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TV-Tipp: "Wer aufgibt ist tot" (ARD)
18.11., ARD, 20.15 Uhr: "Wer aufgibt ist tot"
Vor gut zwanzig Jahren hat "Und täglich grüßt das Murmeltier" ein neues Genre begründet: Wieder und wieder müssen Männer oder Frauen einen bestimmten Tag durchleben, bis ihnen endlich dämmert, dass ihnen das Schicksal die einmalige Chance gewährt, ein besserer Mensch zu werden. Das deutsche Fernsehen hat diese Vorlage schon öfter genutzt, von "Liebe in der Warteschleife" (2004, Sat.1) bis "Annas Alptraum kurz nach 6" (2007, ARD). Die Grimme-Preisträger Christian Jeltsch (Buch) und Stephan Wagner (Regie) haben das Konzept der Zeitschleifenkomödie für ihren Film "Wer aufgibt ist tot" zwar nicht neu erfunden, gewinnen dem Muster aber doch einige neue Seiten ab, zumal Hauptdarsteller Bjarne Mädel, als "Tatortreiniger" gleich zweimal mit dem Grimme-Preis geehrt, den ganzen Facettenreichtum der Rolle auslotet.

Es ist sicher kein Zufall, dass Jeltschs Antiheld einen Namen trägt, der an Willy Loman, den Protagonisten von Arthur Millers Drama "Tod eines Handlungsreisenden", erinnert, zumal beide einen ganz ähnlichen Beruf ausüben: Paul Lohmann ist Vertreter für Spiegel und kommt bei einem gewagten Überholmanöver ums Leben. Die hübsche Tramperin (Friederike Kempter), die er kurz zuvor aufgesammelt hat, entpuppt sich als Todesbotin, die ihn ins Jenseits geleiten soll. Da ihr Äußeres ein Produkt seiner Fantasie ist, sieht sie in ihrer bei jedem Durchlauf wechselnden Kleidung ziemlich sexy aus. Weil aber noch ein Fünkchen Leben in Lohmann glimmt, hält er sich noch in einem Zwischenreich auf, und deshalb hat er die Möglichkeit, die Zeit zurückzudrehen und den Tag noch mal zu durchleben. Zunächst trachtet er verständlicherweise danach, den Unfall zu vermeiden, aber das funktioniert nicht, und falls doch, dann stirbt er eben anders. Auf diese Weise endet jeder Durchlauf im Krankenhaus, wo eine Ärztin ihn für hirntot erklärt und die angehende Witwe Edith (Katharina Marie Schubert) um die Freigabe seiner Organe bittet. Erst nach und nach versteht Lohmann, worin seine eigentliche Chance besteht.

Mit großem Geschick gibt Jeltsch, der seit der Komödie "Einer geht noch" (1999) überwiegend Krimis und Thriller geschrieben hat, mit jeder Rückkehr in die Zeitschleife immer neue Details über Lohmann preis. Dass seine Ehe nach knapp zwanzig Jahren am Ende war und er keinen Draht mehr zur fast erwachsenen Tochter Sophie (Amber Bongard) hatte, wird recht schnell klar; wirklich Freude im Leben hat Lohmann offenbar nur noch mit seinen Tauben. Wie alle wirklich guten Komödien birgt "Wer aufgibt ist tot" aber auch einen tragischen Kern: Das Ehepaar hat sich voneinander entfernt, als vor neun Jahren die kleine Tochter gestorben ist. Pauls Unfähigkeit zu trauern hat zur ehelichen Entfremdung geführt, diverse Liebschaften sowie ein beruflicher Absturz taten ein Übriges. Wie in vielen Filmen dieser Art versucht er zunächst verzweifelt, die Details zu korrigieren, aber das Resultat bleibt immer das gleiche. Gerade die Details sind es auch, die den großen Reiz des Films ausmachen. Dass bei jedem Neustart immer wieder derselbe Song erklingt ("Lemon Tree" von Fool’s Garden), gehört zum üblichen Muster solcher Geschichten. Viel interessanter sind die Kleinigkeiten, die man anfangs nur beiläufig wahrnimmt, etwa ein Cut über Lohmanns Auge, ein ungeöffneter gelber Briefumschlag oder eine Glasperle, die alle später noch eine große Rolle spielen.

Mit Bjarne Mädel hat der vielfach ausgezeichnete Wagner ("Der Fall Jakob von Metzler", "Mord in Eberswalde"), in dessen Filmografie eine derartige Komödie ebenfalls die große Ausnahme bildet, den perfekten Hauptdarsteller gefunden. Im Unterschied zu vielen anderen Protagonisten von Zeitschleifengeschichten ist Lohmann auch anfangs durchaus sympathisch, selbst wenn der typische großmäulige Verkäuferhabitus und die immer gleichen Sprüche natürlich nerven. Ähnlich wie beim Namensvetter aus Millers Bühnenstück wecken die Durchhalteparolen, auf die sich auch der Filmtitel bezieht, eher Mitgefühl als Antipathie; wäre "Wer aufgibt ist tot" ein Drama, es wäre die Tragödie eines lächerlichen Mannes. Aber Mädel versieht den Vertreter mit einer Art heroischen Trotz. Er erinnert an den Frosch, der im Milchkrug zu ertrinken droht und solange strampelt, bis die Milch zu Butter wird; die Hoffnung stirbt zuletzt. Neben aller Unterhaltsamkeit vermittelt der Film also auch noch eine optimistische Botschaft: Es ist nie zu spät, ein besserer Mensch zu werden. Da Katharina Marie Schubert die scheidungswillige Gattin vor allem als stille Dulderin verkörpert, gehört die herausragende weibliche Rolle Amber Bongard. Sophie hat allerdings auch die mit Abstand besten Dialoge: Jeltsch hat der Figur rabenschwarze Zynismen in den Mund gelegt.