"Wenn es um mich herum sehr hektisch wird, öffne ich, wenn möglich, kurz das Fenster oder gehe besser vor die Tür ins Freie. Ich halte inne und atme tief frische Luft ein, um sie langsam wieder auszuatmen: zwei-, dreimal. Wenn die Sonne scheint, mache ich es wie die Krokodile am Nil. Das mag albern klingen, mir hilft es. Ich wende mich der Sonne zu und zeige ihr einen Moment lang meine Zähne. So kann ich spüren, wie die Wärme durch die Strahlen der Sonne schneller in meinem Körper nachhaltig einzieht. Ich hole noch einmal tief Luft, atme langsam aus, blinzele der Sonne entgegen … und weiter geht’s."
Martas Art ist mir vertraut. Wenn Gäste da sind, soll sich jeder wohlfühlen und bekommen, was er braucht. Das gilt vor allem auch für die wichtigsten Gäste in meinem Leben: Meine Kinder. Mit ihnen bin ich oft die Marta, die ständig springt, ein Bedürfnis nach dem anderen zu erfüllen versucht. Doch seit ich mit meinen Kindern zusammenlebe, wird mir auch klar, dass es zwar Kraft kostet, aber besser für alle ist, wenn ich manchmal sage: "Einen Moment, bitte." Dann esse ich ganz bewusst ein Brötchen mit Kirschmarmelade fertig, bleibe am Tisch sitzen und trinke warmen statt kalten Kaffee oder spiele das Klavierstück zu Ende, dass ich gerade angefangen hatte.
Im vergangenen Jahr habe ich gelernt, wie wichtig Pausen sind. Ohne Pausen gibt es für mich keine Inspiration, kein Durchhaltevermögen und auch keine Freude über das Geschaffte. Das alles brauche ich aber, um ein Sinn in meinem Tun zu erkennen. Wie ich Pausen in meinem Alltag einbaue? Einfach mal aus dem Fenster schauen, mich nicht sofort an die nächste Aufgabe machen, sondern zuerst lieber eine Tasse Tee genießen, morgens in Ruhe frühstücken. Das sind natürlich alles keine neuen Erkenntnisse. Aber das Entscheidende ist: Dass ich es endlich wirklich mache.
Meine schönsten Mußemomente sind die, wenn ich das "Nicht sofort drauflosschaffen" quasi wörtlich nehme: Wenn die Kinder in der Schule und im Kindergarten sind und ich mit dem Fahrrad aufbreche in die Redaktion, aber noch genug Zeit ist bis zum ersten Termin. Dann mache ich oft am Fluss Halt, setze mich auf eine Bank, halte die Nase kurz in die Sonne, krame die Tageslosungen hervor und "meditiere"/bete ein paar Minuten. Und wenn im Büro dann schließlich der dampfende Kaffee auf dem Schreibtisch steht, kann ich auch loslegen. Und richtig was schaffen!
"Ich frühstücke nicht zu Hause, sondern im Büro. Das ist mir in den letzten Jahren als Start-in-den-Tag-Ritual sehr wichtig geworden. Während der Computer noch hochfährt und ich erst mal in Ruhe Obst ins Müsli schneide, hat das auch etwas Meditatives. Für mich Morgenmuffel ist dieses gemütliche Ankommen in den Arbeitsalltag auch nötig, um meine Gedanken für den Tag zu sammeln. Vor allem montags, damit ich mit dem Kopf aus dem Wochenend-Modus herauskomme."
"Wenn das Telefon alle zwei Minuten klingelt, 40 E-Mails beantwortet werden wollen und in zehn Minuten eine Konferenz ansteht, ist nicht viel Raum für Muße. Mir helfen dann zwei Dinge: ein Schreibtisch-Spielzeug, das meine Aufmerksamkeit für ein paar Momente auf sich ziehen kann und meine Gedanken von vielen Dingen parallel auf einen einzigen Punkt konzentriert. Wenn man spielt, kann man sich einfach im Moment verlieren. Wenn ich etwas mehr Zeit habe, dann koche ich einen Tee. Tee wird einfach nicht sofort fertig, das kann man nicht beschleunigen. Und brühend heiß kann man ihn auch nicht trinken. Eine alltägliche Erinnerung daran, dass man diese fünf Minuten sich eigentlich immer nehmen kann."