Es ist viel passiert rund ums "Hotel Heidelberg", wenn auch vor allem hinsichtlich der Rahmen- und Produktionsbedingungen: Die Reihe mit Geschichten über eine Familie, die ein Vier-Sterne-Haus in Heidelberg betreibt, ist vom Donnerstag auf den Freitag gewandert, und offenbar hatte Ulrike C. Tscharre für die Fortsetzung keine Zeit mehr. Das ist einerseits zwar schade, weil sie eine gute Besetzung für die Tochter der kratzbürstigen und egozentrischen Hotelgründerin Hermine Kramer (Hannelore Hoger) war, gerät jedoch rasch in Vergessenheit, denn ihre Rolle spielt nun Annette Frier, und da kann von "Ersatz" wirklich keine Rede sein. Auch hinter der Kamera gab es einen Wechsel: Regie führte beim dritten Film nicht mehr Michael Rowitz, sondern Sabine Buss, aber das fällt erstens nicht auf und zweitens nicht ins Gewicht, denn das Drehbuch stammt erneut von Martin Rauhaus, und das zählt: weil der Autor wieder einige wunderbare Dialogduelle für seine Hauptfiguren geschrieben hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung führt nahtlos fort, was schon die ersten beiden Teile prägte: Hermine hat die Leitung des Hauses zwar an Tochter Annette abgetreten, kann es aber nicht lassen, sich auch weiterhin einzumischen, was zu diversen Auseinandersetzungen führt. Zweiter Handlungsstrang, auch dies eine Anknüpfung, ist die Beziehung zwischen Annette und ihrem Mann, dem Psychologen Ingolf (Christoph Maria Herbst): Als sich die Gattin auch noch die Küche aufhalst, hat das Paar überhaupt keine Zeit mehr für einander. Außerdem zeigt sich rasch, dass ihre Kochkünste längst nicht so herausragend sind, wie sie selbst glaubt. Als ihr für die Finanzen zuständiger Bruder Stefan (Stephan Grossmann) Köchin Daniela (Bettina Stucky) engagiert, ist das weit über die Grenzen der Region hinaus renommierte Hotel Heidelberg auch kulinarisch die Anreise wert. Im Leben der seit Teil zwei verwitweten Hermine tut sich ebenfalls was: Nachdem sie einige Male ordentlich mit dem ebenso brillanten wie eingebildeten Bühnenstar Richard Karrenberg aneinandergeraten ist, entdeckt der nörgelige Schauspieler in der auf ähnlich hohem Niveau grantelnden klugen Frau eine Seelenverwandte und wechselt von seinem Hotelzimmer in ihre Gemächer. André Jung versieht die Rolle des seit dem frühen Tod seines Sohnes verbitterten Mimen mit exakt der Hingabe, die die Figur verdient, und hat sichtlich Spaß an seinen Monologen. Geschickt verknüpft Rauhaus diese Ebene mit dem Rest der Handlung, denn auch die Verliebtheit hält Karrenberg nicht davon ab, die anderen Gäste zu vergraulen.
Amüsante Version des Mutter-Kind-Disputs
Bevor der Film jedoch Gefahr läuft, zu einem reinen Beziehungsgeplänkel zu werden, greift Rauhaus zu einem alten Trick und lässt die Familie durch eine Bedrohung von außen zusammenrücken: Als der Notarzt kommen muss, weil Besucher des Restaurants über große Magenschmerzen leiden, stellt sich raus, dass in der Hotelküche ein hochgradig gefährlicher Erreger lauert. Das Gesundheitsamt schließt die Küche, die Gäste reisen ab, dem Hotel droht die Pleite; offenbar stammen die Bakterien ausgerechnet vom Biohof der zweiten Kramertochter, Flori (Nele Kiper).
Das mag insgesamt nach jener Art von Zeitvertreib klingen, für den die ARD-Tochter Degeto in früheren Jahren stand, aber die behandelten Themen sind mehr als bloß vorübergehende Spannungsverstärker. Der Konflikt zwischen Annette und Ingolf zum Beispiel greift ein typisches Paarproblem auf; auch wenn es in der Realität meist die Männer sind, deren Anteil am Familienleben darunter leidet, dass die Arbeit für sie an erster Stelle steht. Außerdem nimmt Rauhaus den Aspekt ernst; ernster jedenfalls als die Auseinandersetzungen zwischen Ingolf und seiner Mutter (Maren Kroymann), denn deren Diskussionen sind gewissermaßen die amüsante Version des Mutter-Kind-Disputs ist, den Annette und Hermine führen. Echte Überraschungen wie jene, als sich Stefan und ein alter Freund im Trekkie-Jargon begrüßen, sind jedoch die Ausnahme. Auch die Inszenierung ist nicht weiter auffällig; die Bildgestaltung zum Beispiel setzt keinerlei Akzente. Aber die beschwingte Musik von Fabian Römer, der in letzter Zeit überwiegend für Krimis und Thriller komponiert hat, passt ausgezeichnet zur Atmosphäre des Films, und die Führung des Ensembles ist Regisseurin Buss ohnehin vorzüglich gelungen, zumal Herbst und Frier schon 2012 in der schwarzen Komödie "Und weg bist Du" gezeigt haben, wie gut sie zusammenpassen.