In weißen Blusen und Hemden stehen sie oben auf den Rängen und füllen die riesige Halle mit ihrem Klang. Rund 1.400 Sängerinnen und Sänger erzählen beim Pop-Oratorium "Luther" mit eingängigen Songs die Geschichte des Reformators Martin Luther (1483-1546). "Bei uns ist der Chor der Star", betont Komponist Dieter Falk, der das Stück gemeinsam mit dem Autor Michael Kunze geschrieben hat. Luther und seine Gegenspieler, dargestellt von Musical-Sängern, agieren unten auf einer weißen Show-Treppe. Zum 500. Reformationsjubiläum 2017 geht das Stück jetzt auf Deutschland-Tournee, geplant sind elf Aufführungen in neun Städten. Auftakt ist am 14. und 15. Januar in der TUI-Arena in Hannover.
"Luther ist eine Person mit Ecken und Kanten und bestens geeignet, um dazu Pop- und Rocksongs zu schreiben", sagt Falk. Sein Stück erzählt das Ringen des Reformators um die Wahrheit anhand des Reichstages zu Worms 1521, als Luther sich weigerte, vor dem Kaiser seine Schriften zu widerrufen. Von dieser dramaturgischen Idee ließen sich bundesweit rund 18.000 Sänger anstecken. Denn jede Aufführung wird von einem Mega-Chor aus der Region unterstützt.
"In einem Chor von über tausend Leuten zu singen, ist einfach etwas Besonderes", sagt die Apothekerin Julia (32) aus Hannover. Sie ist mit zwei Freundinnen aus einem früheren Studentenchor zu einer der bundesweit rund 100 Proben gekommen und verstärkt den Sopran: "Wir sind begeisterte Musical-Fans." Den Komponisten Dieter Falk kennt sie aus dem Fernsehen, und seine Luther-Songs mag sie: "Sehr abwechslungsreich, mal was Schnelles, mal was Nachdenkliches - von allem etwas dabei."
###mehr|terms|5559###
Jan-Michael (25), Informatik-Student aus Wunstorf bei Hannover, hat vor einigen Jahren schon einmal bei einem Pop-Oratorium von Dieter Falk mitgesungen. "Das hat mir so gut gefallen, dass ich bei Luther einfach wieder mitmachen musste." Erstmals zu hören und zu sehen war das "Luther"-Oratorium am 31. Oktober 2015, dem Reformationstag, in Dortmund. Rund 15.000 Zuschauer kamen damals in die Westfalenhalle.
Luther, gespielt von Frank Winkels, trägt ein schwarzes Kapuzengewand und in der Hand eine Schriftrolle. "Die Wahrheit ist ein scharfes Schwert, das die Mächtigen das Fürchten lehrt", singt er auf der Bühne: "Ich will selber denken, um gewiss zu sein, was gut und richtig ist." Seine Gegner erscheinen in schrillen Anzügen, silbrig-glitzernd oder knallrot. Ein Bühnenbild gibt es außer der Treppe nicht. Die Kulisse bilden allein die Chorsänger mit ihren weißen Liedblättern.
Immer wieder Gänsehaut-Effekte
Sie alle zu einem vollen Klang zu vereinen und mit Band und Orchester zu koordinieren, ist eine Herausforderung für sich. Deshalb gibt es drei Dirigenten, die durch Kopfhörer und Monitore untereinander verbunden sind. "Die Tempo-Übergänge müssen einfach synchron laufen", erläutert Mit-Dirigent Wolfgang Teichmann. Bei den Sängern erzeuge so ein Riesen-Chor immer wieder Gänsehaut-Effekte und ein großes Wir-Gefühl: "Wenn 1.400 Leute auf die Millisekunde genau das Gleiche empfinden, gibt es einen riesigen Energieschub."
Für Teichmann ist das Oratorium "großes musikalisches Kino". Und mehr noch: "Es ist ein Bildungsprogramm. Die Leute lernen musizieren, und sie lernen etwas über Luther." Auch er selbst habe sich durch die Proben mit den Sängern noch einmal ganz neu mit dem Reformator beschäftigt. "Musik überträgt Emotionen. Luther ist mir dadurch ein Stück menschlicher geworden."