsgeschichte eine wichtige Rolle spielten. Im Humanistenzimmer schließlich begegnet man herausragenden zeitgenössischen Vertretern von Wissenschaft und Kunst. Überall in diesen Zimmern sind die Bücherschränke prall gefüllt mit "Melanchthon-Literatur". Im Tresor finden sich Schriften,die noch aus der Zeit vor dem Buchdruck stammen. In diesen Räumen befindet sich die größte und bedeutendste Museumsbibliothek Baden-Württembergs mit wertvollen Drucken aus dem 16. Jahrhundert, ergänzt durch alte Handschriften, Münzen und Wappen.
"Gott zu Ehren, Melanchthon zum Gedächtnis"
Im Nachbarhaus, begehbar durch einen gläsernen Zwischensteg, ist die Melanchthon-Akademie untergebracht. Drehen sich Besucher nach dem Besuch des Melanchthon Hauses noch einmal um, erblicken sie an der Fassade des Museums die fünf Wappen jener Städte, in denen Melanchthon lebte – Bretten, Pforzheim, Heidelberg, Tübingen und Wittenberg. Und in goldenen Lettern prangt über den sechs Fenstern des oberen Stockwerks die Inschrift: "Gott zu Ehren, Melanchthon zum Gedächtnis. Errichtet von der evangelischen Christenheit".