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TV-Tipp: "Helen Dorn: Gnadenlos" (ZDF)
28.1., ZDF, 20.15 Uhr: "Helen Dorn: Gnadenlos"
Neben den durchweg interessanten und immer fesselnden Geschichten zeichnet sich die Krimireihe mit Anna Loos nicht zuletzt durch die Eigenart der Titelrolle aus. Unnahbare Ermittlerfiguren gibt es ja eine ganze Menge im deutschen Fernsehen, auch wenn es sich dabei meist um Männer handelt. Dank der konsequenten Verkörperung durch Loos nimmt Helen Dorn trotzdem eine Sonderstellung ein: Die LKA-Kommissarin ist hart wie Granit; Loos spielt die Frau, die mit ihren straff hochgesteckten Haaren ohnehin sehr streng wirkt, unter nahezu vollständigem Verzicht auf mimische Regungen wie einen Felsen in der Brandung des Verbrechens.

Umso interessanter ist diesmal die Konfrontation mit einem Mann, der sich ganz ähnlich gibt: Jugendrichter Kleinert ist als "harter Hund" bekannt und für seine Urteile berüchtigt. Er will die Jugendlichen lehren, dass sie für die Folgen ihrer Taten gerade stehen müssen. Die Parallelen zur weit über die Grenzen von Berlin hinaus populären und vor knapp zehn Jahren verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig, die eine ganz ähnliche Haltung vertreten hat, sind offenkundig. Heino Ferch, wie Loos ein Schauspieler, der ohne großen Gesten auskommt, ist eine ausgezeichnete Besetzung für diesen Mann, der so cool ist, dass er selbst nach einem Brandanschlag auf Personenschutz verzichtet. Zuvor hatte die Polizei bei einem Kleinkriminellen (Sebastian Urzendowsky) Hinweise gefunden, die nur einen Schluss zulassen: Der junge Mann, von Kleinert mehrfach verurteilt, will den Richter ermorden. Kurz drauf stirbt er selbst. Die Spuren für beide Taten führen zum ehemaligen Krankenpfleger Thomczyk (Peter Schneider), der ebenfalls großen Groll auf Kleinert hegt, denn der hat vor Jahren dafür gesorgt, dass der Witwer das Sorgerecht für seine kleine Tochter verliert. Nun ist das Mädchen bei einem Unfall gestorben. Thomczyks Motiv für die Brandbombe steht also außer Frage, aber warum sollte er den jungen Marek töten?

Der Reiz des Film (Regie: Alexander Dierbach, Buch: Mathias Schnelting) liegt neben der Suche nach der Lösung und der Konfrontation der beiden Hauptfiguren nicht zuletzt in einer substanziellen Schwächung der Heldin. Helen Dorn bangt um das Leben ihres Vaters Richard (Ernst Stötzner), der nach einem Zusammenbruch ins Krankenhaus musste: In seinem Gehirn ist eine Ader geplatzt, er wird in ein künstliches Koma versetzt; am Krankenbett und unbeobachtet darf die Kommissarin, die sonst einen eher ruppigen Umgang mit ihrem Vater pflegt, auch mal Gefühle zeigen. Die melancholische Stimmung, die über diesen Szenen liegt, ist ebenso neu bei "Helen Dorn" wie die Verletzlichkeit der Figur. Dem Richter verwehrt der Film solche Regungen: Kleinert ist auch privat ein ausgesprochen kühler Mensch. Weich wird er allenfalls bei seiner kleinen Tochter; Lisa, der großen, begegnet er mit ähnlicher Strenge wie seinen Angeklagten, bei denen er gern mal über das Strafmaß der Staatsanwaltschaft hinausgeht. Ausgerechnet Lisa, von der jungen Caroline Hartig sehr überzeugend gespielt, nimmt schließlich entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Handlung. Zuvor hat Dorn ein intensives Gespräch mit der Krankenschwester ihres Vaters geführt; auch dieser beinahe intime Moment ist höchst ungewöhnlich für die verschlossene Figur. Die Frau hat der Kommissarin die Geschichte ihrer Eltern anvertraut. Die Erzählung mündet in die Erkenntnis, dass jeder Mensch seine Geheimnisse habe, und das gilt, wie sich zeigen wird, auch für den Richter, der sich in eine ausweglose Situation manövriert hat; der Schluss passt zu der Konsequenz, mit der Schnelting und Dierbach, denen die Reihe mit "Die falsche Zeugin" und "Gefahr im Verzug" (beide 2016) bereits zwei ausgezeichnete Episoden verdankt, den Film konzipiert und realisiert haben.