Wir sind zutiefst geschockt. Die unsäglichen Reden eines Donald Trump konnte man bislang mit der Perspektive ertragen, dass sie nach dem 8. November erledigt sein würden. Jetzt wird daraus in irgendeiner Form offizielle amerikanische Politik. Unfassbar. Die Amerikaner haben tatsächlich einen ignoranten Egomanen mit einer eklatanten Persönlichkeitsstörung ins mächtigste Amt der Welt gewählt. Klingt wie ein Hollywood-Szenario. Es ist beängstigend.
Noch kann man nicht absehen, welche Folgen das haben wird. Aber für Millionen von Menschen in diesem Land bedeutet die Wahl von Trump eine unmittelbare existenzielle Bedrohung: Trump hat die Deportation von elf Millionen Menschen angekündigt, die oft seit vielen Jahren in den USA leben und Teil der amerikanischen Gesellschaft sind. Viele von ihnen werden jetzt schlaflose Nächte haben. Minderheiten, die mühsam um Anerkennung und Respekt in der amerikanischen Gesellschaft gekämpft haben – und damit zuletzt einige Erfolge hatten, sehen sich jetzt einem Präsidenten gegenüber, der von Vorurteilen und Ressentiments geprägt ist.
Viele Frauen erwarteten von diesem Wahlabend einen symbolischen Sieg für Frauenrechte – endlich eine Frau im höchsten Amt des Landes. Sie hatten den Sekt schon kalt gestellt, um das Durchstoßen der "Glasdecke" zu feiern. Stattdessen bekommen sie einen sexistischen Präsidenten, der einem Frauenbild von vorgestern anhängt und mit sexuellen Übergriffen prahlt. Größer und tragischer könnte die Ironie gar nicht sein.
Natürlich muss die Wahl von Trump akzeptiert werden – das gehört zu den demokratischen Spielregeln, an die Trump selbst erinnert werden musste. Wenn Trump auch nur einen Teil von dem umsetzt, was er angekündigt hat, wird es allerdings massiven zivilen Widerstand gegen ihn geben müssen. Ich hoffe sehr, dass die 50 Prozent Amerikaner, die Trump nicht gewählt haben, dann auf die Straße gehen. Alle Menschen mit Anstand und Mitgefühl werden sich in den nächsten Jahren aktiv vor die stellen müssen, die Trumps Politik bedroht und abwertet.
Eine riesige Aufgabe kommt da insbesondere auf die Christen dieses Landes zu: Sich im Namen Jesu gegebenenfalls auch gegen die eigene Regierung zu stellen, wird sie womöglich einiges kosten. Ich bin aber überzeugt, dass es in den USA auch solche Christen gibt.
Überhaupt: Man darf nicht vergessen, dass diejenigen 50 Prozent der Amerikaner, die Trump nicht gewählt haben, die jüngere, gebildetere, progressivere und aktivere Hälfte der amerikanischen Bevölkerung ist. Dieses "andere Amerika" wird nicht einfach verschwinden. Diese Menschen werden einem Präsidenten Trump nicht alles durchgehen lassen. Amerika lässt sich nicht einfach zurückkatapultieren in eine phantasierte Vergangenheit. Das wird Trump noch merken.
Eines wird Trump sicher nicht gelingen: die zutiefst gespaltene amerikanische Gesellschaft zu einigen. Amerika hätte dringend jemanden gebraucht, der versöhnt statt zu spalten. Mit Trump wurde der Bock zum Gärtner gemacht – die Polarisierung wird noch zunehmen. Nicht ausgeschlossen, dass sie sich auch gewaltsam entlädt. Das ist eine überaus beängstigende Perspektive.