Claudius Grigat, Redakteur bei evangelisch.de und chrismon.de: "Das Richtige tun" und "Das ganze Leben leben" - das sind die zwei Schlüsselsentenzen, die sich durch diesen Film ziehen. Offensichtlich geht es darum, zu zeigen, dass genau das der Katharina von Bora gelungen ist (und durch ihr Zutun dann auch Martin Luther). Das wiederum gelingt den Filmemacherinnen. Dabei greifen sie auf wunderschön gefilmte Bilder (Wiesenlandschaften und Close-ups von ausdrucksstarken Gesichtern) und manchmal recht flache Symbolik (Vogel = Freiheit) zurück. Vor allem aber können sie sich auf großartige HauptdarstellerInnen verlassen: Karoline Schuch transportiert Entschlossenheit, Verletzlichkeit und Nachdenklichkeit zugleich. Und der grandiose Devid Striesow hat einen wuchtigen ersten Auftritt wie der späte Gérard Depardieu, überzeugt aber im Verlauf des Films oft allein mit seiner extrem variablen Mimik. Daraus entstehen immer wieder zarte Szenen mit hoher emotionaler Dichte. Schade, dass Striesow mit diesem Gesicht gleich mehrmals am Boden und im Matsch liegen muss. So sieht es wohl aus, das richtige Leben - im Film…
Anika Kempf, evangelisch.de-Fotoredakteurin: "Katharina Luther", der Titel sagt schon, dass es hier nicht um das Leben und neue Erkenntnisse über die von Bora geht, die ihren Namen nie abgelegt hat; oder gar um die innere Entwicklung einer adeligen Nonne zur liebenden Mutter, sondern um die Frau eines berühmten Mannes, des Reformators Martin Luther. Dieser steht als Nebenfigur im Zentrum des Films, biografisches und theologische Aussprüche geben dem Film ein Gerüst und zeigen, dass der Mann ohne seine tatkräftige, stolze und eigensinnige Frau nichts geworden wäre. Katharinas Werdegang bleibt schablonenhaft: Das verstoßene Kind lebt als aufmüpfige Nonne im Kloster, flieht aus ihrem Gefängnis, verweigert sich jeglicher Eheschließung bis die Zweckehe mit Martin sich als ganz nützlich erweist. Denn der Doktor braucht eine Krankenschwester und Haushälterin und hat sogar so viel Geld, dass seine patente Frau erst mal das gammelige Heim renovieren kann. Die Schwangerschaft? Die hat der etwas liebenswert vertrottelt dargestellte Doktor Luther gar nicht bemerkt. Da Martin Luther "kein Gutsherr, sondern Theologe" ist, werden ein paar wohl belegte Aussprüche, Tischreden und Reisen im Film eingeflochten, die uns den Reformator und seine Lehren näher bringen. Katharina hingegen bleibt wie aus Wikipedia abgelesen zurück. Die einzige Wandlung, die sie durchmacht, liegt in der Wertschätzung ihrer Familie und in der Erkenntnis, dass alles, was sie für ihre Kinder getan hat, die wahre Gestalt ihres Glaubens ist.
Markus Bechtold, Redakteur bei evangelisch.de: Katharina Luther, eigentlich Katharina von Bora, lässt im Film den Mönch Martin Luther erst zum Reformator wachsen und als solchen wirken, indem sie ihm im Hintergrund wohlorganisiert den notwendigen Freiraum und nötigen Rückhalt gibt. Sie hält die Zügel in der Hand und fordert ein finanzielles Wirtschaften ein, damit der Haushalt und die Reformation laufen können. Obwohl Katharina die Hauptfigur des Films ist, bleibt dem Zuschauer das schmerzhafte innere Ringen mit den Brüchen ihres Leben etwas fern: Abschiebung ins Kloster, Flucht aus dem selbigen, die Initiative zur Hochzeit mit dem Reformator und das tapfere Erdulden der vielen öffentlichen Schmähungen. Der Mann Martin Luther ist die Nebenfigur im Film, doch sein stürmisches Seelenleben erhält zuweilen viel Raum. Der Film zeigt aber deutlich, dass erst die Partnerschaft der beiden es ermöglichte, seelische Verwerfungen und theologische Erkenntnis in ein neues Glaubens- und Lebensmodell zu überführen. Das ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der Katharina von Bora. Gut gemacht.
Franziska Fink, freie Mitarbeiterin bei evangelisch.de: Zeig die "Lutherin" als starke, entschlossene Frau: So glasklar muss der Auftrag an Drehbuchautor Christian Schnalke gewesen sein, der sich dann wohl umgehend daran gemacht hat, diesen Auftrag ohne viel Federlesen zu erfüllen. Egal mit welchen Widerständen Katharina konfrontiert wird (zürnende Äbtissin, zürnende Familie, zürnende Stadtgesellschaft), das Drehbuch sieht nur eine Reaktion für Katharina bzw. ihre Darstellerin Karoline Schuch vor: Mit entschlossenem Blick und in Großaufnahme in die Kamera zu schauen. Und das ist auf Dauer - leider, leider - eindimensional, fantasielos und bisweilen sogar langweilig. Bei Martin Luther dreht Schnalke hingegen voll auf, Schauspieler Devid Striesow darf ein ganzes Feuerwerk an Charaktervielfalt abschießen: Von Genie über Klemmi bis Wüterich und gar Feminist ist alles dabei und Martin Luther damit der heimliche Star des Films. Diese Art von komplexer Gefühls- und Entwicklungspalette habe ich bei Katharina vermisst. Stattdessen bleibt mal wieder eine Frauenfigur im Film nur auf ihre Funktion beschränkt ("entschlossen, stark") und wirkt gerade dadurch schablonenhaft. Besonders am Anfang werden Katharinas innere Konflikte und Glaubensfragen nur im Eiltempo angerissen.
