Nicht sofort drankommen: Das gilt auch am Filmset. Denn hier warten alle aufeinander, bis eine Szene gedreht werden kann. Der Kameramann auf die Beleuchter, der Schauspieler auf den Regisseur oder umgekehrt. Schauspieler Simon Böer, bekannt als Pfarrer aus der Fernseherie "Herzensbrecher", kennt sich mit dem Warten gut aus und erklärt im Interview warum.
Welcher Beschäftigung gehen Sie nach - und worin besteht diese hauptsächlich?
Simon Böer: Ich bin Schauspieler und momentan hauptsächlich mit der Serie "Herzensbrecher - Vater von vier Söhnen" beschäftigt, in der ich den evangelischen Pfarrer Tabarius spiele, der mit vier Jungs alleinerziehend ist und eine Gemeinde in Bonn übernommen hat.
Wieviel Zeit in Prozent verbringen Sie mit Warten bei Ihrer Beschäftigung?
Böer: Als Schauspieler vor der Kamera sollte man schon mit Wartezeiten rechnen. Die Prozentzahlen sind von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Mal wird eine Szene gedreht, in der man nicht stattfindet, mal dauert die Einrichtung des Lichts länger. Wenn man nicht gerade dreht oder auf der Bühne steht, dann wartet man auf den nächsten Job.
Wie oft warten Sie?
Böer: Für mich müsste der Tag sowieso mehr als 24 Stunden haben. Ich komme nicht in die Verlegenheit von Langeweile. Ich bin dazu übergegangen, nicht mehr klassisch zu "warten", sondern in der mir verbleibenden Zeit meinen Fokus auf Anderes zu richten. Ich mache autogenes Training, Sport oder lese ein Buch. Oftmals ist es so, dass ich mich bis kurz vor dem "Startschuss" noch vorbereite. Da man in meinem Beruf, der die Abbildung des Lebens, das Erzählen von Geschichten bedeutet, nie so wirklich den Hammer fallen lässt, empfinde ich das Warten nicht als Last oder gar Zeitverschwendung.
Warum muss das Warten überhaupt sein?
Böer: Damit der optimale Ablauf der Arbeitsprozesse gewährleistet ist. Ich bin ja "nur" ein Rädchen in diesem Uhrwerk. Damit alle Zähne ineinandergreifen können, muss man sich in diese Abläufe einfügen, um ein Gelingen des Endprodukts möglich zu machen.
Wer oder was bestimmt, wie lange Sie warten? Wie begrenzen Sie es?
Böer: Das szenische Geschehen, also die Dramaturgie, letztlich der Autor bestimmen diese "Gezeiten". Für mein pünktliches Erscheinen sind am Set die Aufnahmeleitung und auf der Bühne der Disponent verantwortlich. In diesem Sinne begrenzen diese Personen auch das Warten.
Würden Sie das Warten gerne verkürzen, wenn Sie könnten - oder gerade nicht?
Böer: Da ich es sinnvoll nutze und die Erfahrung gemacht habe, dass Entschleunigung dem Leben und so auch der Arbeit manchmal gut tut, nehme ich die Dinge so, wie sie kommen.
"Wenn ich 'warten' würde, ohne diesen Moment zu füllen, ... würde ich Zeit verschwenden"
Lohnt es sich?
Böer: Das lohnt sich eigentlich immer, weil man nicht das Gefühl hat, Zeit zu verschwenden. Wenn ich "warten" würde, ohne diesen Moment zu füllen, und damit meine ich auch in die Stille, in die Meditation zu gehen, würde ich Zeit verschwenden.
Kann das Warten schief gehen?
Böer: Wenn man WIRKLICH im Jetzt ist und keine falschen ErWARTungen hat, eigentlich nie!
Welche Eigenschaft ist am wichtigsten, um erfolgreich warten zu können?
Böer: Geduld und innerer Reichtum.
Lassen Sie auch andere warten?
Böer: Das ist mir immer sehr unangenehm, denn ich kann ja nicht darauf bauen, dass alle dem Warten gegenüber eine ähnliche Einstellung haben wie ich.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die "Erwartung" beim Warten?
Böer: Ich würde sogar sagen, dass Erwartung vom Wesentlichen ablenkt. Überdies werden Erwartungen ja entweder enttäuscht oder übertroffen. Deshalb versuche ich sie zu vermeiden. Denn wenn man während des Wartens immer darauf fokussiert ist, was sein wird, verpasst man den eigentlichen Moment.
Dieses Interview erschien am 14. Dezember 2015 in der Serie "Richtig Warten" auf evangelisch.de