epd-bild/Norbert Neetz
Der scheidende Jerusalemer Propst Uwe Gräbe (links) und Bischof Munib Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land.
Jerusalemer Propst Uwe Gräbe nimmt Abschied
Die evangelische Kirche im Heiligen Land will durch Dialog den Friedensprozess fördern. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Propst von Jerusalem. Das traditionsreiche Amt gilt als wichtigster Auslandsposten der EKD.
06.05.2012
epd
Susanne Knaul

Propst Uwe Gräbe hat einen engen Terminkalender. Im Ein- bis Zweistundentakt geht es von einem Treffen zum nächsten. "Man ist hier schon recht ausgefüllt", gibt der evangelische Theologe zu. Manchmal falle es ihm schwer, zwischen dienstlich und privat zu unterscheiden. "Eigentlich bin ich fast immer Propst." Um wirklich mal nur "Uwe zu sein", muss er sich ins Auto setzen und raus fahren aus der Stadt, die für sechs Jahre sein Zuhause war. Ende Mai verabschiedet sich der Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Heiligen Land endgültig von Jerusalem. Seine Nachfolge auf dem wichtigen Auslandsposten der EKD tritt im Sommer der badische Pfarrer Wolfgang Schmidt (52) an.

Die Berufung von Gräbe, einem studierten Theologen und Judaisten, zum Propst der Erlösergemeinde lag eigentlich nahe. 1965 geboren zog es ihn schon in seiner Studentenzeit in die Heilige Stadt. Im Rahmen seines Studiums nahm er am "Studium in Israel" 1988/89 teil. Nach mehreren Studienaufenthalten am Al Liqa'-Zentrum in Bethlehem zwischen 1995 und 1998 promovierte er über Strömungen palästinensischer Theologie. Zusammen mit seiner Frau und Sohn Jonathan und soliden Nahost-Erfahrungen landete Gräbe, der bis dahin die Gemeinde von Edewecht bei Oldenburg betreut hatte, im Mai 2006 in der Jerusalemer Altstadt.

Geprägt vom stockenden Friedensprozess

Gräbes Dienstzeit im Heiligen Land war mit geprägt von dem stockenden Friedensprozeß. Die große Gewaltwelle der Zweiten Intifada war zwar vorbei, dafür "findet eine immer weitere Entfremdung der beiden Seiten voneinander statt", beobachtet der Propst. So dürfen Israelis nicht länger in die palästinensischen Bevölkerungszentren reisen. Umgekehrt sind die Palästinenser mit der Abriegelung des Westjordanlandes konfrontiert.

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Vor diesem Hintergrund erscheint die Kirche mit ihren Kontakten zu beiden Seiten privilegiert. Durch Verbindungen zum israelischen Innenministerium kann der Propst bisweilen eine Reisegenehmigung bewirken und Menschen, die getrennt sind, zusammenbringen. Dennoch räumt er ein, dass auch seine Möglichkeiten begrenzt sind. "Ich kann das System nicht verändern", sagt er. Doch schon einen "ganz kleinen Gesprächskanal offenzuhalten" zwischen Israelis und Palästinensern, "das ist ganz wichtig".

Wurzeln bis ins Jahr 1841

Eine Aufgabe des scheidenden Propstes war es, die evangelische Präsenz im Heiligen Land stärker zu vernetzen. Neben der Kaiserin-Auguste-Victoria-Stiftung mit der Himmelfahrtkirche, dem Krankenhaus und der Pilgerseelsorge auf dem Ölberg gehören dazu die Evangelische Jerusalemstiftung mit der Erlöserkirche und dem Hospiz in der Altstadt sowie das Deutsche Evangelische Institut für Archäologie in Jerusalem und dessen Filiale in Amman. Die Wurzeln der Propstei gehen auf das Jahr 1841 zurück, als unter Schirmherrschaft des preußischen Königs und der Königin von England ein gemeinsames Bistum gegründet wurde, das sich aber im Jahr 1889 in einen englischen und einen deutschen Zweig aufspaltete.

Seit 1898 führt der Pastor aus Deutschland den Titel "Propst". Die deutschsprachige Erlösergemeinde, die als wichtige Adresse für Pilger und Touristen gilt, zählt mehr als 200 Mitglieder, darunter Diplomaten und Vertreter deutscher Firmen sowie im Heiligen Land dauerhaft lebende Deutsche. Wenn am 20. Mai in der Erlöserkirche die Glocken zum Abschiedsgottesdienst für Propst Gräbe rufen, dann wird kein Protestant, sondern Pater Goosan Aljanian von der armenischen Kirche das Evangelium singen. Mit ihm verbindet Propst Gräbe eine enge Freundschaft.

Christlicher Dialog als "Herzensangelegenheit"

Zwar ist ihm der christliche Dialog insgesamt "eine Herzensangelegenheit", aber mit den Armeniern verbinde die Protestanten durch "eine ähnliche Gefühligkeit", ein ganz besonderes Verhältnis. Das hänge damit zusammen, dass "die Armenier sich als sehr klein im orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Spektrum fühlen, ähnlich wie wir Evangelischen uns im Spektrum der westlichen Kirchen ganz klein fühlen".

Die nächste Station für Familie Gräbe, die sich schwer von Jerusalem trennt, ist Stuttgart. Dort wird der Pfarrer den Posten als Nahost-Referent des Evangelischen Missionswerkes übernehmen und damit Geschäftsführer des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen in Nahost. Gräbe freut sich auf seine neue Aufgabe und die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Partnern, die er schon in Jerusalem kennengelernt hat. "Daran mitzuwirken, dass das Christentum hier eine Zukunft hat, ist ein solches Privileg, dass ich mich gern auf die neue Lebensphase einlassen kann."