Dabei hätte es so viel spannender inszeniert werden können, wie eine Nonne zur damaligen Zeit aus der geistigen und räumlichen Enge des Klosteralltags ausbricht - und wie genau es dazu überhaupt kommen konnte. Drehbuchautor Schnalke ist es stattdessen wichtiger in Windeseile auf Katharinas Begegnung mit Martin Luther zuzusteuern. Dass die Hauptfigur übrigens nie "Katharina Luther" hieß, sondern auch nach der Heirat weiterhin "Katharina von Bora", ist ein zusätzlicher fader Beigeschmack des Films (von manchen wurde sie allerdings "die Lutherin" genannt - das wäre immerhin auch ein schöner Filmtitel gewesen). "Ich will das ganze Leben", sagt also Katharina Luther im Film. Mir ging es als Zuschauerin ähnlich: Ich hätte gerne die ganze Katharina von Bora gesehen.
Stefanie Spitzer, Distributions-Redakteurin bei evangelisch.de: Auch wenn den Machern von "Katharina Luther" das Porträt einer emanzipierten Frau gelungen ist, leidet die Handlung immer wieder darunter, dass der Film sich nie wirklich von dem heimlichen Hauptdarsteller lösen kann: Martin Luther. Seine Konflikte, seine Arbeit und sein Temperament drängen sich immer wieder in den Vordergrund. Ist der Film in der ersten Hälfte noch eine Liebesgeschichte a la "Stolz und Vorurteil", wird er zunehmend zur Studie einer Ehe. Dabei trifft eine Szene die Beziehung der beiden gut auf den Punkt: Während Katharina arbeitet, lässt Martin ein Bild von sich malen. Er ist der berühmte Reformator der Kirche, sie diejenige, die sich mit dem Alltag auseinandersetzen muss. Er der Denker, sie (und später auch ihre Kinder) diejenige, die seine Theorien in die Praxis umsetzt. Mein Fazit: Kurzweilige Unterhaltung, mit einigen Längen gegen Ende, der ein stärkerer Fokus auf Katharinas Gefühlswelt ganz gut getan hätte.
Hanno Terbuyken, Portalleiter von evangelisch.de:
"Kein gewöhnlicher Mensch ist stark genug, das zu ertragen", sagt Barbara Cranach (die Frau von Lucas) zu Katharina von Bora, als sie Martin Luther heiraten möchte. Aber der Film zeigt Katharina Luther eben nicht als gewöhnlichen Menschen, sondern als außergewöhnliche Frau, die sich an der Seite eines außergewöhnlichen Mannes wiederfindet. Trotzdem gelingt es Regisseurin Julia von Heinz, sowohl Martin Luther als auch Katharina von Bora nicht zu verklären. Beide erscheinen als starke Charaktere, die sich dafür entscheiden, sich aneinander zu gewöhnen. Die Welt, in der sie das versuchen, ist noch immer von den alten Vorstellungen geprägt, die die Reformation aber schon teilweise aushebelt. "Katharina Luther" zeigt beide historischen Figuren als Menschen, deren Gottvertrauen in dieser Welt immer wieder auf die Probe gestellt wird. In den Antworten darauf bringt "Katharina Luther" auch die theologischen Lehren der Reformation unter. Dieser Spagat zwischen Geschichte und Geschichten gelingt und macht den Film zu einem sehenswerten TV-Ereignis.
Übrigens: Auch Luthers Judenhass findet Platz im Film, selbst wenn die filmische Erklärung dazu etwas zu fremdbestimmt wirkt. Ergänzend bieten die Produktionsfirma Eikon und die ARD ein Gespräch zum Thema "Luther und die Juden" mit dem Theologen Peter von der Osten-Sacken an. Von Osten-Sacken, inzwischen emeritiert, leitete bis 2007 das "Institut Kirche und Judentum" in Berlin und ist Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille.
Frank Muchlinsky, Pfarrer bei evangelisch.de:
Die Katharina Luther in diesem Film gleicht ein wenig der Penny aus "Big Bang Theory". Als sie nach Wittenberg kommt, bringt sie Leben in die Männer-WG der Doktoren Martin und Philipp. Ihr Motto lautet: "Gott hat uns dieses Leben geschenkt. Niemand darf es uns nehmen. Lass es uns leben." Der liebevolle Nerd Martin gesteht ihr bald, dass auch er Angst davor hat zu sterben, ohne das ganze Leben gelebt zu haben. Die beiden verlieben sich ineinander und haben eine zauberhaft verpatzte Hochzeitsnacht.
Zum Glück bleibt es nicht dabei, dass "die Lutherin" als lebenshungrige Ex-Nonne Licht und Farbe in die Männerwelt bringt. Der Film macht sie auch zu derjenigen, die Luthers Theologie mit Leben füllt. Als sie in einer Schlüsselszene zusieht, wie ihre Kinder die sterbende Schwester trösten, begreift sie, dass ihnen gelungen ist, was sie und Martin sich gewünscht haben: "Unsere Kinder werden die ersten sein, die ohne Angst aufwachsen." Katharina hat tatsächlich das ganze Leben leben können. Sehenswert!
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