Laut Regisseur sind lediglich 15 bis 20 Prozent der Geschichte vom Autor kreiert. Die restlichen 80 Prozent sind angeblich originalgetreu aus der Bibel entnommen worden. 130 Kapitel, also Folgen, gibt es. Die Produktion jedes Kapitels kostet rund 180.000 Euro.
Der Erfolg beim Publikum ist so groß, dass der Sender bereits die nächste Produktion einer biblischen Geschichte mit dem Titel "Der Reiche und Lazarus" plant.
80 Prozent Original-Inhalt aus der Bibel
Den Durchbruch dieser neuen biblische Teledramaturgie hat der Sender Record allerdings der Novela "Die zehn Gebote" zu verdanken. Sie wurde in den Jahren 2015/2016 ausgestrahlt und erzählte die Geschichte von Moses von seiner Geburt bis zu seiner Reise in das gelobte Land.
Innerhalb weniger Wochen wurde sie zum Rekordhalter bei den Einschaltquoten. Zum ersten mal seit über 40 Jahren gelang es einem Fernsehkanal, den unumstrittenen Marktführer "Globo" zu schlagen: "Os Dez Mandamentos" wurde von mehr Menschen eingeschaltet als die Hauptnovela von "Globo" zur gleichen Uhrzeit.
Telenovelas sind seit Jahrzehnten Teil des kulturellen Selbstverständnisses der brasilianischen Gesellschaft. Die Menschen kennen die gerade wichtigen Novela-Themen oft besser als das Geschehen in der nationalen Politik. Wenn eine Novela besonders gut einschlägt, ist sie in aller Munde, und es bilden sich richtige Public-Viewing-Zirkel. Schnell entstehen Gespräche zwischen Menschen, die sich noch nie gesehen haben, und hitzige Diskussionen über Charaktere und Schauspieler sind überall zu belauschen. Die Thematik variiert je nach Sendezeit – mal werden die alten Zeiten porträtiert mal geht es um regionale, humoristische oder auch dramatische Themen.
Eine brasilianische Telenovela dauert etwa sechs Monate. Die Seifenopern sind fester Bestandteil des Alltags der meisten Brasilianer, unabhängig von Alter oder sozialer Klasse. Einige sagen sogar, dass soziale Barrieren schmaler werden, wenn die laufende Novela zum Thema wird. Plötzlich können sich Angestellte und Chef, Enkel und Oma, Arme und Reiche bestens miteinander unterhalten.
Bibel-Telenovelas als konservative Innovation
Schon vor einigen Jahren begann der Trend, die Probleme der Großstädte zu thematisieren. Gewalt, Sex und Prostitution gehört seitdem in jede Novela. Oft wurden auch moderne, geradezu kritische Themen in den Mittelpunkt gerückt. Immer öfter ging es um Genderfragen, homosexuelle und dunkelhäutige Persönlichkeiten wurden ein Muss jeder erfolgreichen Produktion. Diese Tendenz, die durchaus mit einer Phase fortschrittlicher nationaler Politik einherging, brachte aber ein Teil des Publikums auf die Barrikaden. Telenovelas sind schließlich elementarer Teil des Familienprogramms und oft der gemeinsamen Abendgestaltung insbesondere in wertkonservativen Kreisen. Es war der Moment, auf den Record gewartet hatte: Die Mischung aus Unterhaltung, ein wenig Spannung, christlichen Werten und biblischen Themen war eine Innovation, die bald nicht nur in konservativen Kreisen sehr gut ankam und dem Telenovela-Phänomen in Brasilien eine neue Wende gab.
Die Rückbesinnung auf traditionelle Themen und Werte bei der Novela-Produktion wirkt wie eine Begleiterscheinung des politischen Rechtsrucks, der sich in diesem Jahr mit der heftig umstrittenen Amtsenthebung von Dilma Rousseff auch in Brasilien durchgesetzt hat. Im Mediensektor steht sie für die Festigung religiöser Anbieter und des Konzepts der evangelikalen Kirchen, das Fernsehen zur Erweiterung ihrer Anhängerschaft zu nutzen. Experten zufolge investieren die unzähligen Pfingst- und Neopfingstkirchen - zu letzteren gehört die IURD - enorme Summen in ihre Medienpräsenz.
Zu jeder Tages- und Nachtzeit sind in Brasilien religiöse Sendungen, Predigten, Gottesdienste oder Beratungssendungen zu empfangen, zumeist über die terrestrisch ausgestrahlten Kanäle. Aufgrund ihres Erfolgs sind die biblischen Telenovelas nun kein Zuschussgeschäft mehr. So sind die Evangelikalen weiter auf dem Vormarsch. In Brasilien, dem immer noch größten katholischen Land weltweit, macht ihre Anhängerschaft inzwischen knapp 30 Prozent der Bevölkerung aus. Und auch "Das gelobte Land" trägt seinen Teil dazu bei.